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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

von bereits einigen Jahren dem Erbauer erlaubt hat, mehr Ersparnisse auf dieselbe zu verwenden; andere dagegen haben aber durchaus nichts an sich, was darauf Hinweisen könnte, daß dies wirklich ein von Menschenhand geschaffenes und ihm zum Obdach bestimmtes Machwerk ist, besonders wenn dieselben, um möglichst wenig Breter zu verbrauchen, zu drei Vierteln in die Erde gesenkt sind.

Man braucht nur einige Schritte in diese Gegend gethan zu haben, um zu sehen und zu hören, daß man sich unter einer durchweg mecklenburgischen Bevölkerung befindet, man erkennt sofort den kräftigen untersetzten Bewohner des baltischen Strandes, ja man wird sogar, und dies kam mir besonders spaßhaft vor, von dem zottigen Dorfspitz, wie wir ihn in jedem Dorfe Mecklenburgs zu Dutzenden finden, angekläfft, so recht auf plattdeutsch angekläfft, denn selbst er, da er sich so mitten unter Landeskindern befindet, amerikanisirt sich nicht.

Die Bewohner dieser Colonie beschäftigen sich natürlich, schon der geringen Ausdehnung ihres Landbesitzes halber, nur in so fern mit dem Ackerbaue, als es die Bepflanzung desselben mit Kartoffeln und einigen Gartenfrüchten betrifft, ein Geschäft, was übrigens in der Regel der Frau und den jüngeren Familiengliedern obliegt. Der Mann hat nämlich herausgefunden, daß er seine Arbeitskräfte in der Nähe einer großen handeltreibenden Stadt viel besser verwerthen kann. Er wandert daher, wohlgemuth aus seiner Pfeife, dem sogenannten Nasenwärmer, wahre Dampfwolken eines echten amerikanischen Knasters ziehend, mit seinen Geräthschaften auf dem Rücken, früh des Morgens nach der Stadt. In einer der grundlosen Hintertaschen seines langen blauen Rockes wiegt sich das kräftige Stück Schwarzbrod nebst einem guten Bissen fetten amerikanischen Speckes, aus der andern guckt der Hals einer wohlgefüllten Schnapsflasche hervor, und ein lustiges plattdeutsches Lied, so einen Mecklenburger Schnaderhüpf’rl vor sich her trällernd, langt er auf dem Marktplatze an. –

Hier ist die Börse. Hier versammeln sich jeden Morgen mit Sonnenaufgang die arbeitslustigen Mecklenburger Landeskinder, und mit derben Scherzen und Erzählungen aus dem alten Vaterlande vertreiben sie sich die Zeit, bis ein Arbeitgeber sie wegholt. Der Städter weiß, wo er einen Arbeiter zu finden hat, er geht auf die Börse, und hat er auch nur so irgendwie das Ansehen, als suche er Jemand, so wird er sich gleich von einer Anzahl derselben umringt sehen, welche ihm in den breitesten vollsten Tönen ihrer Muttersprache ihre Dienste antragen, weßhalb es denn auch gewissermaßen gefährlich ist, in dieser Gegend stehen zu bleiben. Der Mecklenburger ist zu Allem brauchbar, jede Arbeit verrichtet er mit Geschick und praktischem Verstande; das weiß auch der Städter, und der Amerikaner selbst wird sich, wenn es im Haus und Hof etwas zu thun giebt, stets einen Dutchman holen. Im Sommer erscheint er mit Hacke, Spaten und Schaufel, und nie hat er lange auf Arbeit zu warten, im Winter dagegen, wo die Arbeiten auf dem Felde aufhören und er meistens nur auf das Holzspalten angewiesen ist, bilden die Axt und der Sägebock seine steten Begleiter, und dann kommt es wohl manchmal vor, daß er einen ganzen Tag nutzlos warten muß, höchstens nur einige kleine Commissionärdienste versieht, die ihm einige Cents einbringen. Doch dies schadet nichts, denkt er bei sich, zieht, um sich zu trösten, die Schnapsflasche, das gewaltige Stück Schwarzbrod und den Speckschnitten aus der Tasche, und bald ist er, besonders wenn dann auch die Pfeife in Brand gesteckt ist, wieder in der prächtigsten Laune; er scherzt dann mit seinem noch traurig dasitzenden Nachbar, indem er ihm scherzend einen Rippenstoß versetzt, der einen minder Starken auf die Seite geworfen hätte, und lugt scharf nach allen Seiten aus, um ja nicht einen Arbeitgeber zu verpassen.

Was am meisten zu bewundern ist, ist der Umstand, daß sich der Mecklenburger nie betrinkt. Er führt zwar stets seine Kümmelkarline, wie er sie im vertraulichen Umgang nennt, bei sich, jedoch trinkt er seinen Schnaps eben nur als Zugabe zu seinem einfachen Mahle von Schwarzbrod und Speck. Ein Irländer würde sich, wenn er so manchmal den ganzen Tag vergebens auf Arbeit warten müßte, wenigstens dreimal betrinken.

Im Winter arbeitet der Mecklenburger überhaupt nicht so anhaltend als im Sommer, er ruht aus; seine Frau und die weiblichen Glieder hingegen greifen zur Nadel, denn Arbeit giebt es vollauf. Man muß nun freilich nicht gleich glauben, die Arbeiterfrau besäume oder sticke Battisttaschentücher oder verfertige feine Leibwäsche, – nein, – die Nadel der biederen Mecklenburgerin versteigt sich selten über jene blauen Drillichstoffe hinaus, von denen im ganzen Nordwesten Amerika’s zu Kitteln, Beinkleidern und Hemden ein ungeheurer Verbrauch gemacht wird; sie verdient indessen täglich einen halben Dollar, also ungefähr zwanzig Silbergroschen, Was, wie mir einst ein Arbeiter sagte, vollkommen zum Unterhalt der Familie ausreiche, denn seinen Verdienst lege er auf die hohe Kante, um in einigen Jahren an Stelle der kleinen Breterhütte ein schönes Haus zu bauen.

So arbeitet er denn einige Jahre fort und häuft Sparpfennig auf Sparpfennig, und hat sich dann die Summe etwas abgerundet, so verkauft er in der Regel auch noch mit einigem Profit seine Lot und Haus, und bald sehen wir ihn weiter im Innern auf irgend einer kleinen Farm glücklich und zufrieden seinen Boden bestellen. – Es versteht sich von selbst, daß er stets eine Farm oder eine Fläche Land dort kauft, wo bereits Landsleute wohnen, denn – der Mecklenburger ist nun einmal für den Mecklenburger geschaffen.

St.


Aus den Zeiten der schweren Noth.

Nr. 1.
Rettung einer Abtheilung Lützower Jäger.
Von Cantor Leuschner in Eythra.

Die Schlacht bei Lützen war vorüber. Dem furchtbaren Kampfe der Tausende von erbitterten Gegnern, die den Krieg mit allen seinen Schrecken bis an die Schwelle auch meines Hauses getragen, folgte momentane Ruhe. Der Kaiser Napoleon, so hold ihm auch das Glück in diesen Tagen wieder gewesen, gab der unabweisbaren Nothwendigkeit nach und schloß einen Waffenstillstand ab, den man damals, wie schon so oft, als den Vorläufer baldigen Friedens ansehen zu können glaubte. So waren mindestens die nächsten Besorgnisse beschwichtigt, und obschon der Blick ringsum nur auf den Stätten der Verwüstung weilte, athmete doch Alles in unserem freundlichen Elsterthale wieder auf. Es war ein wunderliebliches Frühjahr. Die alte Mutter Erde, unbekümmert um der Menschen thörichtes Beginnen, trieb aus dem blutgetränkten Boden neues Leben und neue Blüthen wie sonst, und manches Herz, das in den letzten Tagen schwer gelitten, faßte frischen Muth.

Auch ich begann wieder meine gewohnten Ausflüge, und an einem solchen Tage, den 17. Juni 1813, war es, wo ich von meinem heimathlichen Dorfe Eythra aus nach dem nahgelegenen Zwenkau wanderte, in Begleitung des Gerichtsactuar Hennicke, nachmaligen Schöffers zu Rötha, eines nun schon längst entschlafenen Freundes. Unser Weg galt dem Besuch eines dritten gemeinsamen Freundes, des als Märchendichter einst weithin gekannten und bei der Kinderwelt heute noch unvergessenen Oberpfarrers Löhr. In seinem Hause habe ich so manche glückliche Stunde verlebt. So war es auch heute. Der Rückblick auf die kaum überstandene schwere Zeit mochte uns bei dem ersten Wiederbegegnen wohl ernster stimmen, als es sonst geschehen; aber die Hoffnung schwellte bald die Herzen. Ueberall in deutschen Landen blickte man ja doch damals schon besseren Tagen mit Vertrauen und Zuversicht entgegen. So verschwanden rasch einige Stunden, und in der heitersten Stimmung traten wir den Heimweg an.

Die Dämmerung war bereits eingebrochen. Die letzten Streiflichter der sinkenden Sonne warfen ihre rosigen Schimmer auf das dunkle Waldesgrün; dem geräuschvollen Leben des Tages war jene geheimnißreiche und ahnungsvolle Stille gefolgt, die uns in jungen Jahren so leicht poetisch anregt. Im glücklichen Vergessen schwerer Leiden und Drangsale gaben auch wir uns diesem Eindrucke hin, und insbesondere waren es Theodor Körner’s patriotische

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_141.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)