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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Philippine Welser.

schöne Innthal, endlich zieht uns eine Gruppe mächtiger Tannen an. Wir treten auf einen offenen Platz, überall Kreuze und Inschriften, dort ein riesiges Crucifix, an dessen rothem Stamme menschliche Glieder, Kühe, Schafe und Pferde aus Wachs, wie sie die Andacht der Wallfahrer befestigte, hängen. Da war im vorigen Jahrhundert der Begräbnißplatz für die im Militärspitale verstorbenen Soldaten; man spricht von vielen Tausenden, welche, in Folge der schlechten Pflege zu Grunde gegangen, hier eingescharrt wurden. „Das war im vorigen Jahrhundert!“ sagte man noch vor Kurzem wohlgefällig, bis man im letzten Feldzug erfuhr, daß die österreichische Regierung auch hier noch die alte war und die verwundeten Krieger eben so barbarisch ihrem Schicksale überlassen hätte, wäre dieses nicht durch die Milde des Tyrolervolks abgewendet worden. Dieser traurige Platz war einst zu schöneren Dingen bestimmt; hierher zogen die artigen Cavaliere aus Schloß Amras, tummelten die Pferde und übten sich unter den Augen Philippine’s im Ringelstechen, nachdem die gefährlichen Kämpfe des Turniers längst aufgehört hatten. Dort erhebt sich das Schloß, ein ausgedehnter Bau im Style der Renaissance, die herrlichen Thiergärten ringsum sind verwildert, die Teiche, wo Schwäne schwammen, versumpft, in die kahlen Räume sind zwar wieder Bewohner eingezogen, die Musen jedoch, welche einst hier walteten, wurden nicht mehr eingeladen. Gleichviel! uns schwebt aus der Vergangenheit das Bild der holden Philippine Welser entgegen, umrankt von den schönsten Arabesken der Sage, denn das Volk bewahrte keine Erinnerung der diplomatischen Schachzüge von Fürsten, wohl aber weiß jedes Kind noch von der milden, herrlichen Frau zu erzählen. Dort stand sie auf dem Söller und blickte in

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_213.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)