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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Da beugt sich die Wittwe zur Truhe
Im dürft’gen Kämmerlein,
Ihr ist’s nicht wie Ostern und Freude,
Sie weint in die Truhe hinein.

Mit zitternder Hand dann hebt sie
Ein Kreuzlein mit Kette hervor,
Das einst als Braut sie empfangen
Vom Manne, den sie verlor.

Dann küßt sie das Kreuz und herzet
Zugleich ihr fieberndes Kind, –
Geht hin zum Pfänderverleiher,
Der forscht und bietet geschwind.

Und draußen klingen die Glocken,
Der Tag vor Ostern ist’s ja, –
Und tief in der Seele der Wittwe
Sind „Kreuz und Dornen“ noch da.

Und Kreuz und Dornen, sie bleiben,
Ob Ostern kommt oder geht,
Doch hat sie – ist Alles verpfändet –
Ihr Kindlein und Ostergebet.

Ludw. Würkert.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_229.jpg&oldid=- (Version vom 20.9.2019)