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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

No. 1.   1861.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.


Wöchentlich bis 2 Bogen.    Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.



An unsere Leser!


Mit der vorliegenden Nummer erscheint die „Gartenlaube“, wie überhaupt eine deutsche Zeitschrift, zum ersten Male in einer Auflage von mehr als 100,000 Exemplaren. Wie dies jedenfalls ein Beweis von dem Beifall ist, den sie bisher gefunden hat, so wird es und ein Sporn sein die Anstrengungen zu steigern, um die Mannigfaltigkeit und den Werth ihrer Mittheilungen noch zu erhöhen, vor Allem aber in der Redaction an den bisher befolgten Grundsätzen fest zu halten. Denn unserer Meinung nach verdankt die „Gartenlaube“ ihre Verbreitung, außer der Popularisirung der Wissenschaften hauptsächlich dem, daß sie sich bestrebt hat durch und durch ein deutsches Blatt zu sein. Nur gute deutsche Autoren liefern deutsche Originalbeiträge, deutsche Künstler besorgen die artistische Ausstattung (keine Abklatsche aus englischen und französischen Zeitschriften), deutsches Leben und Streben bildet vorzugsweise den Gegenstand ihrer Schilderungen. Mit treuem Sinn werden wir an diesen Tendenzen fest halten und dürfen hoffen, daß auch für die Zukunft aus allen Blättern unserer Laube die Liebe zu dem deutschen Vaterlande hervorleuchten wird, selbst da, wo nicht gerade rühmend von ihm die Rede sein kann.

Die Redaction und Verlagshandlung.





Im hohen Hause.

Eine Geschichte von Edmund Hoefer.

„Vor dreißig Jahren,“ begann der pensionirte alte Oberst seine Mittheilung, „war ich eben Hauptmann geworden und noch obendrein im Regiment, welches in meiner Vaterstadt garnisonirte, so daß alle meine Wünsche erfüllt waren, da starb mein alter Papa, und meine Mutter, eine gar treue und liebe Seele, folgte ihm auch auf diesen Weg schon nach acht Tagen redlich nach. Meine Schwester und ich waren sehr betrübt; sie mußte ihres Gatten wegen wohl in der Stadt bleiben, mir aber war diese so gründlich verleidet, daß ich alsbald um Versetzung einkam. Und da meine Vorgesetzten wirkliche Theilnahme für mich zeigten, sah ich auch diesen Wunsch schon nach kurzer Zeit und zwar in einer Weise erfüllt, wie ich’s gar nicht zu hoffen gewagt. Ich erhielt eine der beiden Jägercompagnieen, welche damals in E. standen, und reiste an meinen Bestimmungsort mit allem Jubel ab, den ich nach den schweren Unglücksfällen überhaupt nur noch in mir hatte. Waffe und Dienst entsprachen meinen Neigungen viel mehr, als meine bisherige Stellung bei der Linie, und dazu kam endlich noch, daß E. von allen Jäger-Garnisonen bei weitem die angenehmste und behaglichste sein sollte. Ich fand auch gleich anfangs, daß man nicht zu viel gesagt.

„E. war damals nicht einmal eine Mittel-, sondern nur eine kleine Stadt, aber eine der hübschesten und reinlichsten, die ich je gesehen; die Bewohner waren ein ruhiges und freundliches, umgängliches Völkchen, das mit der Garnison im besten Einvernehmen lebte. Die Classe der „Gebildeten“ war ungewöhnlich zahlreich; die Mitglieder des Magistrats, der sich noch nach alter Weise ergänzte und von keiner Städteordnung wußte; die Beamten eines Ober- und eines Untergerichts; die Lehrer des Gymnasiums; die Aerzte, unter denen ein paar einen großen Ruf und ein noch größeres Vermögen besaßen; einige Engroshändler, Kaufleute, Rheder etc.; endlich die Gutsbesitzer der reichen Umgegend – diese alle bildeten einen sehr großen, angenehmen, heiteren und anständigen Kreis, in dem selbst der Anspruchvollste die ihm entsprechenden Elemente und Unterhaltung finden konnte, und in dem wir Officiere uns auf das Behaglichste zu Hause fühlten. Der Ton war der freiste und ungezwungenste von der Welt, die Häuser aller Genannten waren jedem Vorgestellten geöffnet, man kam und ging nach Gefallen, kleine Kreise und größere Gesellschaften machten alle immer bekannter und vertrauter mit einander; von Standesvorurtheilen, von Kastengeist und dergleichen zeigte sich wenig oder nichts, und ein junger Mann, der nicht gar zu grämlich war, konnte in E. ein Leben führen, wie Gott in Frankreich.

„Nun war ich weder alt noch grämlich, aber ich hatte Trauer und zwar ein ganzes Herz voll, und so wird es auch begreiflich sein, daß ich für’s Erste wenigstens dem Gesellschaftstreiben fern blieb, welches freilich damals – wir waren im September – überhaupt noch kaum begonnen hatte. Dafür aber war jetzt die Jagdsaison in vollster Blüthe, und die Umgegend von E. bietet zu Lande und Wasser einem eifrigen Jäger so viel Gelegenheit, seinen Neigungen zu folgen, wie in diesem Umfange vielleicht kein anderer Ort Deutschlands. Eine große Jagd hatten wir Officiere selbst gepachtet, andere wurden uns mit höchster Liberalität zur Disposition gestellt, und ihr mögt daher euch selbst sagen, wie ich leidenschaftlicher Nimrod hier in meinem Elemente war. Ich traf es überhaupt ganz gut. Das Quartier des Cameraden, an dessen Stelle ich kam, war für mich Junggesellen zu groß, ein anderes, das mir gefallen hätte, nicht frei, und so zog ich – was freilich eigentlich nicht sein sollte, jedoch vom Commandeur freundlicherweise gestattet wurde – vor’s Thor, in das sehr hübsche Haus eines pensionirten Majors.

„Dort hatte ich nicht nur Einsamkeit und Ruhe, wie sie meiner

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_001.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2018)