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Gewinn. Für Jeden, der mit seinen Sclaven arbeitet, ist das Steigen ihres Preises mit einer Vertheuerung seiner Production gleichbedeutend.

Nicht genug, daß der Norden den Süden überflügelt, bedroht die freie Arbeit die Sclavenhalter in deren eigener Heimath. Bis jetzt übten die etwa 80,000 Menschen, welche als Besitzer von je mehr als fünfzig Sclaven die Aristokratie, die „Cavaliere“ des Südens bilden, in ihren Staaten eine unbestrittene Herrschaft. Sowohl die kleinern Sclavenhalter als die Weißen, welche vom Handel oder von Gewerben leben, gelten neben ihnen nichts. Das wird sich in einer nicht fernen Zeit ändern. Schon arbeiten in mehreren Sclavenstaaten die unterdrückten Classen der Weißen an ihrer Emancipation, und der Norden begünstigt die Auswanderung nach dem Süden, um ihnen Hülfe zu leisten. Besonders hat man Virginien in’s Auge gefaßt, wo wüstliegende Ländereien in Menge zu kaufen sind. Je mehr Weiße ohne Sclaven in’s Land kommen, um so stärker gerathen die Sclavenhalter in’s Gedränge, und zwar nicht blos hinsichtlich ihrer Herrschaft, sondern auch hinsichtlich ihres Erwerbs. Die freie Arbeit ist – wie wir bereits bemerkten – die wohlfeilere; zwei Weiße, das gesteht selbst der Süden zu, arbeiten so viel wie neun Sclaven. Daß diese freie Arbeit gerade bei dem großen Stapelartikel des Südens mit Erfolg Concurrenz machen kann, haben die Deutschen in Texas durch die That bewiesen. Sie widmen sich in Menge dem Baumwollenbau und erzeugen einen Stoff, der in jeder Beziehung höher geschätzt wird als Sclavenbaumwolle. Dennoch beruft sich der Pflanzer hauptsächlich auf seine Baumwolle, wenn er die Unentbehrlichkeit der Sclaverei beweisen will. Thatsache ist, daß die amerikanische Baumwolle, bei deren Erzeugung 800,000 Schwarze, der vierte Theil aller Sclaven, beschäftigt sind, den Weltmarkt beherrscht. England ist von den 3,850,000 Ballen dieser Waare, welche der Süden ihm liefert, im wahren Sinne des Worts abhängig. Darum konnte Senator Hammond, als vor wenigen Jahren ein Krieg mit dem alten Mutterlande zu drohen schien, ausrufen: „Gegen Baumwolle führt Niemand Krieg, Baumwolle ist Herr.“ Diese Herrschaft der amerikanischen Baumwolle und damit auch die Wohlfahrt des Südens ist aber ernstlich bedroht. England fühlt die Nachtheile seiner Abhängigkeit von Nordamerika zu schwer, um nicht die größten Anstrengungen gegen dieses Joch zu machen. Wo immer ein Engländer nahe bei den Tropen seinen Fuß hinsetzt, wird er den Boden prüfen, ob er für Baumwolle taugt. Man ist in Versuchen des Anbaues unermüdlich und hat hie und da schöne Erfolge erzielt. Dies gilt z. B. vom südwestlichen Afrika, und auch die neue australische Colonie Queensland (im Nordosten des Welttheils) scheint viel zu versprechen.

Das größte Gewicht legen die Engländer auf Ostindien, wo der Baumwollenbau seit mehr als zwei Jahrtausenden heimisch ist. Daß die ostindische Baumwolle, wenn auch wohlfeiler, doch schlechter als die amerikanische ist, liegt nicht am Rohstoff, sondern an der schlechten Behandlung und dem Capitalmangel. Diesen beiden Mängeln abzuhelfen, ist der englische Baumwollenversorgungsverein bemüht. Er führt der indischen Baumwollenindustrie englisches Geld zu und verbreitet unentgeltlich Hunderte von Maschinen zur Reinigung der Baumwolle, welche so gebaut sind, daß der indische Bauer sie ohne Mühe handhaben kann. In Indien selbst ist eine Gesellschaft für den Aufkauf von Baumwolle entstanden, an deren Spitze der Fürst Hayder Dschung Bahadur steht. Derselbe Versorgungsverein hat in den wenigen Jahren seines Bestehens außer Maschinen auch sechshundert Fässer Samen in alle Weltgegenden geschickt, um der Cultur einen Sporn zu geben. Daß sich ein Ersatz für die amerikanische Baumwolle finden werde und müsse, ist die Ueberzeugung der besten englischen Autoritäten.

Unter diesen Umständen dürfte die Erwartung der Sclavenhalter, daß die Baumwolle allein als Stütze eines südlichen Sonderbundes ausreichen werde, sich auf die Dauer nicht erfüllen. Auf der andern Seite fiele mit der Trennung der Union die Hauptstütze des Wohlstandes im Süden hinweg. Die Capitalkraft des Nordens hat nicht wenig dazu beigetragen, den südlichen Stapelartikeln ihre Ueberlegenheit zu verschaffen. Der Newyorker Handelsstand ist mit Vorschüssen an die Pflanzer nicht karg und giebt langen Credit auf neun, zwölf, ja auf funfzehn Monate. Daß europäische Kaufleute eben so gefällig sein werden, ist nach den bisherigen Erfahrungen nicht anzunehmen. Seit Jahrzehnten haben sich die südlichen Pflanzer und Handelsvereine abgemüht, einen unmittelbaren Verkehr mit Europa in’s Leben zu rufen, und immer vergebens. Man traut den Cavalieren nicht, weil man sie kennt und weil man nicht vergessen hat, welche ehrlose Bankerotte von Einzelnen und von ganzen Staaten (Alabama und Mississippi) im Süden vorgekommen sind. Daß sie jetzt der ganzen Welt Handelsfreiheit in ihrem Sonderbund versprechen, ist ein eitles Lockmittel. Mit ihren Finanzen ist es so schlecht bestellt, daß sie in kürzester Zeit zu Zöllen, und zwar zu hohen, greifen müßten. Daß eine Trennung auch dem Norden schwere Wunden schlagen würde, bezweifeln wir nicht. Sehen wir doch in diesem Augenblicke, wie verderblich schon die bloße Drohung mit Trennung wirkt. Banken haben ihre Zahlungen eingestellt, die besten Handelspapiere zu 18 % Discont keine Abnehmer gefunden, und sogar die Ausfuhr der zur Verschiffung bereit liegenden Erzeugnisse ist in’s Stocken gerathen. Der reichere Norden wird die Folgen einer Trennung aber leichter tragen können, als der Süden mit seinem ausgesogenen Boden und seinem zahlreichen Proletariat von Weißen und Farbigen.

Sind wir bei unserer Darstellung zu der Ueberzeugung gelangt, daß die Sclaverei nach und nach aufhören wird, so müssen wir jetzt hinzufügen, daß die Trennung der Union diesen unvermeidlichen Ausgang sehr beschleunigen würde. Im Westen und im Norden von freien Staaten eingefaßt, die keine Rücksicht mehr zu nehmen hätten und in denen sogar ein Gefühl bitterer Feindschaft, die Folge jeder Trennung, Wurzel schlagen würde, könnte der Süden weder das Entlaufen seiner Sclaven, noch die gefährlichsten Einwirkungen auf sie von außen her verhindern. So aufgeregt die Leidenschaften augenblicklich sind, wird der Gedanke an eine Zukunft, die den Süden auf lauter Nesseln und Dornen bettete, seine Wirkung üben. Trennte er sich trotzdem, so handelte er wie ein Narr, der, um einer eingebildeten Gefahr zu entgehen, sich selbst den Untergang bereitet. Daß es aber nichts als Einbildung ist, wenn man glaubt, Abraham Lincoln würde durch den Congreß die Aufhebung der Sclaverei beschließen lassen, unterliegt keinem Zweifel. Er hat weder den Willen noch die Macht dazu. Nach der Bundesverfassung sind alle innern Fragen der Einzelstaaten, zu denen die Sclaverei unbedingt gehört, der eigenen Entscheidung derselben überlassen. Sollte diese Bestimmung aufgehoben werden, so müßten erstens zwei Drittheile beider Häuser des Congresses, zweitens drei Viertheile der Landtage der Einzelstaaten dafür stimmen. Nun stehen die Sclavenstaaten gegen die freien wie funfzehn zu achtzehn und können folglich jede Verfassungsveränderung verhindern, die ihnen nicht genehm ist.




Blätter und Blüthen.


Das Pferd und sein Reiter. – In Erziehung und Behandlung der Pferde sind die Engländer die größten Meister. Nirgends in der Welt sieht man dieses edle Thier in solcher Menge. Kraft und Cultur, als in England. Nicht blos die Aristokratie sucht ihren Stolz und ihre Freude in Schönheit und edler Behandlung ihrer Vollblutprachtexemplare oft à 6 bis 10,000 Thaler per Stück, auch der Omnibus- und Droschkenkutscher, gegen menschliche Kunden oft ein Flegel, ist der zärtlichste Freund und Pflegevater seiner klugen, gehorsamen, starken, glatten und wohlgenährten Rosse. Wie leicht fliegen die mit 42 Personen beladenen Salonriesenomnibusse – zweistöckige Häuser auf Rädern – und besonders die zweirädrigen Sicherheitsdroschken durch die Londoner Straßenlabyrinthe! Ein Freund, der nach vierjährigem Aufenthalte in London wieder in Berlin lebt, schrieb mir, daß die Berliner Droschken mit ihren Skeletten von Gäulen und ihrem Gekrieche, wie Fliegen im Syrup, die schläfrigen Omnibusse ihm Scham- und Zornröthe in’s Gesicht getrieben beim Gedanken an diese geflügelten Pegasus der Londoner Sicherheitscabs. Wie theuer sind Stallung und Futter in London gegen Berlin! Und doch sticht den ärmren Londoner Droschkengaul der Hafer, und er ist lustig und stolz, ohne Mahnung von einem Ende der ausgedehnten Riesenstadt zum andern zu fliegen. Man thut hier mehr für die Pferde, dafür thun diese mehr für die Menschen.

Kein Thier ist für edle Behandlung und gute Pflege dankbarer als das Pferd. Auch steht es dem Menschen in allen Klimaten und Zeiten am nächsten. Alle andern Thiere sind, wie die Pflanzen, klimatisch mehr oder weniger begrenzt. Das Pferd gedeiht und gedieh in allen Zonen und Zeiten, selbst vorsündfluthliche Pferdegebeine liegen unter arktischem Eise neben sibirischen Mammuth-Skeletten, auf den Höhen des Himalayah und in den Urweltshöhlen Irland’s neben Mastodon’s und anderen Thieren,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_159.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)