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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Fenster krabbelt: Schnaken und Mücken, kleine und große Nachtfalter und hie und da ein Hirsch- oder Mistkäfer, der mit gewaltigem Anprall wider die Scheiben fährt, als wolle er sie zertrümmern.

Nichts desto weniger sind die Eulen ohne Vergleich die nützlichsten Vögel und ein wahrer Segen für die Gegenden, wo sie sich niederlassen. Denn durch ihre Flugzeit sind sie ja gerade auf das nächtliche Ungeziefer als Beute angewiesen, und wenn sie auch hie und da ein Vöglein erhaschen, so sind doch Mäuse und große Nachtinsecten ihre wesentliche Beute. Wenn Tschudi erzählt, daß ein Eulenpaar an einem einzigen Juniabende seinen Nestjungen elf Mäuse brachte und daß man in dem Magen eines Waldkauzes 75 Raupen des schädlichen Fichtenschwärmers fand, so charakterisirt er damit vollständig die Thätigkeit der Eulen im Allgemeinen. Nicht nur schonen sollte man diese Thiere, sondern sogar hegen und sie veranlassen, in der Nähe der Dörfer und Wohnungen ihr Standquartier aufzuschlagen. Die meisten Eulen lassen sich sogar zähmen und sind dann durch ihre seltsamen Bewegungen und Gebehrden nicht unangenehme Gesellen. Ein französischer Beobachter erzählt, daß er ein Steinkäuzchen im Hause hatte, welches ein liebenswürdiger Vogel war; er ließ sich gerne streicheln, selbst bei Tage, und obgleich er mit jedem Futter vorlieb nahm, so zog er doch rohes Fleisch vor, das er mit Hartnäckigkeit vertheidigte, sobald man es ihm abnehmen wollte. Täglich ging das Thier in den Garten auf die Insectenjagd, und selbst im Winter, wo man kaum noch Insecten findet, warf es täglich noch zwei Mal ein nußgroßes Gewölle von unverdaulichen Flügeln und Beinen aus. Kleine Vögel verfolgte der Waldkauz freilich auch und rupfte sogar die ausgestopften, in der Meinung, sie verzehren zu können.

Zu derselben Zeit lebte in dem Hause eine Dohle, die mit einem Hunde gute Cameradschaft pflog, während der Kauz mit einer jungen Katze so befreundet war, daß sie Beide oft zusammen in demselben Korbe schliefen. Dohle und Kauz waren grimmige Feinde; da sie aber Beide ungefähr gleich stark waren, so mieden sie sich nach einigen hitzigen Kämpfen und hatten sich den Garten so abgetheilt, daß keines das Gebiet des anderen berührte. Nachts aber war der Kauz allein Meister und trippelte dann so eifrig in dem Garten umher, daß man ihn hätte für eine Ratte halten können.

Mit einem Worte: Jede Eule ist eine fliegende Katze in Bezug auf Gewohnheit, Nahrung und Jagd, und den Dienst, den die Katze in geschlossenen Räumen leisten kann, thut sie in Feld und Geschäft. Das Miauen der Katzen zur Brunstzeit ist aber wahrlich auch kein Gesang – und Vögel, junge Hasen und Fleisch läßt sich die Katze auch schmecken ohne Gewissensbisse! Die Katze aber pflegt man als Hausthier, wenn sie vier Beine hat, fürchtet und verfolgt sie dagegen, wenn sie fliegen kann.

Unter den kleineren Vögeln sind, wie ich schon zu bemerken Gelegenheit hatte, die reinen Insectenfresser die nützlichsten von allen, obgleich unter diesen auch einige sind, welche sich gänzlicher Verkennung zu erfreuen haben. Die Würger und Neuntödter, welche die größeren Insecten auf Dornen spießen und sich manchmal auch an jungen Vögelchen und Mäusen vergreifen; alle die niedlichen Sänger, wie die Grasmücken, Rothkehlchen, Rothschwänzchen, Nachtigallen und Bachstelzen, welche letztere namentlich auf der Erde, am Rande des Wassers und in frischgestürztem Felde ihre Nahrung suchen; die zänkischen Meisen, die Baumläufer, Zaunkönige und Spechtmeisen, welche auf Bäumen und Gesträuchen fleißig die Insectenlarven ablesen und zum Theile selbst mit hartem Schnabel unter der Rinde heraushacken; die hämmernden Spechte, die Wendehälse, die breitmäuligen Dünnschnäbler, welche die Insecten im Fluge fangen, wie Fliegenschnäpper, Schwalben, Mauerschwalben und Ziegenmelker oder Nachtschwalben; endlich die ganze Rabenfamilie, die in einfach schwärzlichem Kleide einhergeht, wie Stahre, Dohlen, Krähen, Kolkraben, welche hauptsächlich von Würmern, Larven, Maden und Aas leben, sind in unseren Augen durchaus nützliche Vögel, die man hegen und pflegen soll. Streiten kann man freilich über die eigentlichen Drosseln, die Finken und Kernbeißer, welche unter Umständen nützlich oder schädlich sein können. Gewiß thun in unseren Gegenden die beerenfressenden Drosseln, wie Krammetsvogel, Singdrossel und Amsel, nicht den mindesten Schaden, indem sie sich vorzugsweise an Wachholder- und Vogelbeeren halten, die man ohnedem kaum zu benutzen weiß. Ebenso verfolgt man mit Unrecht die Weindrossel, indem man sie des Naschens von Weinbeeren in den Rebenbergen beschuldigt, wo sie doch nur Gewürm und nackte Schnecken sucht. Ein äußerst schädlicher Vogel ist aber ohne Zweifel die Misteldrossel, die größte aller einheimischen Arten, die den ganzen Sommer über bei uns sich aufhält und eine ganz besondere Vorliebe für jenen schmarotzenden Strauch hegt, der in der nordischen Götterlehre eine so bedeutende Rolle spielt. Die Mistelbeeren sind die Hauptnahrung dieser Drosselart im Spätherbst, und da die Kerne unverdaut durch ihren Darm durchgehen und noch obenein in Saft eingehüllt bleiben, wodurch sie überall leicht anhaften, so säet die Misteldrossel fast überall den verderblichen Schmarotzersamen auf die Bäume, auf welche sie sich niederläßt.

Die Spechte sind gerade nicht die Lieblinge der Forstleute, welche sie beschuldigen, den Waldbäumen durch ihr Hämmern bedeutenden Schaden zuzufügen. Tschudi hat indessen vollkommen Recht, wenn er die herzhaften, stämmigen Bursche trotz ihrer unermüdlichen Zimmerarbeit in seinen Schutz nimmt und ihre Pflege empfiehlt. Ihr Pochen und Hämmern hat zweierlei Ursachen. Einerseits hacken sie Rinden und Splint bis zum Holze in großen Splittern los, um die darunter bohrenden Insecten und Larven unmittelbar mit der spitzen, widerborstigen, einer Stahlfeder gleich hervorgeschnellten Zunge anzuspießen. Andererseits klopfen sie aber auch nur, um die Insecten auf der anderen Baumseite aus ihren Schlupfwinkeln hervorzulocken. Deshalb sieht man sie nach einigem Klopfen mit äußerster Geschwindigkeit auf die andere Seite des Stammes rutschen und dort die Risse der Rinde aufmerksam untersuchen. Der Volkswitz behauptet freilich, der Specht durchbohre den Stamm und renne nur deshalb so eifrig auf die andere Seite, um dort die durchdringende Spitze seines eigenen Schnabels zu sehen. Allein obgleich ihm in diesem Falle eine bedeutende Dosis von Dummheit zugeschrieben wird, so spielt doch andererseits der Schwarzspecht durch die kluge Weise, womit er die geheimnißvolle Springwurzel, welche alle Schlösser öffnet, zu finden versteht, in den deutschen Sagen eine nicht unbedeutende Rolle.

So nützlich die Spechte auch sein mögen, so können sie doch im gegebenen Falle außerordentliche Unannehmlichkeiten mit sich führen. Einer meiner Oheime hatte sich in einem ihm zugehörigen Walde auf einem freien Plätze ein Häuschen gebaut, das im Sommer das Ziel seiner Spaziergänge war. Ein herrliches Plätzchen, von prächtigen Fichten und Lärchen beschattet, mit einem murmelnden Bächlein in der Nähe, in dem wir krebsten, während der Oheim seine Mittagspfeife rauchte! Die ganze Idylle wurde durch einen Specht gestört, der mit satanischer Hartnäckigkeit das Innere des Häuschens sich zum Ruheplatze auserkoren hatte. Er war durch das niedrige Kamin hereingeflogen und hatte in der inneren Holzverkleidung, die allerdings von Würmern etwas heimgesucht war, arge Zerstörungen angerichtet. Der Oheim ließ eine Klappe auf das Kamin machen. Tags darauf hatte der Specht ein faustgroßes Loch durch die hölzerne Klappe gebohrt und war wieder im Häuschen. Die Klappe wurde mit Blech beschlagen. Als der Oheim das nächste Mal die Thüre öffnete, flog ihm der Specht fast in’s Gesicht und schnurrte mit sausendem Flügelschlag davon. Er hatte ein Loch durch den Fensterladen und durch die Fensterbrüstung gebohrt. Neue Ausgabe an den Klempner, der den einzigen Fensterladen beschlagen mußte. Als der Onkel nach einigen Tagen wiederkam, gähnte ihm ein großes Loch in der dicken Bohlenthüre entgegen, die bis jetzt allen Versuchen des in der Gegend häufigen Gesindels Widerstand geleistet hatte. Nun kannte aber der Zorn des Eigenthümers keine Grenzen mehr. Ein Netz wurde angefertigt und der Eindringling richtig in demselben gefangen. Der Onkel aber war ein gutmüthiger Steuerbeamter, der die Steuerpflichtigen wohl bis auf den letzten Pfennig auspressen, einem Thiere aber kein Leids zufügen konnte. Als ihn der Vogel, den er mit starker Faust gepackt hatte, fast kläglich bittend ansah, überkam ihn Mitleid. Er gab einem Erdbeeren suchenden Bettelbuben den Vogel und drei Batzen, damit dieser dem Spechte an einem verborgenen Orte den Hals umdrehen solle. Am andern Tage war der Specht wieder im Häuschen; der „Lausbube“ hatte die drei Batzen eingesteckt, den Vogel aber fliegen lassen. Der Onkel gab den Kampf auf. Das Häuschen verfiel, denn er besuchte es nicht weiter. Der Specht aber befand sich wohl darin und zerhackte die letzten Trümmer zu Spähnen, mit denen wir im Herbste des folgenden Jahres uns ein Feuer anzündeten und Kartoffeln brieten.

Seit Prokne’s Zeiten heftet sich an das leicht segelnde Schwalbenvolk mancher schöne Glaube und Aberglaube. Tobias hatte

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_231.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)