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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Sack gethan und in einer Barke auf das Meer gebracht. Dann tauchte man ihn in diesem Sacke so lange unter, bis er beinahe erstickt war. Das Experiment wurde so lange wiederholt, bis der Gefangene das Geständniß machte, welches man haben wollte.

In einigen Polizeigefängnissen von Catanea war es Brauch, die Geschlechtstheile des Gefangenen mittelst zweier Breter zusammenzupressen, welche sich durch einen Mechanismus näherten und dann wieder von einander entfernten. In dem Gefängniß des Polizeicommissars Carrega in Messina diente folgende Behandlung als Torturmittel: Der Verhaftete wurde mit den Händen an einen Pfeiler gebunden, mit den Füßen an einen andern, so daß er mit dem Körper freischwebend in der Luft hing. Ein Sbirre stieg dann auf ihn, und trampelte ihm mit den Füßen auf dem Leibe herum. „Singe“, sprach der daneben stehende Carrega, „singe.“

„Singe“ heißt soviel als „Gestehe“. Das Experiment wurde so oft wiederholt, bis der Unglückliche gestand. Die Nichtswürdigkeit lag hierbei besonders darin, daß Carrega nie bestimmte Fragen stellte. „Singe“ hieß soviel, als: Erzähle dein ganzes Leben, erzähle Alles, was du weißt, beschuldige deine Familie, deine Freunde, deine Nachbarn, beschuldige Menschen, die du nur dem Namen nach kennst; beschuldige sie so lange und so viel, wie der Scherge das Wort „Singe“ wiederholt. In den Zwischenpausen dieser entsetzlichen Marter erhielt der Unglückliche Stockschläge und Peitschenhiebe.

Ich werde nun eine Reihe von Thatsachen erzählen, in welcher Art und Weise die Torturmittel angewendet worden sind. Ich will, obschon mir eine Menge der verschiedensten Thatsachen zu Gebote stehen, nur diejenigen veröffentlichen, welche ich den Mittheilungen des Mr. Charles de la Varenne entnehme, weil, wie ich schon bemerkte, diese bereits Gegenstand einer durch die englische Regierung veranlaßten amtlichen Untersuchung gewesen sind und bei dieser eine amtliche Bestätigung gefunden haben.

Der Intendant der Gräfin von San Marco, Namens Salvatore la Licata wurde durch die Polizei seiner patriotischen Gesinnungen wegen verfolgt, und verbarg sich in dem Hause eines zuverlässigen Freundes im Städtchen Bagheria. Die Sbirren erhielten von seinem Aufenthalte Kenntniß, umzingelten das Haus und durchsuchten alle Räume desselben auf das Genaueste. Die Haussuchung blieb ohne Resultate. La Licata wurde in seinem Verstecke nicht entdeckt. Peitschenhiebe, Brutalitäten jeglicher Art konnten dem Eigenthümer des Hauses kein Geständniß entreißen. Da kam einer von den Sbirren, ein früherer begnadigter Meuchelmörder, auf eine teuflische Idee.

Man führte den Eigenthümer des Hauses, in dem la Licata versteckt sein sollte, auf die Straße. Dort, in Gegenwart des Mannes, fing man an, seine schöne und junge Frau zu entkleiden, und kündigte ihr an, daß sie so lange nackt auf der Straße stehen sollte, bis sie gestanden habe, wo La Licata sei. Die Scham, der Schrecken, die Erbitterung, welche sie auf dem Gesichte ihres Mannes las, je weiter die Sbirren sie entkleideten, bewog sie zu dem Geständniß. La Licata wurde dem Polizeicommissar überliefert!

Er wurde in das Polizeigefängniß geführt und in entsetzlicher Weise gemartert und gefoltert. In der Stadt verbreitete sich das Gerücht, er sei todt. Da begab sich der Generalprocurator Pasciuta, auf das Flehen seiner Verwandten, nach dem Gefängniß.

Man verweigert ihm den Eintritt, weil la Licata Gefangener der Polizei und nicht Gefangener der Justiz sei. Endlich gelingt es ihm dennoch, zu dem Gefangenen geführt zu werden. Derselbe lag auf einem Bette, erzählte ihm die Qualen, die er erduldet hatte, und zeigte ihm die Wunden, mit denen sein Körper an allen Stellen bedeckt war. Zwei Aerzte, welche hinzugezogen wurden, erklärten seinen Zustand für lebensgefährlich. Die Erbitterung führt den Generalprocurator über die Grenzen der Klugheit hinaus. Er nimmt ein Protokoll über den Zustand des Unglücklichen auf; aber die Polizei zwingt ihn, dasselbe wieder zu zerreißen.[1] Manisalco hatte einen Gensd’armerieofficier in seinen Diensten, einen gewissen Chininci, Sohn eines Bauern, früher Dieb von Profession. Diesen Chininci schickte er nach der Stadt Nicosia, um die Mörder eines gewissen Gorgone aufzuspüren, welcher, als Polizeibeamter in dieser Gegend stationirt, seiner entsetzlichen und wilden Excesse wegen von den Einwohnern getödtet worden war.

Chininci ließ auf die vagesten Verdachtsgründe hin dreißig Einwohner von Nicosia verhaften. Von diesen Dreißig wählte er zwei aus, Rosario Chimera und Pizzolo, und unterwarf sie der grausamsten Behandlung. Alle Torturwerkzeuge, Stockprügel, Peitschenhiebe, Hunger, Durst, Entziehung der Luft wurden bei ihnen in Anwendung gebracht. Sie konnten nichts gestehen, weil sie nichts wußten. Ein teuflischer Gedanke stieg in dem Kopfe des Polizisten auf. Chimera hatte eine schöne junge Frau von zweiundzwanzig Jahren. Sie wurde verhaftet, halb todt geprügelt, entkleidet, dann nackt auf eine Bank gebunden und so der Brutalität der Sbirren überliefert. In diesem Zustande blieb sie ohne jede Nahrung drei Tage. Endlich gestand sie, bereits halb todt, daß ihr Mann einmal gesagt habe, er habe die Absicht, den Gorgone zu tödten.

Jetzt begab sich Chininci wieder in das Gefängniß, wo Chimera und Pizzolo saßen. Er hielt ihnen das Geständniß der Frau vor. Trotzdem beharrten sie in ihrem Leugnen. Da wurde eine Art von Tortur bei ihnen angewandt, welche so obscön und scheußlich ist, daß ich sie nicht beschreiben kann. Endlich gestanden die Unglücklichen Alles, was das Ungeheuer haben wollte. Nun wurden sie nach Catanea vor den hohen Gerichtshof geführt. Dort leugneten sie und erzählten die furchtbaren Martern, welche ihnen ihr erstes Geständniß abgepreßt hatten. Eine Commission von Aerzten wurde eingesetzt, welche die traurige Wahrheit alles dessen bestätigte, was die Gefangenen angegeben hatten. Der Gerichtshof erklärte ihr erstes Geständniß für ungültig, ordnete eine neue Untersuchung an, welche er selbst führte, sprach sie frei und befahl, sie in Freiheit zu setzen. Trotzdem blieben die Unglücklichen im Gefängniß, auf ausdrücklichen Befehl Maniscalco’s, „con empara di polizia“ Das Erkenntniß des Gerichtshofes wurde am 20. December 1859 gesprochen. Beide Gefangene sind so lange im Gefängnisse geblieben, bis nach der Landung Garibaldi’s auf Sicilien die neapolitanischen Truppen Catanea verließen. Es war am 12. Juni 1860.[2]

Maniscalco wollte in Palermo einen gewissen Casimir Cusirnano verhaften, der wegen seines Patriotismus verdächtig war. Er entfloh. Darauf verhaftete man seine alte Mutter, seine Frau, seine Söhne und seine Töchter. Sie wurden in entsetzliche Gefängnisse gebracht, und bei allen ohne Ausnahme die Folter angewandt.

In Mezzo Morreata, einer Vorstadt Palermo’s, sollten verschiedene Personen verhaftet werden. Sie waren sämmtlich entflohen. Was that die Polizei? Um sie dadurch zu zwingen, sich selbst zu stellen, jagte sie ihre Familien aus den Häusern, welche sie bewohnten, verschloß die Häuser, ließ die Schlüssel auf das Bureau des Polizeicommissars bringen, und die Unglücklichen, Frauen, Kinder, Greise, blieben viele Tage und Nächte auf dem Pflaster liegen.

Im Villabate, nahe bei Palermo, entzog sich gleicherweise eine Anzahl von Grundbesitzern der Verhaftung durch die Flucht. Da legte die Polizei Sbirren und Gensd’armen bei ihnen ein, mit dem Befehl, zu thun, was ihnen beliebe. Die Gewaltthaten und Excesse, welche sie ausübten, nahmen bald derartig überhand, daß die Entflohenen sich selbst stellten, um die ihrigen der infamsten Behandlung zu entziehen.[3]

Zum Schluß der Mittheilung dieser entsetzlichen Details, welche ich, wenn ich wollte, noch auf mehrere Bogen ausdehnen könnte, will ich mich noch auf das Zeugniß mehrerer der ersten und achtungswerthesten Schriftsteller Italiens beziehen. Sie gehören sämmtlich der gemäßigt-constitutionellen Partei an. Nach diesen Zeugnissen wird mich Niemand mehr der Uebertreibung in der Darstellung beschuldigen.

Michael Amari schildert die Anwendung der Folter mit folgenden Worten: „Die willkürlichen Verhaftungen, welche ganz und gar dem Belieben eines Polizeicommissars oder eines Sbirren überlassen wurden, die Haussuchungen, die persönlichen Gewaltthätigkeiten, die Beschimpfungen, welche sich die niedrigsten und verächtlichsten Sbirren erlaubten, was sind alle diese Verbrechen im Vergleich mit den Stockprügeln, mit den Peitschenhieben und mit der Tortur! – Auf den Polizeicommissariaten, in den Gensd’armeriecasernen schlug man den Gefangenen, der nur irgend Miene machte zu leugnen, oder der den geringsten Widerstand wagte, mit der Peitsche; man hing ihn an den Armen auf, man preßte ihm den


  1. Ch. de la Varenne. La Torture en Sicile, pag. 7.
  2. Ch. de la Varenne. La Torture en Sicile, pag. 16.
  3. Ebendas. pag. 12 u. 13.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_120.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)