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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

unter den langen, weiten Röcken[1] bargen, deren damaliger Schnitt einem solchen Vornehmen bekanntlich sehr günstig war. Mir selbst wurde als besonderes Zeichen von Erkenntlichkeit eine hübsche Falbe zu Theil, dieselbe, die mich an der Spitze des Zuges nach Eythra getragen hatte.

Unter den wärmsten, innigsten Danksagungen schieden sie von uns, viele mit Thränen im Auge. Auch wir konnten uns der Rührung nicht erwehren, die tapfern Männer, die wenige Minuten vorher in der schmucken Uniform, im vollen Geschmeide ihrer Waffen vor uns gestanden hatten, jetzt einfach und aller kriegerischen Zeichen ledig von uns ziehen zu sehen.

Mit der größten Sehnsucht sahen wir der Rückkehr des Führers entgegen, denn die Gefahr für die Flüchtigen war immer noch groß genug. Er kam schneller zurück, als wir vermuthet hatten. Schon nach zwei Tagen stand er triumphirend vor uns und berichtete, daß er die „schwarzen Gesellen“ schon am Tage der Abreise bis Großzschocher gebracht, von dort mit einbrechender Nacht den Weg durch die großmiltitzer Aue eingeschlagen und zuletzt durch Wald und Gebüsch Schkeuditz umgangen habe. Mit grauendem Morgen schon war er mit seinen Begleitern in Halle angelangt. Noch reichlich von ihnen beschenkt und schließlich mit einer Bescheinigung über die treue Ausführung seiner schwierigen Aufgabe versehen, in welcher auch unser noch einmal mit herzlichem Dank und Gruß gedacht wurde, hatte er in Ermangelung ausreichender Legitimation die Nacht abwarten müssen, um durch Umgehung aller mit Franzosen besetzten Ortschaften ungefährdet wieder in seine Heimath zu gelangen.

Das schöne Pferd, das ich als ein lebendes Andenken an jene denkwürdige Zeit gern noch länger behalten hätte, besaß ich nur wenige Stunden. Mangel an Futter und die Befürchtung, es bald wieder an feindliche Truppen ausliefern zu müssen, wie dies bei den häufigen Requisitionen fast täglich geschah, bestimmten mich, es gleichfalls dem Pachter Renker für sechs Thaler zu überlassen. Dem Manne war der kleine Vortheil um so mehr zu gönnen, da ihm kurze Zeit vorher von dem russischen Fürsten Platow zwölf der schönsten Ackerpferde mit Wagen und Geschirr entführt worden waren.

Nur ein Erinnerungszeichen an jene verhängnisvolle Nacht ist mir geblieben: ein prächtiger englischer Säbel, den mir einer der Reiter mit dem ausdrücklichen Bemerken schenkte, daß er die Waffe zu seiner Ausrüstung persönlich von Frau von Lützow in Breslau erhalten habe. Ich habe sie als ein theures Vermächtniß bis auf diese Stunde aufbewahrt. Friedlich hängt sie über meinem nächtlichen Lager. Ob sie je noch einmal dazu bestimmt, sich mit Menschenblut zu färben – wer mag es wissen? Aber sollte es geschehen, dann wünsche ich recht herzlich, daß sie in wackerer kräftiger Faust nur für die Ehre und Freiheit meines geliebten deutschen Vaterlandes streiten möge.

Alle die wackern Gehülfen, die sich einst an dem Rettungswerke so menschenfreundlich betheiligten, sie ruhen schon längst auf verschiedenen Kirchhöfen. Nur ich, der 77jährige Greis, habe sie überlebt als der noch einzige Zeuge jener Begebenheit. Ein halbes Jahrhundert beinahe liegt zwischen ihr und unsern Tagen, aber so oft ich der gefahrvollen Nacht gedenke, geschieht es in dem freudigen Gefühl, in meinem vielbewegten Leben auch einmal auf wenige Stunden helfendes Mitglied bei „Lützow’s wilder verwegener Jagd“ gewesen zu sein.

Wie viel von jenen muthigen Streitern, die sich der einst so hochberühmten und vielgenannten Lützowschen Freischaar angeschlossen hatten, noch am Leben sind, wo und in welchen Berufskreisen sie wirken, habe ich nie vollständig erfahren können. Nur zwei von den damals Geretteten habe ich noch einmal gesehen, den Herrn Oberrechnungsrath B. und den Herrn Hofrath B. in Berlin. Beide suchte ich während meiner Anwesenheit in Berlin auf, wurde freundlich aufgenommen und zu dem wenige Tage später fallenden Erinnerungsfeste – den 17. Juni – eingeladen. Leider aber mußte ich auf diese Ehre verzichten, da der abgelaufene Urlaub wie der drängende Beruf längere Abwesenheit von der Heimath nicht gestatten wollten. Vielleicht lies’t in der weitverbreiteten Gartenlaube hie und da einer der damaligen Kämpfer diese Zeilen und erinnert sich meiner und unsers gefahrvollen Zusammenseins. Mit dem herzlichen Wunsche, daß es mir vor meinem baldigen Hinscheiden noch einmal vergönnt sein möge, einigen jener braven Patrioten in freundlicher Erinnerung die treue Bruderhand drücken zu können, schließe ich diesen kleinen, wahrheitsgetreuen Bericht. Denen aber, die längst von uns geschieden, die auch den letzten Kampf schon überstanden, ihnen Allen möge die Erde leicht werden.

  1. Surtouts, wie sie in jener Zeit genannt wurden.

Blätter und Blüthen.

Helgoland, das jetzt wieder in allen Zeitungen als zukünftige englische Festung proclamirt wird, hatte einst ebensoviel Meilen im Umfang, als jetzt Viertelstunden. Als Warte für alle von und nach der Jahde, Weser, Elbe und Eider segelnden Schiffe war sie bis in die Zeiten Carl’s V. ein gefürchtetes Raubnest von Seeräubern gewesen, die als Wappen Rad und Galgen auf den Aermeln führten und deren letzter Hauptmann decretirte: „Ich, von meinetwegen, nicht von Gottes Gnaden, der lange Peter, Mörder der Holländer, Einfanger der Hamburger, Stürmer der Dänen, Zuchtruthe der Bremer“ – – Im siebzehnten Jahrhundert war dann die Insel an die Dänen überliefert worden und fiel 1807 an die Engländer, die in demselben Jahr Kopenhagen in Brand geschossen und die dänische Flotte in ihre Häfen geführt hatten. Schnell erkannten sie die Bedeutsamkeit dieses Felsens für den Kampf gegen Napoleon und sein Continentalsystem, womit er das verhaßte England vernichten wollte. Sie setzten ihre Blokadedecrete entgegen und von Helgoland aus blokirten sie die deutschen Ströme. Dazu wurde von ihnen hier ein gewaltiges Kriegsmagazin errichtet, und ein ungemein ausgedehnter Schleichhandel nahm von hier seinen Ausgangspunkt. Die größten Handelshäuser Englands, Hollands und Deutschlands hielten hier Comptoirs, und in „klein London“, wie man die Insel dazumal wohl nannte, liefen alltäglich 3 bis 400 Schiffe ein. Napoleon haßte deshalb wohl auch dies Eiland und strafte die Verbindung mit demselben auf das Härteste. Ein Hamburger Schiffer, der Jemand hingebracht hatte, wurde füsilirt, und Hamburg wurde eben solcher Verbindung wegen von ihm mit Drohungen überhäuft; „es solle wieder ein Fischerdorf werden, wie es einst gewesen, denn es sei nichts als eine englische Colonie auf dem Festlande.“ – Aber auch in einer andern Beziehung hatte dieses Felsennest damals hohe Bedeutung. Diplomaten und Generale aus allen unterdrückten Ländern hatten hier geheime Zusammenkünfte. So weilten hier vorübergehend viele von den zahlreichen Männern, die Napoleon einen rechten Hannibalshaß geschworen hatten, viele von denen, die als Ziel ihres Lebens und ihrer Kraft die Vernichtung Napoleons betrachteten. Der hannöversche General Wallmoden kam hierher, auch Gneisenau war auf dieser Klippe, und Münster’s, des hannöverisch- britischen Ministers, geheime Boten gaben und empfingen hier ihre Nachrichten. Auch gekrönte Häupter kamen, so der unglückliche König von Schweden, Gustav Adolph IV., und Carl X., dazumal noch Graf von Artois. Mit welchen Gefühlen aber mag Friedrich Wilhelm von Braunschweig nach dem glorreichen Zuge durch Deutschland mit seinem tapfern Corps das Eiland begrüßt und betreten, mit welchen Gefühlen die Flammen des Leuchtthurms angeschaut haben, die wie des deutschen Reiches heiliges Feuer um Erlösung, Freiheit und Rache emporzulodern schienen! – M. B. 


Schach.

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Aufgabe Nr. I.

Die Forderung zu dieser von M. Lange componirten Schachaufgabe lautet dahin, daß Weiß, der am Zuge ist, das Matt in vier Zügen erzwingen soll.

Die Lösung wird nach Ablauf von vier Wochen unter Andeutung der Namen der Herren Einsender angegeben werden.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_144.jpg&oldid=- (Version vom 29.11.2022)