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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Forellen darin, wenn er auch nur drei Tage keinen frischen Zugang hat. Liegt der Teich nahe an einem fließenden Wasser, so wandern die Forellen aus; d. h. sie springen in thaureichen Nächten heraus auf den Damm und zappeln so lange, bis sie in’s fließende Wasser kommen. Nach dem Tode wechselt dieser Fisch die Farbe und bekommt große lichte Flecken. Auch im Leben ändert sich sein Aussehen nach den Eigenschaften seines Aufenthaltes. In engen dichtbeschatteten Waldbächen erscheint er fast ganz schwarz, während er in weiten sonnigen Wassern eine ganz lichte Farbe annimmt; jedoch geschieht dadurch seiner Schmackhaftigkeit kein Abbruch. Es ist sehr zu beklagen, daß in neuerer Zeit die Menge dieser herrlichen Fische sehr abnimmt. Die Ursachen davon sind weniger darin zu suchen, daß man ihnen zu sehr nachstrebt, als darin, daß durch die Entwässerung der Wälder und Sümpfe und die Bewässerung der Wiesen den besten Brutplätzen oft so viel Wasser entzogen wird, daß kaum noch ein Drittheil der Forellenbrut fortkommen kann. Da das erwähnte Uebel wohl schwerlich zu heben ist, sich vielmehr alljährlich vergrößert, so steht in Erwartung, daß der Forellenbestand nach und nach immer mehr abnimmt; darum ist, schließlich bemerkt, zu wünschen, daß die künstliche Zucht dieses Fisches in unserer Zeit immer mehr Anerkennung finde.

Hpl.




Deutsche Bilder.
Nr. 6.      Eine thüringische Landesmutter.
Von Ludwig Storch.

Es gilt als ein unwandelbares Gesetz, daß jeder körperlichen oder geistigen Schöpfung, jeder Gestaltung und Einrichtung des Menschen- und Naturlebens nur so lange gestattet ist, nützlich und förderlich in ihrem Kreise zu wirken, als das Maß der in ihr liegenden Bildungs- und Gestaltungskraft ausreicht; hat sie dieses Ziel erreicht, so kann sie nur noch künstlich oder vielmehr naturwidrig erhalten werden und wirkt dann in dem Grade schädlich, wie früher nützlich. Nichts in der Welt macht hiervon eine Ausnahme, wenn es sich auch noch so sehr mit dem Heiligenschein schmückt und seinen „göttlichen“ Ursprung noch so laut behauptet. Man würde jedoch stark irren, wenn man die jetzt veralteten, schädlich wirkenden Institute als unbedingt verwerflich schelten wollte, während sie doch nur bedingungsweise verwerflich sind; denn man verkennt dabei ganz und gar, welchen großen Nutzen sie einst, als sie lebenskräftig waren, gebracht haben. In einen gleich großen Fehler verfallen aber auch die, welche sich im Geist in die Zeit versetzen, wo diese Institute Heil und Segen bewirkten, ohne zu bedenken, daß sie in demselben Grade jetzt Unheil und Schaden anrichten; das Verlangen ihrer fortwährenden Beibehaltung, weil sie „göttlichen Ursprungs“ seien, ist daher ungerecht, denn die Welt steht niemals still, und der Geist der Zeit schreitet rastlos vorwärts, wenn wir solches auch erst später zu bemerken vermögen.

Welcher vorurtheilsfreie Geschichtskundige wollte nur einen Augenblick die hohe Bedeutung der Klöster und Mönchsorden als Träger, Pfleger und Förderer der Cultur, sowohl der materiellen, wie der geistigen, in Zweifel ziehen? All unsere Bildung, die gewerbliche, technische, artistische und scientifische, also der ganze Schatz unserer Culturmittel hat in der Möncherei seine Wurzel, die Handwerkszünfte wie die Gelehrtenschulen sind aus den Klöstern hervorgegangen. Ohne die fleißigen Conventualen des 12. und 13. Jahrhunderts hätten wir eben so wenig die klassische Literatur der alten Griechen und Römer, als zweckmäßige Einrichtungen der bürgerlichen Gesellschaft. Welcher vernünftige Mensch wollte aber daraus den Schluß ziehen, daß auch jetzt die Klöster als Culturträger nothwendig wären, nachdem wir gesehen haben, daß, als sie ihre Mission vollbracht und die Cultur auf den Punkt gebracht, den zu erreichen sie die Kraft und den Trieb hatten, sie nun die Feinde und Hemmnisse der vorschreitenden Cultur geworden waren! Kein Mönchsorden hat mehr Segen gestiftet als der der Benedictiner; die ausgezeichnetsten Männer sind daraus hervorgegangen, und zuletzt war er in eine Versorgungsanstalt fauler Adliger ausgeartet, welche in verdummender Ueppigkeit und Schwelgerei im Molluskendasein vegetirten und jeden in ihrer Mitte, der sich zu etwas Besserem berufen fühlte, wüthend verfolgten, marterten und quälten. Wer nun aus solcher saubern Benedictinerwirthschaft, wie sie z. B. der ehemalige Benedictiner und nachherige Professor der Philosophie Schad in seiner Selbstbiographie beschreibt, den ganzen Benedictinerorden vom Anfang seines Bestehens verdammen wollte, wie sehr würde der im Irrthum sein, wie unrecht würde er thun! Ganz dieselbe Bewandtniß hat es mit den zahlreichen Höfen und Höfchen und der Kleinfürsterei in Deutschland; und die Klöster und die kleinen Fürstenhöfe stehen in engerm Zusammenhange, als man meinen sollte. Denn als die Klöster ihre Mission erfüllt und die Cultur soweit geführt hatten, als sie dessen fähig waren, und nun anfingen dem Naturgesetz gemäß culturfeindlich aufzutreten, wurden sie im nördlichen Deutschland aufgehoben, und ganz zu derselben Zeit bildeten sich die zahlreichen kleinen Höfe, welche die Weiterführung der Cultur gerade da in die Hand nahmen, wo die Klöster sie hatten fallen lassen. So wurden die kleinen Höfe als Träger und Pfleger der Cultur die Erben und Nachfolger der Klöster, und auch sie sind dem eisernen Naturgesetze erlegen, daß sie Feinde der vorschreitenden Cultur geworden sind, als sie aufgehört hatten, Förderer derselben zu sein.

Nirgends bewährt sich die Wahrheit dieser culturhistorischen Erscheinung deutlicher als in Thüringen, welches ohnstreitig unter allen Länderstrichen Deutschlands der materiell und ideell cultivirteste ist. Der Grund dieser im „Herzen Deutschlands“ so allgemein verbreiteten Geistes- und materiellen Cultur ist durchaus nur in dem Umstande zu suchen, daß Thüringen unter allen deutschen Ländern erst die meisten Klöster und Pfaffen und dann die meisten kleinen Fürstenhöfe und Dynastenresidenzen hatte. Als die Kloster- und Pfaffencultur in ihr Gegentheil umgeschlagen war, erstand ein thüringischer Mönch als Reformator des verkommenen Kirchenthums, und die Fürsten verwandten die säcularisirten Klostergüter zur Fundation von hohen und niedern Bildungsanstalten. Jede thüringische Residenz erhielt ihr Gymnasium, jede Stadt ihre Bürgerschulen, jedes Dorf seinen Schulmeister. Diese wettin’schen Fürsten aus dem ernestinischen und albertinischen Stamme wetteiferten miteinander, wohlthätige Bildungsinstitute in ihren Staaten zu errichten, und da diese wegen ihrer geringen Arealgröße leicht zu überschauen waren, so drang ihr väterlich wohlwollender Blick bis in die kleinsten Dörfer und machte es ihnen möglich, als getreue Landesväter für das körperliche und geistige Wohl ihrer Landeskinder zu sorgen. Ihr gemeinsames landesväterliches Werk war die in der deutschen Culturgeschichte der letzten drei Jahrhunderte so hochwichtige Universität Jena. Zwischen den fürstlichen Familien, namentlich dem regierenden Herrscherpaare, und den Unterthanen entstand ein einfaches herzliches Verhältniß, das an das Patriarchenthum der Vorzeit erinnert. Diese moderne Erzväterschaft erhält ihren höchsten naiven Ausdruck in Herzog Ernst dem Frommen von Gotha und Altenburg und steigert sich zu ihrem höchsten selbstbewußten Ausdruck in Großherzog Karl August von Weimar. Die Geschichte beider demselben Hause entsproßnen Fürsten liefert dafür die rührendsten Beweise. Herzog Ernst borgte sich, wenn er verreisen wollte, seines Oberförsters in Georgenthal Schimmel, und Großherzog Karl August gab, unter allen deutschen Fürsten der erste, seinem Lande freiwillig eine Verfassung mit Volksvertretung. Zwischen beiden Fürsten liegt freilich das Jahrhundert französischer Corruption alles fürstlichen Geblüts in Deutschland, in welchem die Leute von Gottesgnaden sich alles Ernstes einbildeten, daß sie eine Art Halbgötter seien, und vor lauter Ueberspanntheit gar nicht wußten, was für Tollheiten sie noch treiben sollten. Merkwürdiger Weise hat auch in dieser Richtung die thüringische Fürstlichkeit ihren höchsten Ausdruck in demselben Hause gefunden. Denn der Großvater Karl Augusts, der Herzog Ernst August von Weimar, war der abenteuerlichste Fürst, der je Land und Leute regiert hat.

Die Quasipatriarchenzeit hörte schon im 17. Jahrhundert auf, und die Mission der kleinen Höfe als Culturförderer erreichte mit dem deutschen Reich ihre Endschaft. Ihre letzte und ihre schönste Blüthe ist aber der herrliche Karl August. Von ihm an treten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 779. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_779.jpg&oldid=- (Version vom 17.9.2018)