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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Maschine jedoch ist der Kranz des Schwungrads gleich schwer. Die heiße Luft wirkt in der calorischen Maschine nicht direct auf den Kolben, wie der Dampf in der Dampfmaschine, sondern in entgegengesetzter Weise. Bei dem Rückgang des Speisekolbens in größerer Geschwindigkeit, als des Arbeitskolbens, wird die verbrauchte heiße Luft durch das eine Ventil im Arbeitskolben entfernt; dasselbe schließt sich wieder, ehe der Speisekolben am Ende seines Laufs ist, so daß die übrig gebliebene heiße Luft zusammengepreßt wird und das stählerne Ringventil über dem Kranze des Speisekolbens schließt, welches ungefähr die Stelle des Schiebers bei der Dampfmaschine vertritt. Rings an seinem Rande hat der Speisekolben schräge Einschnitte von etwa 2 Zoll Breite und 1/4 Zoll Tiefe, durch welche die Luft von der einen auf die andere Seite des Kolbens passirt, wenn das Ringventil offen ist. Indem sich nun der Speisekolben rasch von dem Arbeitskolben entfernt, bildet sich zwischen beiden eine Art leerer Raum, wodurch die Ventile des Arbeitskolbens sich öffnen und atmosphärische Luft mit hinreichendem Druck zwischen beide Kolben tritt. Auf diese Weise wird stets die Zufuhr frischer Luft ganz leicht ermöglicht. Bewegt sich hingegen der Speisekolben dem Arbeitskolben entgegen, so wird nach dem Schluß der Ventile in letzterem die Luft zwischen beiden so zusammengepreßt, daß der Stahlring des Speisekolbens sich verschiebt, wodurch dann die frische Luft durch die Einschnitte des letzteren zwischen den Boden des Speisekolbens in die Feuerwand tritt. Von der letzteren empfängt sie sofort durch Strahlung Wärme und Ausdehnungsvermögen, das Stahlringventil des Speisekolbens drückt sich wieder zu, und beide Kolben werden nunmehr mit gleicher Kraft nach vorwärts getrieben, worauf sodann der ganze Vorgang wieder von Neuem beginnt.– Wir wissen nicht, ob wir in dieser möglichst zusammengedrängten Beschreibung so klar gewesen sind, wie wir wünschen, hoffen indessen, daß dieselbe genügen werde, um dem werthen Leser wenigstens ein ungefähres Bild von der Thätigkeit der calorischen Maschine zu verschaffen.

Wenn eine neue Maschine sich so rasch Geltung verschafft, wie der calorischen gelungen ist, so müssen ganz besondere Gründe dafür vorhanden sein. In der That lassen sich derselben folgende Vorzüge gegenüber der Dampfmaschine vindiciren.

1) Brennmaterialersparniß. Diese beläuft sich, übereinstimmenden Urtheilen und Erfahrungen nach, auf zwei Drittheile, ein nicht genug zu beachtender Vortheil, zumal die abgehende Wärme bequem zur Heizung von vielerlei Räumlichkeiten verwendet werden kann. Auch das Anfeuern der calorischen Maschine dauert nicht so lange, wie bei der Dampfmaschine, und geschieht in höchstens einer halben Stunde.

2) Sie erfordert zur Aufstellung nur einen sehr geringen Raum und gar keine Baulichkeiten, weder Kesselhäuser und hohe Schornsteine, noch Brunnen. Jede gewöhnliche Rauchesse kann den abgehenden Rauch weiter führen.

3) Sie ist völlig gefahrlos; da Kessel und Wasser wegfallen, so ist an eine Explosion nicht zu denken. Ebenso ist sie nicht feuergefährlicher, als jeder Zimmerofen. Deshalb bedarf es zu ihrer Aufstellung und Ingangbringung weder der obrigkeitlichen Concession, noch der Prüfung, noch der polizeilichen Ueberwachung, und damit ist der Besitzer einer Masse von Chicanen überhoben, an welchen bekanntlich der Dampfmaschineneigenthümer stets an der Kette liegt.

4) Die Wartung ist so einfach, daß jeder Arbeiter sie sofort übernehmen kann und es keines gelernten Feuermanns dazu bedarf; ebenso ist die Unterhaltung leicht, und der Gang wird nicht wie bei der Dampfmaschine, durch Kesselräumung u. s. w. unterbrochen

5) Die calorische Maschine läßt sich leicht von einem Orte zum andern transportiren und kann auch wahrscheinlich gleich als transportable Maschine eingerichtet werden.

6) Sie arbeitet gleichmäßiger als eine Dampfmaschine von der nämlichen Pferdekraft und ist, besonders in kleinen Dimensionen, wo die letztere am meisten zu wünschen übrig läßt, effectreicher als diese.

Den aufgezählten bedeutenden Vorzügen treten allerdings einige Nachtheile entgegen, welche wir, um gerecht zu sein, nicht verschweigen dürfen. Dahin gehört, daß es bis jetzt noch nicht gelungen ist, stärkere calorische Maschinen als von 6 Pferdekraft zu construiren, und dies auch schwerlich gelingen wird, weil es unmöglich ist, bei einem größeren Cylinderdurchmesser, als 32 Zoll, die Dichtheit des Kolbengangs auf längere Zeit hin zu garantiren. Die öftere Abnutzung des Speisekolbens ist ebenfalls ein Uebelstand, glücklicherweise ist derselbe aber leicht und wohlfeil zu repariren. Dagegen muß das Geräusch, welches die Maschine durch das Spiel ihrer Federhebel, Ventile u. s. w. verursacht, allerdings lästig genannt werden; inzwischen ist es schon durch geschickte Metallcombinationen theilweise beseitigt worden. Daß die Feuerungseinrichtung noch eine ziemlich unvollkommene ist, wollen wir als Nebensache gelten lassen; jedenfalls wird es immer wünschenswerth bleiben, die verbrauchte heiße Luft mindestens theilweise wieder zur Speisung der Flammen zu verwenden.

Die calorische Maschine will und wird die Dampfmaschine zwar nicht ersetzen, dahingegen wird sie ein wichtiges Glied in der großen Kette der Hülfsmittel menschlicher Industrie bilden, indem sie da helfend und fördernd eintritt, wo nur eine geringe Anzahl von Menschenkräften durch die mechanische Kraft ersetzt werden soll. Je kleiner die Kraft, um so theurer, unvortheilhafter arbeiten die Dampfmaschinen; umgekehrt ist es bei den calorischen Maschinen, in welchen die Kunst, das Handwerk, das Gewerbe nunmehr das langersehnte Mittel erhalten haben, sich zur Industrie empor zu schwingen und erfolgreich mit dem Capital des Fabrikanten zu concurriren. Für Buchdruckereien, lithographische Anstalten, Schusterwerkstätten, Drehereien, Schleifereien, für Pumpwerke, Eisengießereien, Poliranstalten etc. wird inskünftig die calorische Maschine das bevorzugte Triebwerk sein, und von ihrer Einführung an wird der Aufschwung dieser Gewerbe datiren. Ebenso derjenige der Landwirtschaft. Dieser hatte es bisher, namentlich in Deutschland, an einer billigen und gefahrlosen Bewegungskraft gemangelt, wie ihr Betrieb dieselbe verlangt. Dem Gebrauch der transportablen Dampfmaschinen setzten sich theils die hohen Unterhaltungskosten, theils die verkehrten und verrotteten Ansichten der Feuerpolizei und der Versicherungsgesellschaften entgegen. Keiner dieser Einwände kann gegen die calorische Maschine erhoben werden; sie ist für den Landwirth eine Bürgschaft besserer Zukunft. Und gern unterschreiben wir das Urtheil der Amerikaner, wenn sie über dieselbe sagen: „Eine Maschine, welche die Handarbeit des Menschen für jährlich 25 Dollars verrichtet und dabei fünfmal weniger kostet, als ein Negersclave, welche ihren Besitzer niemals ärgert, ihm nie davonläuft, keine Arbeit versagt und nicht mit Aufruhr gegen die Arbeitgeber droht, eine solche Arbeitskraft ist dazu berufen, in der kürzesten Zeit alle Maschinen und Geräthe des Ackerbaues in Bewegung zu setzen, dem Menschen alle unreinlichen, gesundheitsschädlichen und gefährlichen Verrichtungen abzunehmen, die kostspielige Sclavenarbeit gänzlich aufzuheben und die Sclaven-Halter zum Nachdenken zu zwingen, wie sie ihre armen, gepeinigten schwarzen Brüder am schnellsten los werden. Und dazu berufen ist die calorische Maschine.“ –




Die materiellen Grundlagen des menschlichen Lebens und Verstandes.

Der Mensch ist nicht blos ein lebendes, sondern auch ein verständiges Wesen. Um beides sein zu können, bedarf er ebensowohl eines Apparates für das Leben, wie auch eines solchen für den Verstand. Von dem Zustande dieser Apparate hängt natürlich der Zustand des Lebens und des Verstandes ab; der Verstand wird, wie sich von selbst versteht, nicht ohne Leben im menschlichen Körper existiren können, wohl aber kann der menschliche Körper leben, ohne Verstand zu haben. Im letztern Falle vegetirt der Mensch gleich einer Pflanze (einem lebenden, organischen Körper ohne Verstandesorgan), und gleicht nicht etwa einem Thiere, da die Thiere ein derartiges Organ, nur nach ihrer höhern oder tiefern Stellung im Thierreiche in verschiedener Vollkommenheit und sonach auch mit verschiedener Verstandesthätigkeit, besitzen (s. Gartenlaube 1860, Nr. 9 und 10).

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 807. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_807.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)