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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)


Haaren bedeckt waren, ganze Skelette, menschliche Glieder, welche in Fäulniß übergegangen waren.
„Außer sich über diesen Anblick begaben sich dieselben Leute, welche dieses Gefängniß erbrochen hatten – es war das Gefängniß des Polizeicommissariats von San Domenico, welches ich beschrieben habe – nach dem Polizeicommissariat von San Isidoro. In dem dortigen Polizeigefängnisse befand sich außer vielen Torturwerkzeugen und menschlichen Gebeinen ein Leichnam, der nicht mehr als zwanzig Tage dort gelegen hatte.“

Soweit das Document, welches ich seinem Inhalte nach hier wörtlich mitgetheilt habe.

Ein ähnliches Polizeigefängniß in Catanea beschrieb mir Herr Giuseppe Massari, der bekannte neapolitanische Verbannte, der Freund des Grafen von Cavour, nur mit dem Unterschiede, daß noch ein unterirdischer Kerker damit verbunden war. Als bei dem Ausbruch der neapolitanischen Revolution in diesem Frühjahr das Gefängniß gewaltsam geöffnet wurde, hörte man in dem letzten Raume desselben das Stöhnen einer menschlichen Stimme, ohne entdecken zu können, woher dieselbe kam. Endlich entdeckte man eine Fallthüre im Fußboden und fand unter ihr ein unterirdisches tiefes Loch. Man holte Leitern und Fackeln und zog ein Wesen heraus, dem Bart und Haar lang gewachsen waren, welches, halbnackt und mit Lumpen bekleidet, kaum einem Menschen mehr ähnlich sah. Der Unglückliche hatte sich Jahre lang dort unten befunden, indem man ihm die wenigen Lebensmittel, mit denen er täglich sein Leben fristete, von oben durch die Fallthür hineinwarf. Herr Massari gab mir die Details dieser entsetzlichen Geschichte in Gegenwart des preußischen Gesandten, Graf von Brassier St. Simon in Turin, der mir die Wahrheit sämmtlicher Thatsachen bestätigt hat.

Am 4. Juni dieses Jahres – am 12. Mai fand bekanntlich die Landung Garibaldi’s in Marsala und am 19. Juni die Räumung Palermo’s statt – verließen die neapolitanischen Truppen, erschreckt durch die feindliche Haltung der Bevölkerung, Trapani. Schon Abends vorher hatte die Truppenabtheilung, welche zur Bewachung der Insel Favignana bestimmt war, wo sich der berüchtigte Bagno der heiligen Catharina befindet, die Insel verlassen, und die dort befindlichen politischen Gefangenen waren in Freiheit gesetzt worden. Unter diesen befand sich auch der Baron Nicotera.

Dieser war bekanntlich der Gefährte des hochherzigen, tapfern Carlo Pisacane, Herzogs von San Giovanni, der durch seinen Heldentod bei dem von ihm und Nicotera geführten Aufstand in Calabrien ein ruhmwürdiges Andenken erworben hat. Nicotera war durch den Gerichtshof von Salerno zur lebenslänglichen Gefangenschaft verurtheilt und in den Bagno von Favignana eingeschlossen worden, wo er in einer entsetzlichen und grausamen Weise behandelt wurde. Während der ersten sechs Monate seines Aufenthalts befand er sich in einem unterirdischen Gefängnisse ohne Licht. Für zwei Sous Brod bildete seine tägliche Nahrung. In den Regentagen mußte das in das Gefängniß eingedrungene Regenwasser ausgeschöpft werden, und es befanden sich dann nahe an hundert Eimer Wasser darin.

Ich wäre im Stande, die Beschreibung noch einiger Gefängnisse in Neapel und Sicilien zu geben, in denen politische Gefangene während der Regierung der letzten beiden Könige eingekerkert gewesen sind. Mögen indeß, da ich in einem zweiten Artikel nur von der Anwendung der Folter in diesen Gefängnissen sprechen will, die gegebenen Beschreibungen genügen und die bis jetzt durch die Times, Daily News und französische Zeitungen und Schriften mitgetheilten Thatsachen ergänzen. Ich fordere die ultramontanen und conservativen deutschen Zeitungen auf, meine Mittheilungen abzuleugnen und zu widerlegen.

Gust. Rasch. 




Bausteine zu einer naturgemäßen Selbstheillehre.

Die Gicht, das Podagra oder Zipperlein.

Im menschlichen Körper geht’s gewissermaßen wie in einem geheizten Ofen zu, nur mit dem Unterschiede, daß in dem Ofen immer nur von außen her Heizungsmaterial eingelegt wird, während unser Körper neben der zeitweiligen Zufuhr solchen Materials von außen (in den Speisen und Getränken) auch aus seinem Innern und zwar alte Partikelchen seines eigenen Ichs fortwährend zum Einheizen liefert. Unser Körper verbrennt sich also in seinem Innern (Blute) fortwährend selbst, um sich zu erwärmen s. Gartenl. 1854, Nr. 33).

Das Heizungsmaterial für den Ofen besteht aus Substanzen, die vorzugsweise reich an Kohlenstoff und Wasserstoff und, angezündet unter Entwickelung von Wärme und Licht, mit Flamme fortzubrennen im Stande sind. Dies geschieht nur dadurch, daß sich ihr Kohlen- und Wasserstoff mit einer gewissen Intensität mit dem Sauerstoffe der in den Ofen hineinziehenden atmosphärischen Luft verbinden und durch diese Verbindung jene beiden einfachen Stoffe in zusammengesetzte Körper, in Kohlensäure und Wasser, verwandelt werden, welche durch Rohr und Esse in’s Freie abziehen. – Die gewöhnlichsten kohlenwasserstoffreichen Brennmaterialien sind: Holz, Torf, Braun- und Steinkohlen [1].

Auch für den menschlichen Körper ist das hauptsächlichste Heizungsmaterial ein kohlenwasserstoffreiches, und auch dieses wird, und zwar im Blute, durch den Sauerstoff der eingeathmeten atmosphärischen Luft, unter Wärmeentwickelung in Kohlensäure und Wasser verwandelt. Das erstere Verbrennungsproduct, nämlich die Kohlensäure, ist ein der Gesundheit sehr nachtheiliges Gas und wird deshalb fortwährend innerhalb der Lungen aus dem Blute ausgetrieben, wobei gleichzeitig immerfort Sauerstoff (Lebensluft) aus den lufthaltigen Lungenbläschen in’s Blut eintritt. Zu den kohlenwasserstoffreichen Heizungsstoffen für den menschlichen Körper gehören alle fetten Substanzen, Zucker, Stärkemehl, Spiritus.

Außer diesen kohlenwasserstoffreichen und stickstofflosen Materien werden im menschlichen Blute nun aber auch noch andere und zwar stickstoffhaltige, sogen. eiweißstoffige Substanzen verbrannt und dabei nicht wie jene kohlenwasserstoffigen in Kohlensäure und Wasser, sondern in Harnstoff verwandelt, welcher innerhalb der Nieren mit dem Urin aus dem Blute ausgeschieden wird. Es muß also der Harn um so reicher an Harnstoff sein, je größer die Menge von stickstoffhaltigen Eiweißsubstanzen ist, welche im Blute durch den Sauerstoff verbrannt wurde. – Der reine Harnstoff bildet krystallisirt durch das Mikroskop erkennbare nadel- oder säulenförmige Krystalle.

Ist in einem Ofen die nöthige Menge von Sauerstoff zum ordentlichen Verbrennen des Heizungsmaterials (also zur Verwandlung der kohlenwasserstoffreichen Substanzen in Kohlensäure und Wasser) nicht vorhanden, so verbrennen jene Stoffe nicht ganz zu Kohlensäure, sondern nur zu Kohlenoxydgas (was sich als gefährlichster und Hauptbestandtheil im sogenannten Kohlendunste oder Dampfe vorfindet). Würde man also zu diesem Kohlenoxydgas noch eine Portion Sauerstoff bringen, dann würde Kohlensäure daraus. – Die nöthige Menge von Sauerstoff würde nun aber dann im Ofen fehlen, wenn entweder zu wenig atmosphärische Luft zur richtigen Portion Brennmaterial hinzutreten könnte, oder wenn für die richtige Portion Luft zu viel Brennmaterial vorhanden wäre. Denn es kann doch immer nur eine bestimmte Quantität Sauerstoff eine bestimmte Menge von Kohlen- und Wasserstoff in Kohlensäure und Wasser verbrennen.

Im menschlichen Körper passirt es nun auch gar nicht selten, daß ein Mißverhältniß zwischen dem in’s Blut eingeführten Sauerstoffe und den im Blute befindlichen stickstoffhaltigen und stickstofflosen Materien (also zwischen der Lebensluft und den Eiweiß- und Fettsubstanzen) zu Stande kommt. Es werden dann,

  1. Wer von den Lesern sich über den Verbrennungsproceß, wie überhaupt über die im gewöhnlichen Leben (innerhalb und außerhalb unseres Körpers, bei den Gewerken, in der Land- und Hauswirthschaft etc.) in jedem Momente vorkommenden chemischen Processe auf unterhaltende Weise aufklären lassen will, dem empfehlen wir: „Baer, die Chemie des praktischen Lebens“. Leipzig, Otto Wigand.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_072.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)