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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)


mischte es mit dem Wasser, und während er Trenck eines der Gläser reichte, leerte er selbst das andere.

„Wir haben nie in unserm Leben eine wirksamere Medicin eingenommen,“ sagte er dann lächelnd. „Der alte Türk, von dem ich dies kleine schätzbare Geheimmittel habe, hat vor meinen Augen damit die merkwürdigsten Versuche an allerlei Thieren angestellt. Ich freue mich, dem Herrn Obersten jetzt eine ruhige Nacht wünschen zu können … außer etwas Kopfweh und ein wenig Appetitlosigkeit wird dem Herrn Cameraden morgen nichts Beschwerde machen!“

„Will’s hoffen,“ sagte Trenck, indem er rasch die kleine Giftflasche Frohn’s, die noch auf dem Tische stand, ergriff und zu sich steckte, „… es wird auch nöthig sein, damit wir morgen mit freiem Kopfe überlegen können, was weiter zu thun. Bis dahin gehabe der Herr Giftdoctor und sein Apotheker sich wohl!“

Trenck sprach diese Worte mit einem lauten Hohn und jetzt wieder zornig aufflammenden Augen, denen Frohn mit dem ruhig’sten Blicke von der Welt begegnete.

„Auf Wiedersehen!“ sagte er und verließ mit seinem Wachtmeister das Zimmer des Obersten.

„Ist Alles bereit?“ flüsterte er dann Franzl zu, während er den Gang vor Trenck’s Wohnzimmer hinabschritt.

„Alles, wie Sie es befohlen haben. Drei von unsern Leuten stehen auf der Treppe vor uns postirt, wenn Sie das Zeichen gegeben hätten, zu Ihrer Hülfe bereit … zwei sind im Stall bei den gesattelten Pferden, und einer wartet, um uns zum Schiffer zu führen, am Eingang vom Flecken.“

„Und mein Mantelsack?“

„Ist schon aufgeschnallt, der Mantel ist auch bei den Pferden, die großen Pistolen sind frisch geladen und stecken in den Halftern.“

„Dann also vorwärts!“ antwortete Frohn.

Sie waren an der Treppe angekommen, schritten die Stufen hinab, und gefolgt von den drei Husaren, welche auf der Treppe bereits ihres Vorgesetzten harrten, verließ Frohn jetzt eilig das Abtei-Gebäude, um sich über den dunkeln Klosterhof nach den Stallungen zu begeben.


5.

„Der Oberstlieutenant de Dolne soll zu mir kommen,“ sagte Trenck zu seinem Diener, nachdem er eine Zeitlang mit finster gerunzelter Stirn Frohn nachgeblickt hatte.

Der Diener eilte fort, und der Oberstlieutenant erschien.

Er fand Trenck heftig auf- und abgehend und zornig halblaute Worte ausstoßend.

„Setzt Euch, de Dolne – ich will Euren Rath hören. Es gehen merkwürdige Dinge vor.“

„Was ist Euch widerfahren, Oberst … hat Euch die Conferenz mit dem Wiener so echauffirt?“

„Echauffirt? Es ist kein Wunder, daß man echauffirt ist, wenn man eine Dosis Höllenfeuer im Leibe hat … dieser Wiener ist ein wahrer Teufel … ich hätte Lust, einmal meine Seressaner an ihm den Versuch machen zu lassen, ob sie noch einen Kerl richtig zu spießen verstehen!“ – und dann erzählte der Oberst dem Baron de Dolne die ganze Scene, die eben vorgefallen war.

„Das ist ja ein ganz verzweifelter Mensch!“ rief der Letztere außer sich vor Erstaunen aus.

„Und wenn man solch einen Cujon mit solchen verruchten Mitteln in Bewegung setzt,“ fiel der Oberst ein, „um den Trenck zu bewegen, nach Wien zu kommen, um ihn herzuschaffen, er mag wollen oder nicht, so muß da nicht viel Gutes für ihn zusammengebraut werden!“

De Dolne nickte mit dem Kopfe.

„Das ist leicht möglich,“ sagte er. „Das ganze Schock dummer und nichtsnutziger Kerle, die Ihr nach und nach cassirt habt, wühlt da gegen Euch, und der Eine hat diese, der Andere jene Connexionen. Der Krieg ist aus, und man braucht Trenck und seine Panduren nicht mehr. Handhaben wider Euch werden sie schon finden; ich habe Euch immer gerathen, es mit dem Rechnungswesen nicht so leicht zu nehmen. Ihr unterschreibt Alles, was man Euch vorlegt, ohne lange zu lesen, und werft dann die Wische den Schreibern vor die Füße – es ist eine böse Menschensorte, die Federfuchser!“

„Deshalb sollen sie mir vom Halse bleiben, wie ich ihnen,“ fuhr Treuck auf. „Ich kehre mit meinen ganzen Corps direct nach Slavonien heim, und dort wollen wir sehen, wer uns was anhaben wird – Ihr macht noch in dieser Nacht die Marschroute und nehmt den kürzesten Weg durch Steyermark und Illyrien …“

„Ihr werdet also nicht nach Wien gehen?“

„Ich werde mich hüten.“

„Aber Euer Ehrenwort, Oberst, das dieser Wiener Major in der Tasche hat …?“

„Brauch’ ich darum nicht zu brechen,“ rief der Oberst mit höhnischem Lachen. „Glaubt Ihr, der Trenck sei so dumm, sich fangen zu lassen? Er hat mein Ehrenwort, daß ich mit ihm nach Wien reisen wolle … mit ihm – versteht Ihr – ich brauche also nur dafür zu sorgen, daß er nicht hinreist!“

„Ja so!“ rief der Oberstlieutenant aus, mit einem etwas gezwungenen Lachen, hinter dem sich ein stiller Zweifel an der Ehrenhaftigkeit einer solchen Auslegung barg … ein Zweifel, den er jedoch Trenck’s gereizter Stimmung gegenüber zu verschweigen für gut fand.

„Was habt Ihr beschlossen?“ fragte er dann.

„Es gibt mehrere Wege,“ antwortete Trenck, „und ich wollte Euren Rath hören, welcher Euch der beste scheine, de Dolne. Es wird Niemand in der Welt leugnen können, daß dieser Oberstwachtmeister von Frohn ein Giftmischer ist?“

„Es läßt sich wenigstens so darstellen,“ sagte der Oberstlieutenant.

„Deshalb kann ich ihn morgen in Eisen legen lassen und vor ein Kriegsgericht aus meinen Officieren stellen! Man schickt dann die Acten nach Wien und wartet ab, was von dort aus befohlen wird. Unterdeß führt man ihn als Gefangenen dem Corps nach, und auf dem Transport …“

„Können mancherlei Umstände und Zufälle eintreten…“

„Man kann ihn auch meinetwegen entwischen lassen – er wird dann wohl mürbe genug geworden sein und sich hüten, erst bei mir anzuklopfen und mich an mein Ehrenwort zu erinnern.“

„Das ist Ein Weg,“ sagte de Dolne.

„Der zweite ist,“ fuhr Trenck fort, „ich reite morgen ruhig mit ihm, bis wir nach Linz kommen. Dort bestehe ich darauf, daß wir uns beim Feldmarschall-Lieutenant Gouverneur melden, was der Wiener nicht ablehnen kann. Dem Feldmarschall-Lieutenant mache ich Bericht von der Sache und liefere ihn als Arrestanten ab.“

Der Baron de Dolne schüttelte den Kopf.

„Wißt Ihr, Oberst, welche Vollmachten er bei sich führt?

Das Ende vom Liede könnte sein, daß der Feldmarschall-Lieutenant Euch wie ihn sofort arretirt nach Wien instradirte.“

„Arretirt? Mich arretiren?“ fuhr Trenck auf. „So weit sind wir hoffentlich nicht!“

„Hoffentlich nicht … aber es wäre möglich!“

„Pah … darauf hin will ich’s wagen!“

„Beschließt, was Euch das Beste dünkt … mir scheint der erste Weg der klügste!“

„Will mir’s überlegen,“ sagte Trenck nach einer Pause – „mir ist der Kopf ohnehin schwer, und das Zeug, was ich im Magen habe, rumort darin, wie wenn ich ein Ratzennest im Leibe hätte.“

„Wollt Ihr nicht nach dem Feldscheer schicken?“

„Der wird den Teufel wissen, was dawider zu machen ist – ich will’s verschlafen!“

„Seid Ihr so sicher, daß Ihr wirkliches Gift und wirkliches Gegengift bekommen habt?“

„Ja – darauf mögt Ihr Euch verlassen, de Dolne, Komödie spielt dieser Frohn nicht! Er ist nicht der Mann dazu, oder ich verstehe mich auf Menschen nicht!“

„Nun wohl, so geht zur Ruhe. Habt Ihr noch sonst etwas anzuordnen?“

„Nein, de Dolne, ich danke Euch – aber es würde nicht überflüssig sein, den Wiener ein wenig überwachen zu lassen – sorgt dafür, daß er im Auge behalten wird und nicht den Hals aus der Schlinge zieht!“

„Wie Ihr befehlt; ich will einige Seressaner dazu commandiren.“

„Thut das. Gute Nacht!“

(Schluß folgt.)

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 752. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_752.jpg&oldid=- (Version vom 13.6.2017)