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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Jagddaguerreotypen.[1]

Von Ludwig Beckmann.
III.
Das Schwarzwild und seine Jagd in alter und neuester Zeit.

Weniger prunkhaft und anmaßend im Aeußern, als die Parforcejagd, aber ungleich großartiger in seiner Anlage und seinen Erfolgen ist das eingestellte oder eingerichtete Jagen, welches auch wohl, im Gegensatz zur französischen Parforcejagd, einfach deutsches Jagen genannt wird.

Das „deutsche Jagen“ stammt aus uralter Zeit und besteht wesentlich darin, daß man einen ganzen Walddistrict mit Jagdtüchern und Netzen umspannt (einstellt, einrichtet) und das eingeschlossene Wild später durch Anwendung der Waffen, Hunde oder Fallgarne erlegt oder fängt. Das Arrangement und die Leitung eines solchen Jagens erfordert nicht geringe Sachkenntniß und Umsicht von Seiten des Dirigenten und wurde daher in der Blüthezeit des Jagdwesens als eine Art Probe – oder Meisterstück betrachtet, bei welchem der angehende Jäger sich die Sporen verdienen oder – sich gründlich blamiren konnte. – Die kostspielige Herstellung und Erhaltung des erforderlichen Jagdzeuges, die unvermeidliche Beschädigung der Holzbestände und vor Allem die Abnahme des Hochwildstandes im Freien sind Ursache, daß diese großartigen, echt deutschen Jagden bereits so ziemlich einer vergangenen Zeit angehören. Unsers Wissens wurden die letzten eingestellten Jagden im Hannoverschen gegen das Ende der Regierung Ernst Augusts abgehalten und zwar in einer so vollendeten Weise, daß sie mit den besten Jagden früherer Zeit rivalisiren konnten. Gegenwärtig dürfte an keinem Hofe das zu einem Hauptjagen erforderliche Zeug mehr vorhanden sein, wenigstens nicht in brauchbarem Zustande sich befinden.

Hohe Tücher mit Prellnetzen doublirt.

Bei dem Jagdzeug unterscheidet man zunächst die Feder- und Tuchlappen, d. i. lange Schnüre, an welchen Federbündel oder viereckige Stücke weißer Leinwand in Zwischenräumen befestigt sind. Diese Schnüre dienen zur vorläufigen Einschließung (Verlappung) des Jagens, um das Wild am Ausbrechen zu hindern, während das eigentliche Zeug herangefahren und gerichtet wird. – Letzteres besteht in den aus starker, weißer Leinwand angefertigten Tüchern (finsteres Zeug) und den Netzen oder Garnen (lichtes Zeug). Der Höhe nach unterscheidet man bei ersteren hohe (von 9 –10 Fuß) und halbe (von 6–7 Fuß) Tücher; bei den Garnen aber hohe, mittlere und niedere. – Die Garne werden entweder, wie die Tücher, straff ausgespannt, um das Jagen einzuschließen, oder im Innern des Jagens locker (mit Busen) aufgehängt, um das Wild darin zu fangen (Fanggarn). Werden Hirsche und Sauen zugleich gejagt, so spannt man die mittlern Garne innerhalb der Tücher, um die Sauen von letztern abzuhalten (mit Prellnetzen doubliren). Die Länge der einzelnen Zeuge und Garne beträgt circa 150 Schritt; daher machen 3 Stück hoher Tücher mit ihren Stellstangen und sonstigem Zubehör schon ein starkes sechsspänniges Fuder aus; von den Saunetzen (lichtes Mittelzeug) rechnet man etwa 8 Stück auf ein vierspänniges Fuder. Die Zeugwagen haben die bei den Militär-Rüstwagen gebräuchliche Form – ringsum geschlossen, mit gewölbtem Deckel.

Die Hirschjagden beginnen mit der Feistzeit des Hirsches, etwa um Mariä Himmelfahrt, und währen bis St. Egidii – die Saujagden währen von S. Gallen bis heil. 3 Könige. Doch wurden nicht selten Hirsch- und Saujagden vereinigt, wie auch einzelne gut jagdbare Hirsche und grobe Sauen außer jener Zeit gejagt. – Unter den mancherlei Abarten des eingestellten Jagens erwähnen wir: das Kesseljagen, Contrajagen, Bestätigungs-, Haupt- und Festin-, Wasser-, Hatz- und Fangjagen. – Die einfachste und ursprünglichste Form ist das Kesseljagen, wobei man einen Walddistrict, in welchem man mit Bestimmtheit Wild vermuthet, mit dem Zeuge einstellt und ohne weitere Arrangements das eingeschlossene Wild treiben läßt, welches dann an den Wechseln oder auf breiten Schneißen und Wegen geschossen oder behetzt wird. – Um keine Fehljagden zu machen, pflegte man auch wohl das Wild vor dem Einstellen mit dem Leithunde zu bestätigen [2], woraus

  1. Siehe Nr. 23 und 24, Jahrgang 1860)
  2. Um den Aufenthaltsort des Wildes genau kennen zu lernen, ohne dasselbe in seinem Verstecke zu beunruhigen, zog der Besuchjäger mit seinem Leithunde nach Tagesanbruch rings um den betreffenden Walddistrict und merkte sich alle aus- und eingehenden Wildfährten, welche der Leithund durch Eintupfen mit der Nase (anfallen, eingreifen) anzeigte. – Hatte sich der Jäger durch dieses mehrere Morgen hintereinander wiederholte Besuchen oder Absuchen des Reviers völlig vom Dasein und Standort des Wildes überzeugt, so war dasselbe bestätigt.– Zu größerer Sicherheit mußte der Besuchjäger beim Richten der Zeuge und Garne, mit seinem Hunde vor dem Zeugmeister herziehend, ringsum das Jagen vorsuchen. – Der Leithund wurde stets am Riemen geführt und nur auf Hirsch, Sau und Wolf gearbeitet. – Da das ganze damalige Jagdwesen fast lediglich auf der Leithundsarbeit beruhte, so fand man an manchem Hofe 10-12 Besuchjäger oder Besuchknechte, welche, da sie zur unmittelbaren Umgebung des Fürsten gehörten, verhältnißmäßig am höchsten besoldet wurden.–
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_236.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)