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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

im vorigen Jahrhundert sich der Gunst decrepiter Frauen und der Männer neutrius generis erfreute, so war damals seiner Gelehrigkeit wegen der possenhafte Pudel die Freude der Jugend, der Stolz der Bummler; auch er ist schon außer Mode gekommen, seit der zunehmende Ernst des Lebens dem Geschmack an solcherlei Kunststückchen sehr enge Genzen gesteckt hat. Bereits gehört er zu den seltneren Hunden, er wird jedoch nicht ganz aussterben, so lange Gaukler und Affentheater das Volk belustigen, und Faulenzer das Bedürfniß fühlen, ihre Zeit mit nobelen Passionen todtzuschlagen.

Im Gegensatze zu dem weiblichen Mopse des 18. Jahrhunderts erscheint vom Alterthume an bis über das 17. Jahrhundert hinaus der gewaltige, kluge und tapfere Fanghund als Begleiter abgehärteter, thatkräftiger Männer aus den höheren Ständen; er ist jedoch seit der überhandnehmenden Verweichlichung immer seltener geworden und wird bald aus dem übercivilisirten Europa ganz verschwunden sein. Bei dem höheren Bürgerstande hat dafür jetzt der philanthropische Neufundländer sich besonderer Gunst zu erfreuen. Auch der Spitz, der Cincinnatus unter den Hunden, der treue unbestechliche Wächter von Haus und Hof, nähert sich bereits in manchen Gegenden dem Verfalle seines Geschlechtes; in den Städten hat ihn der spießbürgerliche gemeine Pinscher schon zum größten Theile verdrängt. Der bürgerliche, pflichtgetreue Spitz, noch sehr verbreitet und geschätzt bei dem biedern, einfachen Schweizervolke, bewacht bei uns nur noch das Schiff des Flußschiffers und den einsamen Meierhof, fern von dem Geräusche der Stadt; wo aber der Landmann bereits das städtische Gewand angenommen hat, da findet man auch bei diesem meist nur moderne Hundeformen von unreiner Race. Woher die zahlreichen, in ihren Eigenschaften oft sehr ausgezeichneten Hunderacen stammen, welchen Arten sie ihren Ursprung verdanken, das wird wohl mit Gewißheit nie ermittelt werden; wissen wir doch über die neuesten derselben, die kaum einige Jahrzehnte bekannt sind, nichts Zuverlässiges; sie erscheinen, werden Mode und verschwinden, um wieder von anderen Formen ersetzt zu werden. Nur wo der Mensch unter unveränderten Verhältnissen dahinlebt, nur da bleibt auch sein treuer Begleiter sich gleich.

Eine bisher unbekannte Race, der Affen- und Stachelpinscher, ein Mittelding zwischen dem kleinen Spitz und dem spanischen Pinscher, war bestimmt die Stelle des Mopses einzunehmen. Der Kopf dieses Monstrums ist spitz und lang, die Ohren spitz und aufrecht stehend, das Gesicht erinnert an die Physiognomie des Pavians, das Haar ist schwarz mit gelben Spitzen, borstenartig und dünn, so daß die Haut an mehreren Stellen durchscheint. Der Schweif ist fast bis 10 Zoll lang und wird in leichtem sichelförmigem Bogen aufrechtstehend getragen. Dies ist die Gestalt des Affen- oder Stachelpinschers. Er ist schon ausgeartet und zeigt meistens einen starken Bart um die Nase und Unterkiefer, die buschigen, stacheligen Augenbraunen haben sich zum Schleier über die Augen verlängert, und der Körper ist bei manchen mit langen seidenen Haaren bekleidet. Die Farbe wechselt, sie ist bald weiß, bald gelb, grau, rostfarben, schwarz und schwarz mit gelber Abzeichnung; blaugraue Seidenpinscher werden sehr geschätzt.

Auffallend ist der Charakter dieser Hunde. Sie haben wenig Ortssinn[WS 1], suchen ihren Herrn mehr mit den Augen als mit der Spur, verlaufen sich leicht, halten sich lieber bei den Pferden im Stalle, als in der Stube bei den Menschen auf, sind sehr wachsam und muthig und große Feinde der Ratten, daher sie auch Rattenfänger und Stallpinscher genannt werden. Eine kleinere Art dieser Hunde heißt Skottish Terriers. Der Affenpinscher läßt sich leicht mit dem Pferde verkaufen, weil er dieses mit wenig Ausnahmen mehr liebt als den Herrn. Der Affenpinscher auf unserem Bilde rettete schon zweimal einem Pferde das Leben und behütete seinen Herrn vor großem Verluste. Ein Pferd des Generals v. M. hatte sich des Nachts die Halfter vom Kopfe gestreift und dieselbe sich derart um den Hals gedreht, daß es dem Erstickungstode nahe, röchelnd und stöhnend im Stalle lag. Plötzlich machte der bei dem Pferde wachende Hund einen solchen Lärm, daß der im nahen Hause schlafende Reitknecht aufwachte und, durch das eigenthümliche angstvolle Bellen und Schreien des Hundes bewogen, in den Stall ging, wo er das röchelnde Pferd fand. Er konnte dasselbe nicht allein lösen, sondern mußte mehrere Leute zum Beistand holen, die das Pferd denn auch glücklich retteten. Unser Hund ließ sonst Niemanden in den Stall, selbst seinen eigenen Herrn nicht, wenn er in Civil war, diese Nacht aber bellte er nicht einmal und begrüßte die Fremden ungewöhnlich freundlich.

Ein Pferd, das einmal verliehen wurde und nicht gleich wieder zurück kam, suchte er auf und lief sieben Stunden von Dresden bis Großenhain und kehrte dann mit demselben zurück. Als die Pferde verkauft wurden, blieb er bei seinem Lieblingspferde.

Unser alter treuer Hirten- und Viehhund, dessen ausführliche Charakteristik wir nächstens bringen werden, stammt unbedingt von den Steppenhunden ab, die in den großen unabsehbaren Ebenen Asiens von der Jagd auf Antilopen leben. Man ist darüber einig, daß der wilde Hund, namentlich die eine, dem Wolf und Schakal ähnliche Form, schwarz von Farbe war, mit gelbbrauner Abzeichnung und gelbbraunen Flecken über den Augen. Wir finden dergleichen Hunde, besonders als Vieh-, Hirten- und Hofhund, noch überall auf dem flachen Lande, wie in den Hochgebirgen Deutschlands, Italiens und Frankreichs, in Norwegen und Schweden. Er ist meistentheils langhaarig, hat einen spitzen, glatten Kopf, meist spitze aufrechtstehende Ohren, eine Haarkrause, welche Hals und Kopf umschließt. Die Beine (Läufe) sind kurz behaart, zuweilen nach hinten gefranzt, der Schweif ist langbehaart, buschig und bildet eine sogenannte Fahne oder Wedel und wird aufrecht in halbmondförmigem Bogen getragen. Von diesem Urbilde des Hundes, wie er eben noch vorkommt, leiten die Naturforscher alle Hunderacen ab.

Nach den auf uns gekommenen Beschreibungen und Abbildungen kannten die Alten so verschiedene Hunderacen, wie wir heut zu Tage haben, nicht. Wir finden den Windhund, den Haus- und Hirtenhund mit spitzen Ohren und gedrungener Gestalt, und einen dem Pudel ähnlichen Hund. Ob Nimrod und Esau, die gewaltigen Jäger, Hunde hatten, wissen wir nicht.




Die Besteigung eines neuen Vulcans in Nicaragua.

Der Europäer, welcher an der atlantischen Küste von Central-Amerika landet, fühlt sich in seinen Erwartungen meist getäuscht. Die Erdoberfläche jener Küstenstriche und ihre geologische Physiognomie unterscheidet sich fast in nichts von dem, was man zu sehen gewöhnt ist. Die Felsen sind nicht anders gestaltet als daheim, es ist derselbe Boden, und die Abwechselung von Hügeln, Bergen, Thälern und Ebenen bietet keine neue, auffallende Erscheinung. Anders ist der Eindruck, wenn der Fremde das tropische Wunderland zuerst an der Küste des stillen Oceans betritt. Hier umgibt ihn mit einem Schlage eine ganz neue Welt von eigenthümlicher Gestalt und Production. Er steht mitten in der Region der Vulcane. Vulcanische Kegel bis zu einer Höhe von 14,500 Fuß treten ihm überall gleichsam als Wächter der Landschaft entgegen. Sie krönen das Tafelland der Anden, erheben sich bald einzeln, bald in Gruppen mit der Regelmäßigkeit und Symmetrie von Pyramiden aus der flachen Ebene oder an den ungeheuern Seen des Landes und lassen ihre Rauchfahnen weithin am Horizonte wehen bis über die Hügel und welligen Ebenen von Mexico. Die ganze pacifische Küste ist gleichsam mit feuerspeienden Bergen besäet. Einige, wie der 3600 Fuß hohe Conseguina und der 4800 Fuß hohe Conchagua steigen direct aus dem Ocean empor; zwischen dem Isthmus von Panama und Tehuantepec aber zieht sich eine beinahe ununterbrochene Kette von mehreren hundert vulcanischen Piks einige Meilen von der Küste entfernt und parallel mit dieser hin.

Trotz der noch alljährlich stattfindenden Eruptionen, welche ganze Städte und Landschaften verwüsten, scheinen seit den letzten dreihundert Jahren die vulcanischen Erscheinungen in Mittelamerika im Abnehmen begriffen zu sein. Die meisten Vulcane sind erloschen oder haben seit Jahrhunderten kein anderes Lebenszeichen, als eine über ihrem Gipfel schwebende Rauchwolke, von sich gegeben. Nichts desto weniger haben sich auch neue Krater geöffnet und neue Vulcane sind entstanden. Der Izalco, in der kleinen Republik San Salvador, welcher gegenwärtig eine Höhe von 4000 Fuß, also etwa die des Vesuvs hat und sich in fortwährender Thätigkeit befindet, datirt sein Dasein erst aus dem Jahre 1770, und ich selbst hatte im Jahre 1859, zur Zeit meines Aufenthaltes im Staate Nicaragua

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Orstsinn
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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 829. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_829.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)