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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

und in Gang zu bringen, welcher bald eine zweite von 60 Pferdekraft folgte. Bei der Weltausstellung in London, im Jahre 1851, war eine Ericson’sche kalorische Maschine in der amerikanischen Abtheilung ausgestellt; sie wurde aber mehr als ein Spielwerk, denn als ein nützlicher Mechanismus betrachtet. Dagegen gab sie Anlaß zu einer heftigen Reclamation, welche die Erfindung für einen Deutschen in Anspruch nahm.

Der Amtmann Prehn in Lauenburg hatte sich sein ganzes Leben lang mit mathematischen und physikalischen Experimenten beschäftigt, und es war ihm angeblich schon im Jahre 1820 gelungen, auf dem Papier eine Maschine zu construiren, in welcher die Expansivkraft der atmosphärischen Luft als mächtiges Triebwerk benutzt wurde. Als der Erfinder durch Unglücksfälle sein ganzes Vermögen verlor, bauete er auf diese seine Idee die Hoffnungen einer neuen Zukunft. Aber in England wie in Preußen vermochte er nicht anzukommen in Folge der mangelhaften Patentgesetzgebung, obgleich in ersterem Lande Macpherson und Stephenson, in letzterem Alexander von Humboldt sich lebhaft für ihn und seine Sache interessirten. Darüber starb der Mann an gebrochenem Herzen. Seine Erfindung ward durch Professor Karsten in Kiel der dänischen Regierung vorgelegt und ist seitdem verschollen. – Wenn auch die Möglichkeit nicht abgeleugnet werden darf, daß Ericson von dem Project des lauenburgschen Amtmanns näher hätte unterrichtet sein können, so ist doch auch hinwiederum die Thatsache um so mehr unerwiesen, als schon in England zahlreiche Patente auf Luftexpansionsmaschinen ausgegeben waren und viele Physiker, wie schon erwähnt, sich selbständig mit dem Problem beschäftigt hatten. Da konnten denn recht gut auch zwei Männer von Begabung auf annähernd denselben Gedanken der Ausführung gerathen, jedenfalls ist es bezeichnend, daß die Pläne und Arbeiten Prehn’s in den dänischen Archiven so spurlos verschwunden sind; obgleich dies nicht auffallen kann, da ja schon so vieles gut Deutsche in Dänemark zu spurlosem Verschwinden gebracht worden ist.

Auf den Gipfelpunkt ihres Glanzes und Ruhmes schien die calorische Maschine zu treten am 15. Februar 1853, dem Tage, an welchem der „Ericson“, ein Schiff von 2200 Tonnen Gehalt, mit ihr in einer Stärke von 600 Pferdekraft seine erste Probefahrt machte. Allein diese, wenn sie gleich gelang, schien leider das Grab der Erfindung gewesen zu sein. Es hatten sich so viele Mängel bei dem neuen Bewegungsapparat herausgestellt, daß nach dem Urtheil aller Sachverständigen an eine dauernde, wirksame Benutzung desselben nicht gedacht werden konnte. Zwar unternahm Ericson mit aller Energie sofort verschiedene Aenderungen, allein auch diese erwiesen sich nicht als hinreichend, so daß es kaum mehr überraschte, als man noch in demselben Jahre vernahm, die calorischen Maschinen seien aus dem Schiff entfernt und an deren Stelle eine gewöhnliche Dampfmaschine eingesetzt worden. Von nun an hörte man Nichts weiter über die calorische Maschine.

Aber der Genius ihres Erfinders schlummerte nicht. Der Hauptgedanke bei der früheren Construction war die unaufhörliche Benutzung der einmal erzeugten Wärme, so daß nach der Anfeuerung dem Brennstoff blos die Aufgabe blieb, den unvermeidlichen Wärmeverlust durch Ausstrahlung, Undichtheit u. s. w. zu ersetzen. Ericson verwirklichte diesen genialen Gedanken durch die sogenannten Regeneratoren, Systeme von zahlreichen, feinmaschigen Drahtsieben, welche einestheils der heißen Luft ihren Wärmegehalt entzogen und sie so abkühlten, anderntheils der abgekühlten Luft wieder die in ihren Geweben angesammelte Hitze mittheilten. So sinnreich diese Construction in der Theorie erscheint, so wenig bewährte sie sich in der Praxis; sie mußte daher mit sammt ihrem Princip aufgegeben werden, und Ericson entschloß sich dazu, wenn auch nur mit schwerem Herzen. Denn es kann mit aller Bestimmtheit gesagt werden, daß das System der Regeneratoren der merkwürdigste und interessanteste Theil bei der Construction der alten calorischen Maschine gewesen ist, und daß die neue erst dann ihre Vollkommenheit erreichen wird, wenn es gelungen ist, dasselbe wieder auf eine oder die andere sichere Art daran anzubringen.

In Deutschland hatte die calorische Maschine von Anfang an keinen rechten Anklang gefunden, man hatte sie schlechtweg, als eine Tändelei ohne Werth, verworfen. Um so überraschter war man, als man plötzlich erfuhr, daß in Nordamerika schon Tausende, in der einzigen Stadt New-York über 200 calorische Maschinen in Thätigkeit seien und Nichts zu wünschen übrig ließen. Da galt es denn, der alten Welt einen wichtigen Vortheil zu erobern. Das Verdienst, die neue Bewegungskraft in Deutschland eingeführt zu haben, gebührt dem Ingenieur Brami Andreä der Maschinenfabrik zu Buckau, welcher in Nordamerika seine Studien gemacht hatte. Unter seiner Leitung wurde die erste deutsche calorische Maschine gebaut und in der Hänel’schen Hofbuchdruckerei in Magdeburg aufgestellt. Sie bewährte sich so trefflich, daß alsbald zahlreiche Aufträge erfolgten; gleichzeitig war die Wilhelmshütte bei Sprottau in Schlesien mit der Fabrikation calorischer Maschinen vorangegangen und hatte verschiedene wesentliche Verbesserungen an denselben angebracht; viele andere Maschinenfabriken ergriffen gleichfalls das neue Unternehmen, und gegenwärtig sind wohl schon Hunderte von calorischen Maschinen in Deutschland thätig und viel mehr noch wahrscheinlich in Bestellung gegeben.

Um die Construction der calorischen Maschinen in ihrer jetzigen Gestalt so viel wie möglich kennen zu lernen, ersuchen wir die werthen Leser, uns in das Souterrain der Wiede’schen Buchdruckerei zu Leipzig zu begleiten, wo die Gartenlaube gedruckt wird. Geleitet von dem freundlichen Herrn Factor steigen wir nieder, und alsbald führt uns ein regelmäßiger Schall, ähnlich dem des abwechselnden Aufschlagens mehrerer Hämmer, nach dem engen, gewölbten Raum, wo die Maschine, wie es die Localität erlaubt, aufgestellt ist. Beim Oeffnen der Thüre schlägt uns eine heiße Luft entgegen, die jedoch zur strengen Winterszeit und mit einiger Gewöhnung ganz gut zu ertragen ist. Da die Druckerei wahrscheinlich bald in das eigne Haus des Besitzers übersiedeln wird, so sind noch nicht alle Anordnungen so getroffen, wie es wünschenswerth wäre, namentlich wird die abgängige heiße Luft nicht zur Erwärmung der Locale benutzt, sondern weiter geleitet; dieselbe dürfte jedoch späterhin, wenn die gehörigen Vorkehrungen getroffen worden sind, ebenfalls zur Verwendung gebracht werden. Mit der größten Verwunderung betrachtet man die nette, kleine Maschine, welche einen so gewaltigen Nutzeffect gewährt. Sie nimmt nicht mehr Raum ein, als ein großer Tisch, und wie sie dasteht, ist sie fertig, ohne Anhängsel, Kessel, Brunnen, Röhren u. s. w. Die Maschine, in der Stärke von 4 Pferdekraft, ist eine doppelte, d. h. sie hat 2 Cylinder von je 24 Zoll Durchmesser. Bei 170-180° R. betreibt sie sechs Schnellpressen von König & Bauer, darunter vier doppelte, sehr bequem, und es ist eine wahre Freude zu sehen, in welcher Gleichmäßigkeit, Accuratesse und Schönheit die Bogen der Gartenlaube daraus hervorfliegen. Die Leistung kann erhöht und die heiße Luft ohne Gefahr bis auf 250° R. gespannt werden. Der Brennmaterialverbrauch beträgt, im Maximum von 13 Stunden, 4 sächsische oder 8 berliner Scheffel leichte Gascoaks. Im gewöhnlichen Betrieb ersetzt die Maschine die Arbeit von 15–18 Menschen; ihren Ankaufspreis ohne Transmission etc. auf 1500 Thaler berechnet, läßt sich nunmehr sehr leicht das Facit der Betriebskosten und der Ersparnisse ziehen.

Die nunmehrige Construction der calorischen Maschine ist die folgende, einerlei, ob dieselbe einfach oder doppelt sei. In dem Cylinder arbeiten zwei Kolben, von welchen der eine, der Arbeitskolben, mit zwei Ventilen zur Lufteinsaugung und Ausstoßung versehen ist und vermittelst des auf ihn wirkenden Ueberdrucks der heißen Luft die Betriebswelle in Bewegung setzt. Der zweite, der Speisekolben, hat mit der Bewegungsübertragung Nichts zu thun, sondern er dient nur dem Arbeitskolben zum Schutz gegen die directe Wärmewirkung der Feuerwand, so wie er auch durch seine pumpende Wirkung beim Zurückgehen das Ventil öffnet, welches die frische Luft zuläßt. Zur Erreichung des ersteren Zwecks besteht der Kern des Speisekolbens aus Holz und Kohlenpulver in einer dünnen Metallhülse; er geht nicht so dicht in dem Cylinder, wie der Arbeitskolben, zu dessen Dichtung eine einfache Lederung, die mit Talg geschmiert ist, völlig hinreicht. Nach der Seite der Feuerung hin ist der Cylinder durch eine mit Chamotte ausgekleidete Wand, welche zugleich diejenige des Ofens bildet, verschlossen, auf der andern Seite hingegen ist er offen, mit der Luft in Verbindung. Einen wichtigen Theil bildet bei einfachen Maschinen das Schwungrad, von besonderer Schwere und mittelst eingegossenen Bleies auf seinem Kranze ungleich belastet. An der inneren Seite des letzteren hat es Einschnitte, in die ein Hebelwerk greift, so daß damit beim Beginn der Arbeit der Schwerpunkt des Schwungrads etwas über den Gipfel seiner Peripherie hinausgerückt werden kann, worauf dasselbe sofort in regelmäßigen Umschwung tritt. Bei einer doppelten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 806. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_806.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)