Seite:Die Gartenlaube (1861) 079.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Fabrikate beeinträchtige. Das fünfzehn Fuß hohe Tafelwerk, womit die Wand bekleidet, ist durch Gesimse und erhabenes Maßwerk geschmackvoll in große Felder eingetheilt, während sechs schlanke prachtvolle Säulen, welche den Oberbau sammt der Gallerie zu stützen bestimmt sind, der ganzen Baulichkeit eine höchst geschmackvolle architektonische Zierde verleihen. Nachdem die großartigen untern Fenster mit ihren mächtigen Spiegelscheiben und der schimmernden Auslage von Shawls, Mänteln, Phantasiekleidern, Seidenstoffen, Bändern etc. genügend betrachtet worden, kehren wir wieder zu den allgemeinen Einrichtungen des Hauptsaals zurück. Ein prachtvoller, fünfzig Fuß langer Fächerschrank theilt ihn in zwei Theile, und rund um diesen Schrank geht ein schöner Ladentisch. Schränke umschließen auch den ganzen Saal, und unmittelbar vor ihnen sind zu jeder Seite bequeme Tische gereiht. Beim Eintreten von der Straße wird man sofort von unverdrossenen, zuvorkommenden Aufsehern nach der gewünschten Abtheilung hingeführt und dort sieht man junge Personen beiderlei Geschlechts, alle auf’s Eleganteste gekleidet, die Männer in schwarzem Frack und weißer Halsbinde, die Frauen im modernsten Vollputze, mit der größten Aufmerksamkeit und Höflichkeit vor der Herzogin wie vor der Hausmagd, vor dem Geistlichen wie vor dem Arbeiter, die neuesten Neuigkeiten auskramen, an Bändern und Sonnenschirmen wie an Modegegenständen, Besätzen, köstlichen Wollen-, Baumwollen- und Seidenwaaren.

Zur Rechten tritt man nun in den für Tücher, Mäntel und Shawls bestimmten Saal, der, mit hohen, geräumigen Fenstern versehen, das schönste Licht für die genaueste Betrachtung der mannigfaltigen hier versammelten Schätze gewährt, die Alles umfassen, was in dieser Art nur irgend Schönes und Reiches in der Welt vorhanden. Hier reichen sich Orient und Occident die Hand, oder vielmehr, sie wetteifern mit einander. Hier liegen Shawls in den prächtigsten, verschiedenartigst strahlenden Farben und Nuancirungen aus, deren Preis sich von funfzehn Pfund Sterling (hundert Thaler) bis auf dreihundert Pfund (zweitausend Thaler) und darüber steigert, die Erzeugnisse vor Allem Frankreichs, Persiens, der Türkei und Indiens. Es ist das Kostbarste, dabei aber auch Strahlendste, Leichteste und Heiterste, was die menschliche Hand, beseelt von der schaffenden Kraft eines erfindungsreichen Geistes, für die Verzierung und Einrahmung des Schönsten, was die Erde besitzt, der weiblichen Schönheit, hervorgebracht hat. Allgemein wird behauptet, daß dies unbezweifelt die reichste und prachtvollste Ausstellung von Shawls in England sei, was gewiß viel sagen will, wenn man bedenkt, welche großartig kostbaren und reichen Lager dieser Art London allein enthält.

Durch einen Raum hinschreiteud, welcher der Ostflügel (east transept) genannt wird, der 55 Fuß lang und 21 Fuß breit, und worin die Abtheilungen für Leinen, Flanelle, wollene Decken, Spitzen, Musseline und andere feine wollene Stoffe, gelangt man in den Saal für Seidenstoffe, ein unübertroffenes Muster in seiner Art, das in England, dem Lande der reichsten Verkaufsläden, jetzt nicht seines Gleichen haben soll. Höchst bemerkenswerth ist hierbei, daß diese wunderbaren Seidenstoffe, meistens das Erzeugniß Lyons, obgleich auch England und selbst Deutschland hier vertreten sind, von Zeit zu Zeit immer wieder in andrer das Auge und die Kauflust auf’s Höchste reizenden Weise mit der größten Farbenkenntniß und der geschmackvollsten Benutzung der Lichtstrahlen frisch geordnet und drapirt werden, zu welchem Geschäfte eigens ein hierin gewandter und erfahrener Pariser angestellt ist. Am Westende dieses durch seinen reichen Inhalt prachtvollen und gleichsam das Heiligthum des ganzen Geschäftes vorstellenden Saales steht ein kolossaler Spiegel in einem reich verzierten goldnen Rahmen, ein wahres Wunderwerk von Spiegel, wie man ihn bisher nur auf der Pariser Industrieausstellung gesehen. Dieser Saal wird am Tage durch Kuppellicht erhellt, bei Nacht durch strahlende Gassonnen. Obgleich die Meubles hier ebenfalls äußerst reich und kostbar, so herrscht doch durchaus kein leerer Prunk, sondern Alles ist in Uebereinstimmung mit dem früher angeführten Grundsätze einfach und in vollkommener Harmonie.

Am Nordende des Erdgeschosses befindet sich der Saal für Kidderminster-Teppiche, eine sehr große und weitläufige Abtheilung, worin eine so große Masse dieser reichen und prachtvollen Erzeugnisse der englischen Industrie oder vielmehr Kunstthätigkeit aufbewahrt wird, daß sie den Uneingeweihten in wahrhafte Verwunderung zu versetzen vermag. Nahe diesem Saale nach Westen zu ist eine sehr ausgedehnte Reihe verschiedener Säle, die alle für Dinge bestimmt sind, welche zum Ameublement dienen, wie Tapezierarbeiten, Damaste, Gobelins, Gardinen u. s. w.

Eins der größten Wunder von Comptonhouse ist aber unbezweifelt sein Keller, der von ungeheurer Ausdehnung. In ihm sind mannigfache Räumlichkeiten, die für alle die verschiedenen Arbeiten in den verschiedenen Geschäftszweigen bestimmt sind, welche zu einem großen Bekleidungsmagazin gehören. Ein Fremder würde sich ohne einen Führer in den unterirdischen Gängen verirren müssen. Hier sind große Zimmer für die schwereren und gewöhnlicheren Sorten von Teppichzeugen, Strohdecken, Matten u. s. w. Ein niedliches Gemach im Keller muß hier jedoch besonders erwähnt werden, da es die Vollständigkeit und Voraussicht beweist, mit welcher Alles angeordnet. Dies Gemach ist nämlich nur mit Gas beleuchtet, damit Damen sich auch am Tage von der Wirkung der Farben beim Einflusse künstlicher Beleuchtung überzeugen können.

Zunächst nun die Neugierde anregend, fällt die Pack- und Versendungskammer auf, wo Alles, was aus dem ganzen großen Geschäfte fortgesandt werden soll, hingebracht wird, um es an die ausgegebene Adresse abzuliefern, was täglich drei Mal zu bestimmten Stunden geschieht. Von der Packkammer führt ein eigener langer unterirdischer Gang auf eine entfernte Straße, so daß jede Verwechslung oder Verwirrung mit den übrigen Geschäftszweigen zur reinen Unmöglichkeit wird. Eine andere große Räumlichkeit ist dagegen zum besondern Empfang- und Annahme-Zimmer bestimmt. Hierher werden alle die Ballen, Kisten, Koffer und Packete, die für das Geschäft ankommen, hingebracht, um sie auszupacken und dann die erhaltenen Waaren in die verschiedenen für sie bestimmten Geschäfts-Abtheilungen zu schicken. In der Nähe dieses Zimmers liegt eine Anzahl großer Vorrathskammern, wo die Rohstoffe für die Anfertigung der verschiedenen Gegenstände aufbewahrt werden. Um die ungeheure Ausdehnung des Riesengeschäftes zu bezeichnen, möge noch erwähnt werden, daß hier vier Vorrathskammern lediglich für die Schreibmaterialien vorbanden, welche in diesem Geschäft selbst verbraucht werden.

Der mächtige Kellerraum unter dem Hauptsaale ist ein außerordentlich großes Zimmer, das als Lager und Vorrathskammer für schwere Tuche verschiedener Art benutzt wird.

Endlich aus den Kellerräumlichkeiten wieder im Erdgeschoß unter der Hauptkuppel angelangt, wird man eine schöne sieben Fuß breite höchst bequeme Wendeltreppe hinaufgeführt. Jetzt befindet man sich auf der Gallerie und hat einen wunderbaren sehr interessanten Blick auf das ganze ausgedehnte Geschäftsleben unten im Erdgeschosse, das einem keineswegs ganz geringfügigen Jahrmarkte gleich kommt. Dieser Rundblick ist allenfalls dem zu vergleichen, welchen man in Hamburg während der Börse von der Gallerie hat, aber für Damen unbedingt sehr viel interessanter. Hier auf dieser Gallerie ist die Abtheilung für Damenhüte und Putzwaaren, hier auch die für Kinderzeug und Knabenanzüge, hier auch für Alles, was Damen an kleinen niedlichen Sächelchen zum Anzuge nöthig haben, und eben so eine Abtheilung für die von den Engländerinnen so sehr begehrten und von ihnen mit dem Ausdruck Berliner Wollen (Berlin wools) bezeichneten Waaren, die hauptsächlich angefangene und vollendete Stickereien sowie Alles, was hierzu gehört, begreifen und zum größten Theile wirklich von Berlin selbst nach England eingeführt werden. Hier ist dann noch eine Abtheilung für alle jene hübschen Dinge, welche die Engländer mit dem Namen fancy articles bezeichnen und wozu auch Alles gehört, was wir Nippessachen nennen, Statuetten und Figuren in Marmor und Alabaster sowie Vasen und dergleichen mit inbegriffen. Die Abtheilung für Putz, der größtentheils aus dem hierin durch Geschmack, Erfindungsgabe, Grazie und leichte Eleganz die unbestrittene Weltherrschaft ausübenden Paris herstammt, ist ganz vorzüglich bemerkenswerth wegen ihrer glänzenden Schönheit und reichen Vollständigkeit. Jetzt die Abtheilung für Meubles und was dazu gehört, die einen großen Vorrath der ausgewähltesten und in Styl wie Ausführung vollendetsten Mobilien enthält, durchschreitend, gelangt man zu der Abtheilung für Damenschuhe und Stiefeln, angefüllt mit allen möglichen hierher gehörenden Erzeugnissen der herrschenden Mode.

Nachdem nun so die Geschäftsabtheilungen von Comptonhouse nur flüchtig durcheilt, bilden die häuslichen Einrichtungen einen eben so interessanten Gegenstand der Betrachtung, indem in

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_079.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2022)