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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

die Ketten aller Schwarzen, Illinois, Indiana und Ohio traten ohne Sclaven in die Union. Die südlichen Staaten weigerten sich, diesem Beispiel zu folgen. Nicht mit Unrecht wiesen sie auf die gänzliche Verschiedenheit der Verhältnisse hin: im Norden sei die Sclaverei, auf eine geringe Anzahl von Schwarzen beschränkt, ein Luxus, denn die gesunde Beschaffenheit des Klima’s und des Bodens legen der an sich weit wohlfeileren Arbeit des Weißen kein Hinderniß in den Weg, während der heiße und zum Theil sumpfige Süden der Schwarzen, von denen ohne Zwang keine Thätigkeit erwartet werden dürfe, nicht entbehren könne, wozu weiter noch komme, daß jede Sicherheit der Person und des Eigenthums sofort aufhören werde, sobald man die rohen Sclavenmassen, d. h. in einzelnen Staaten die Hälfte der gesammten Bevölkerung, des Zügels entledige. Da die Negerfreunde des Nordens diesen Gründen ihre Anerkennung versagten, so kam es zwischen ihnen und den Sclavenhaltern des Südens zu einem Streit, der wohl zu Zeiten schwieg, aber doch immer wiederkehrte und jedesmal eine steigende Aufregung zur Folge hatte. Lange hielten sich beide Theile die Wage und wurden dadurch zu Vergleichen gestimmt. Die bekanntesten der letztern sind der Missouri- und der Columbia-Vergleich. Bei dem ersten bequemten sich die Negerfreunde, Missouri als Sclavenstaat aufzunehmen, und erhielten dafür eine Milderung der strengen Gesetze gegen flüchtige Sclaven. Bei dem zweiten gaben sie dieses Zugeständniß wieder zurück, um das Verbot des Sclavenhandels im Bezirk Columbia, in dem die Hauptstadt Washington liegt, durchzusetzen. Selbst in die äußern Verhältnisse der Union mischte sich die Sclavenfrage bestimmend ein. Wenn der Norden die Annexation von Canada leidenschaftlich betrieb und das Oregongebiet auf die Gefahr eines Kriegs mit England hin in das Gebiet der Union hineinzog, wenn auf der andern Seite der Süden auf dem Eintritt von Texas und dem Krieg gegen Mexico hartnäckig bestand, so hatte jeder Theil kein anderes Motiv, als seiner Partei im Congreß die Oberhand zu verschaffen. Darum wünschte der Norden möglichst viele freie, der Süden möglichst viele Sclavenstaaten in der Union zu haben.

Was das Zahlenverhältniß der beiden Gruppen betrifft, so ist der Norden im Vortheil. Auf achtzehn freie kommen nur funfzehn Sclavenstaaten: Delaware, Maryland, Virginien, Nordcarolina, Südcarolina, Georgien, Florida, Alabama, Mississippi, Louisiana, Texas, Arkansas, Tennessee, Kentucky und Missouri. Trotzdem ist die Sclavenhalterpartei seit einer Reihe von Jahren dergestalt in Vortheil gewesen, daß sie die Union förmlich beherrscht hat. Eine geschlossene, im Süden allmächtige Phalanx, braucht sie blos eine Partei des Nordens für sich zu gewinnen, um die Mehrheit zu erhalten. Diese Partei hat sich in den Demokraten gefunden. Dem Bündniß mit ihnen verdankten die Sclavenhalter außer dem Gesetz gegen flüchtige Sclaven die Duldung, welche ihren durch den Flibustier Walker vollzogenen Angriffen aus Centralamerika, welches neue Sclavenstaaten für die Union liefern sollte, und den aus demselben Motiv unternommenen Versuchen auf Cuba zu Theil wurde. Sie verdankten demselben Bündniß die Aufnahme der Sclaverei in die Verfassungen von Nebraska und Kansas, wie endlich die berüchtigte Entscheidung in dem Proceß des Negers Dred Scott, laut deren Inhalt auch die freien Staaten auf ihrem Gebiet das Eigenthumsrecht eines weißen Menschen an einem schwarzen Menschen als heilig anzuerkennen verpflichtet sind.

Die Macht nach langem Besitz abzugeben, können die Sclavenhalter sich nicht entschließen. Die bloße Thatsache, daß die mit den Negerfreunden verbündeten Republikaner bei der Präsidentenwahl gesiegt haben, reicht hin, sie zur Wuth zu entflammen. In ihrer Parteiwuth beschuldigen sie ihre Gegner auf einen Congreßbeschluß auszugehen, durch den die Sclaverei aufgehoben werden solle. Zum Beweise, daß ein solches Complot der Republikaner bestehe, berufen sie sich auf Dinge, die theils Einzelnen zur Last fallen, theils mit der Aufhebung der Sclaverei in gar keinem Zusammenhang stehen. Die drei großen Verbrechen der Republikaner sind das Buch Helper’s: „Die drohende Krisis des Südens“, der Putsch von Harper’s Ferry und die in Vermont, Neu-Hampshire und Wisconsin zur Wahrung der persönlichen Freiheit erlassenen Gesetze. Helper’s Buch enthält manches Erbitternde, namentlich den Vorschlag, daß alle Sclaven sofort mit Benutzung der sämmtlichen Handelsschiffe der Union nach Afrika geschafft, oder zuerst mit 60, dann mit 80 und 100 Dollars für den Kopf besteuert werden sollen. Wie kann man aber für eine unausführbare, geradezu verrückte Alternative eine ganze Partei verantwortlich machen, selbst wenn diese Partei, wie seitens der Republikaner allerdings geschehen ist, das Buch, das eine solche Alternative stellte, nach Kräften verbreitet hat, nicht um die Sclaverei zu untergraben, sondern um den Demokraten des Nordens, den Verbündeten der Sclavenhalter, in der öffentlichen Meinung zu schaden? In den Vereinigten Staaten und anderswo sind schlimmere Wahlmanöver vorgekommen als die Colportirung eines Pamphlets. Der Putsch von Harper’s Ferry sollte den Sclavenhaltern eher zur Beruhigung als zum Gegentheil dienen. Wenn zu einem Unternehmen, das die Befreiung aller Sclaven zum Zweck hat, nicht mehr als zweiundzwanzig Theilhaber sich finden, so bedarf es keines weitern Beweises, daß der Gedanke keine große Partei zur Stütze hat. Was endlich die Gesetze zur Wahrung der persönlichen Freiheit betrifft, so sind sie in Staaten erlassen worden, in die höchst selten ein entwichener Schwarzer sich verirren wird. Ueberdies richten sie sich nicht gegen das Bundesgesetz über die flüchtigen Sclaven, sondern gegen die parteiische Ausführung desselben und stellen zu Gunsten der Farbigen die beiden uralten Garantien des Rechts her: Geschworenengerichte und Beweis durch unbescholtene Zeugen. Wie das Bundesgesetz gehandhabt wurde, konnte leicht ein freier Farbiger in Sclaverei gerathen, jetzt schlüpft vielleicht einmal ein wirklicher Sclave durch, das ist der ganze Unterschied.

Ungleich mehr als Helper und die übrigen offen eingestandenen Motive treibt die innerliche Ueberzeugung, daß die Tage der Sclaverei gezählt sind, die Sclavenhalter zur Wuth. Die freie Arbeit wächst der Sclavenarbeit hoch über den Kopf empor. Die ganz außerordentliche Verbreitung der Dampfmaschinen im Norden hilft dazu wesentlich. Man benutzt in Nordamerika die Maschinen zu Arbeiten, bei denen wir die Hand des Menschen für unentbehrlich halten, z. B. zum Spalten von Brennholz. Man baut nicht Hunderte, nein Tausende von Maschinen zum Vermiethen ihrer Kräfte und stellt die Preise so niedrig, daß selbst der kleine Handwerker dieses Hülfsmittel benutzen kann. Seit etwa einem Jahre hat die Einführung der calorischen Maschine die Verwendung künstlicher Kräfte im alltäglichen Leben noch allgemeiner gemacht. Je mehr dadurch der Mensch von der rohesten Handarbeit befreit und zum geistigen Lenker und Beherrscher der Naturkraft erhoben wird, um so schöner kann er sich geistig ausbilden und bei seinem Erwerb ein nicht hoch genug anzuschlagendes Capital von Intelligenz zu Hülfe nehmen. So schreitet der Norden, dem der Westen in dieser Beziehung gleich steht, mit Siebenmeilenstiefeln vorwärts, und der Süden bleibt schon deswegen zurück, weil Bildung die Unfreiheit nicht verträgt und unfreie Arbeit folglich nicht im Stande ist, sich die Vortheile der technischen und sittlichen Bildung anzueignen. Ein Beispiel wird zeigen, welcher Unterschied dadurch zwischen dem Süden und Norden entstanden ist. Im Jahre 1810 hatte Virginien 1,066,000, Newyork 959,000 Einwohner. 1851 zählte man in dem freien Staate 3,097,000 Menschen, 693,000 Schulkinder unter 13,600 Lehrern, 11,018 Bibliotheken mit 1,800,000 Bänden und 428 Zeitschriften mit 1,622,000 Exemplaren; in dem Sclavenstaate aber nur 1,422,000 Einwohner, 110,000 Schulkinder unter 3000 Lehrern, 54 Bibliotheken mit 89,000 Bänden und 87 Zeitschriften mit 90,000 Exemplaren. In den Sparkassen der Staaten Massachusetts, Rhode-Island und Newyork, die vorwiegend, wenn nicht ausschließlich, von Arbeitern benutzt werden, lagen am 1. Januar 1861 mehr als hundert Millionen Dollars. Was hat der Süden diesen Ersparnissen der freien Arbeit entgegenzustellen?

Der Wohlstand der Sclavenstaaten nimmt nicht zu, er ist im Sinken begriffen. Der erschöpfte Boden giebt geringere und geringere Ernten. In Texas, wo man noch jungfräulichen Boden zur Verfügung hat, rechnet man auf 750 Pfund Baumwolle vom Acker, in den alten Sclavenstaaten auf 250, 300 oder höchstens 320 Pfund. Um diesen Nachtheil auszugleichen, muß man die Arbeits- und Capitalkräfte steigern und ist zu Anstrengungen gezwungen, welche den Gewinn, der aus den steigenden Preisen des Rohstoffs erwächst, mehr als aufzehren. Da in Folge dieser Verhältnisse der Mangel an Sclaven immer fühlbarer wird, so ist der Preis der menschlichen Waare seit 1830 um das Doppelte gestiegen. So repräsentiren die 3,300,000 Sclaven der Union ein ungeheures Capital, und wer das Züchten und Verkaufen solcher Unglücklichen zu seinem Geschäft macht, der erzielt einen bedeutenden

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_158.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)