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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Der Festungs-Commandant.

Erzählung von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)

Der Commandant des Spielbergs hatte unterdeß sich damit beschäftigt, einen Brief an den König Joseph zu schreiben, um ihm seine Verlobung zu melden, seine Einwilligung und zugleich seine Verwendung zu erbitten, daß ihm jetzt eine andere Dienststellung zu Theil werde. –

Die Antwort, welche darauf nach wenigen Tagen erfolgte, bestand aus einem eigenhändigen Schreiben des römischen Königs; es war voll Herzlichkeit und Wohlwollens für Frohn, aber es hatte den Schlußsatz: „Was Seine Versetzung angeht, so wird es damit keine Eile haben … die Kaiserin weiß, welchen treuen Diener sie an Ihm hat und daß Er den Trenck hüten würde, wenn er statt Seiner Frauen Oheim Sein eigener Vater wäre!“ –

Der Oberst von der Trenck war während dieser nächsten Tage, welche auf Frohn’s Verlobung folgten, nicht müßig gewesen. Durch die Beziehungen, in welchen er mit einzelnen Persönlichkeiten in der Stadt Brünn stand, welche von Zeit zu Zeit auf den Spielberg kamen, um ihm einen Besuch zu machen, – durch diese Beziehungen und das Opfern und Versprechen bedeutender Geldsummen hatte er es möglich gemacht, nach den Schlüsselabdrücken, welche seine Nichte ihm übergeben, durch einen geschickten Arbeiter Schlüssel herstellen zu lassen. Er hatte dies vor seiner Nichte verheimlicht, aber er hatte unterdeß Alles gethan, um die Trauung von Agnes Mirzelska und Frohn zu beschleunigen, indem er den Anschein einer großen und herzlichen Theilnahme an ihrem Glücke annahm. –


6.

Etwa vier Wochen waren vergangen, und der Tag der Vermählung für den Commandanten des Spielbergs war gekommen! Um die Mittagsstunde dieses Tages fuhr Agnes Mirzelska, begleitet von einem Paar jungen Damen, Töchtern von Officieren der Besatzung, in die Stadt hinab; Frohn folgte ihr zu Pferde, umgeben von einer kleinen Gruppe seiner Cameraden und Freunde aus der Stadt und der Festung, die ihm als Trauungszeugen dienten.

In einer der Hauptkirchen der Stadt Brünn wurde die Vermählung vollzogen. Als sie glücklich beendet, nahm Frohn bei Agnes im Wagen Platz, um sich mit ihr auf den Spielberg heimzubegeben. In der Wohnung des Commandanten oben, die zum Empfange des jungen Paars festlich geschmückt und eingerichtet war, wartete ihrer und ihrer Begleitung ein kleines Festmahl; der Oberst von der Trenck hatte es sich nicht nehmen lassen, es herzurichten und als nächster Verwandter der Braut den Wirth zu machen. Mit der Einwilligung des Gouverneur von Brünn hatte Frohn ihm gestatten dürfen, seine Wohnung zu verlassen und sich den ganzen Tag über dazu frei in den Zimmern des Commandanten zu bewegen.

In der That hatte der Oberst für ein glänzendes Bankett gesorgt. Er nahm den Ehrenplatz neben dem Brautpaar oben an der Tafel ein und schien in der besten Stimmung, an diesem festlichen Tage einmal wieder zu schwelgen wie in seinen tollsten Jugendzeiten. Die rückhaltslose Heiterkeit, der er sich hinzugeben schien, hatte freilich etwas, das für ein junges Ehepaar und namentlich für die junge Frau ein wenig beunruhigender Natur war; doch verstand es Agnes Mirzelska mit gutem Takt, die Späße und Anspielungen zu überhören, die ihr Oheim nicht unterdrücken konnte und die etwas nach dem Pandurenlager schmeckten. Er brachte dabei einen lustigen Trinkspruch nach dem andern aus und schien es darauf angelegt zu haben, seine Gäste nicht anders als mit voller Ladung und schwer bezecht zu entlassen. Je lauter jedoch die Heiterkeit Trenck’s und der Uebrigen wurde, desto stiller wurde Frohn. Er warf von Zeit zu Zeit einen unbemerklichen scharf forschenden Seitenblick auf den lustigen Hochzeitsvater und führte immer seltener das Glas zum Munde.

„Warum trinkt der Herr Neffe nicht, wie ein Soldat trinkt sondern nippt wie ein Vogel?“ sagte Trenck endlich unwillig … ich hoffe nicht, daß er meine Weine verachtet.“

„Ganz im Gegentheil … ich verachte sie nicht, ich habe zu großen Respect vor ihnen …“ versetzte Frohn lächelnd; „ich bekenne freiwillig, daß ich lange nicht eine ehrwürdigere Versammlung von alten, feurigen, großmächtigen Weinen bei einander gesehen habe.“

„Ah bah – es ist nichts darunter, was nur entfernt schwer wäre, wie das Getränk, bei dem wir unsre erste Bekanntschaft in Engelszell machten, mein lieber Frohn,“ rief Trenck laut, aber ein wenig gezwungen auflachend aus. –

Die Nacht war eingebrochen, die Damen waren längst aufgestanden und hatten die junge Fau in ihre Gemächer begleitet. Der Zapfenstreich war geschlagen, die Herren aus der Stadt hatten sich verabschiedet, weil die Thore geschlossen werden mußten, eine Stunde später begannen auch die Herren, welche auf dem Spielberg wohnten, aufzubrechen, und obwohl Trenck sie zu halten versuchte und, um ihnen mit einem guten Beispiele voranzugehen ein Glas nach dem andern niederstürzte, entfernten sie sich allmählich mit mehr oder minder schwankenden Schritten.

Einen der zuletzt aufbrechenden, einen bis in die helle Unzurechnungsfähigkeit


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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_065.jpg&oldid=- (Version vom 30.7.2017)