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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)


der Zuvorkommenheit empfangen, welche ein Mann von guter Extraction einer Dame beweist!“

„Nun meinethalb,“ sagte Trenck lachend, „sehen will ich sie, aber dann mag sie heimreisen und ihr Agram von mir grüßen!“

Der Oberstwachtmeister und Commandant verließ seinen Gefangenen und begab sich in seine Wohnung zurück, wo die Baronesse in Spannung und Aufregung seiner harrte.

„Der Oberst von der Trenck erwartet Sie,“ sagte er und bot ihr den Arm, um sie in die Zimmer des Obersten zu führen.

Als er in die letzteren mit der jungen Dame eintrat, sah er zu seiner Genugthuung, daß während seiner kurzen Abwesenheit Trenck seine überaus nachlässige Haustoilette so weit geordnet hatte, um ohne gar zu schreiende Verletzung des Anstands eine Dame empfangen zu können. Dann, während Agnes Mirzelska ihrem Oheim entgegenflog, mit erhobenen Armen, die doch wieder im nächsten Augenblick sich leise senkten, als stehe das junge Mädchen gelähmt durch den Anblick der grotesken Soldatenfigur mit dem halbschwarzen, pulververbrannten Gesichte, während deß entfernte Frohn sich rasch, um diese erste Begegnung nicht durch seine Gegenwart zu stören.

Er rief jedoch einen der Haus-Inspectoren herbei und ließ zwei freundliche Zimmer, die denen Trenck’s gegenüber lagen, für die junge Dame herrichten. Die Zofe, welche auf dem Gange geblieben war, während Agnes Mirzelska bei ihrem Oheim eintrat, konnte beginnen, das Gepäck ihrer Gebieterin aus dem Reisewagen nach oben schaffen zu lassen.


3.

Nach einer halbstündigen Unterredung mit dem Obersten von der Trenck bezog Agnes Mirzelska die für sie hergerichteten Gemächer und nahm in einer Weise Besitz davon, daß man sah, der Oheim hatte am Ende seiner Unterredung auf seinem Willen, daß sie heimkehren solle, woher sie gekommen, keinenfalls mehr bestanden. Es verfloß auch keine lange Zeit, und die Nähe der schönen, lebhaften und beredten Nichte war dem Gefangenen gewissermaßen unentbehrlich geworden. Sie mußte seine Mahlzeiten theilen, seine Erzählungen anhören, mit seiner Entrüstung sympathisiren, wenn er seine Wiener Feinde verfluchte, und das Alles that sie mit einem so liebenswürdigen Eingehen auf die Anschauungsweise und die oft barocken Vorstellungen des berühmten Soldaten, daß der Einfluß ihrer Nähe auf seine früher so oft verbitterte und jähzornige Stimmung nicht ausblieb. Unheilvollen Entschlüssen die Spitze abzubrechen, zornigem und übereiltem Handeln durch eine Art nachgebenden Entgegenwirkens zuvorzukommen und ungerechte Urtheile leise und allmählich in gerechteres Denken umzuwandeln, ist ja eine der Gaben, die sich sehr bald in Frauen entwickelt, deren Schicksal sie an Männer geknüpft hat, welche mehr oder weniger vom Charakter unseres Obersten haben.

„Ich weiß nicht, wie sehr der Oberst von der Trenck das Glück Ihrer Nähe schätzt,“ sagte Frohn eines Tages zu Agnes, „aber desto mehr weiß ich das Glück Ihrer Anwesenheit zu schätzen. Seit Ihrer Ankunft ist mir mein schwerer Dienst als oberster Gefangenwärter auf dem Spielberg um vieles, vieles erleichtert. Sie glauben nicht, wie viel Kämpfe und unangenehme Scenen ich mit dem Obersten in der letzten Zeit vor Ihrer Ankunft durchzumachen hatte … und seitdem bis heute sind wir noch nicht ein einziges Mal an einander gerathen!“

„Ich bin sehr froh darüber,“ versetzte die junge Dame leicht erröthend, „ich darf daraus schließen, daß ich meinem Oheim nützlich bin, daß ich meinen Entschluß nicht umsonst ausgeführt habe…“

„Daran dürfen Sie gewiß nicht zweifeln,“ fiel Frohn ein.

„Und doch,“ fuhr sie fort, „habe ich Eines nicht erreicht, was meine Wünsche für den verlassenen armen Gefangenen krönen würde, was ich aber freilich bisher auch nicht auszusprechen wagte.“

„Und das wäre? Sprechen Sie ohne Scheu, mein gnädiges Fräulein; was sich irgend mit meinen strengen Dienstvorschriften vereinigen läßt, werde ich mit Freuden thun, um dem Obersten – um Ihnen gefällig zu sein!“

„Ich danke Ihnen auf’s Herzlichste für Ihre Güte, – und da es Ihren Dienstpflichten gewiß nicht widerstreitet, will ich mir den Muth nehmen, es auszusprechen: mein Oheim entbehrt des Zuspruchs, des Gesprächs mit einem Freunde, der den Erzählungen seiner kriegerischen Thaten die volle Theilnahme und das volle Verständniß eines Mannes schenkt: der Festungsgeistliche, welcher ihn von Zeit zu Zeit besucht, kann ihm keine Anregung bieten; einzelne ältere Offfciere unten in der Stadt, welche zu seinen Bekannten gehören, machen sich selten – sie nehmen vielleicht Rücksichten auf Wien, fürchten eine geheime Controlle …“

„Oder,“ fiel Frohn mit einem zweifelnden Lächeln ein, „sie sind durch des Obersten brüskes Wesen verscheucht, was wahrscheinlicher ist …“

„Dem sei, wie ihm wolle,“ fuhr Agnes Mirzelska fort – „der Oberst empfindet den Mangel des Umgangs mit Männern, den ich ihm nicht ersetzen kann, und …“ .

„Und? fahren Sie fort, Baronesse –!“

„Und wenn Sie deshalb die große Güte hätten, ihm von Zeit zu Zeit eine abendliche Stunde der Muße zu schenken …“

„Ich – mein gnädiges Fräulein, da täuschen Sie sich – ich darf durchaus nicht annehmen, daß meine Besuche dem Obersten von der Trenck angenehm seien!“

„Und weshalb zweifeln Sie daran – Sie, von dessen Verdiensten er mir so oft spricht, der beinahe der einzige Soldat ist, den er neben sich zu respectiren scheint?“

„Nun, das hat er mir in der That nicht zu erkennen gegeben!“ rief Frohn überrascht aus. „Unser Verkehr hat sich bis jetzt so ziemlich auf den Austausch derber Redensarten von seiner Seite und kühl beschwichtigender von meiner beschränkt.“

„Gerade deshalb vielleicht, weil er es schmerzlich empfindet, nicht im Besitze einer Achtung und einer Theilnahme zu sein, welche just die ist, auf die er das meiste Gewicht legt!“

Frohn zuckte die Achseln.

„Ich glaube, Baronesse,“ versetzte er mit einem kleinen Anfing von Ironie, „wenn Sie von schmerzlichem Empfinden und stillem Gekränktsein Ihres Oheims reden, so halten Sie das Herz des Herrn Obersten von der Trenck für weicher besaitet, als es in der That ist. Wenn ihm jedoch meine Gegenwart in Wirklichkeit nicht unangenehm sein sollte, so bin ich mit dem größten Vergnügen bereit, ihm aufzuwarten und ihm die Zeit vertreiben zu helfen. Hätte ich dabei die frohe Aussicht,“ setzte Frohn, jetzt selbst ein wenig erröthend hinzu, „daß ich alsdann auch Sie bei ihm finden würde …“

„O gewiß,“ fiel Agnes Mirzelska mit einem Lächeln ein, welches vielleicht nicht frei war von ein wenig harmloser Coquetterie, „o gewiß werde ich in der Nähe sein, um Frieden zu stiften, falls die beiden Herrn aus alter Angewohnheit mit tiraillirenden Redensarten in ein kleines Plänkeln gerathen sollten!“

„So bitte ich, gleich für heute Abend meinen Besuch, wenn er genehm ist, dem Herrn Obersten ankündigen zu wollen.“

Agnes streckte lebhaft bewegt wie zum Danke dem Commandanten die Rechte entgegen. Frohn küßte diese weiße Hand mit einer Innigkeit, welche auf Beider Wangen eine dunkle Röthe hervorrief. – –

Am Abend saßen drei dem Anschein nach ganz heiter und sorglos plaudernde Menschen um den mit Wein und Früchten besetzten Tisch in Trenck’s Wohngemach. Agnes Mirzelska hatte eine weibliche Arbeit im Schooße liegen, und Frohn’s Augen waren auf die zarten, schmalen Finger geheftet, welche an dieser Arbeit häkelten; Trenck führte das Wort und erzählte – der Mittheilungsdrang ist in Charakteren so leidenschaftlichen Gepräges, wie der seine, selten ruhig; es war ihm ganz willkommen, daß sein Gast so gut zuhören konnte und so wenig sprach – außer etwa in Momenten, wo Agnes Mirzelska ihr Auge von ihrer Arbeit erhob, den Blicken Frohn’s begegnete und dann leise erröthend wieder niederbückte, als ob ihr stummes Gegenüber in diesem Momente in der That etwas – wenn auch nur mit den Augen gesprochen!

(Fortsetzung folgt.)
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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_036.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)