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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

es mir denn gelang, bis hierher zu kommen, ohne daß die Diebe eine Ahnung hatten, daß sie entdeckt seien. Na, und das Andere wißt ihr ja alle selber,“ vollendete Louischen. „Jetzt aber laßt uns zu Bette gehen, denn ich bin herzlich müde.“ Der Justizrath gab seinem Louischen einen Kuß und sagte: „Du bist und bleibst mein Mord-Mädel! Nur schade darum, daß Du mir die Wette verdorben hast; morgen hätte ich am Ende Etwas auf Dich gewinnen können.“

Daß nur durch die Geistesgegenwart Louischens der Raub jener Aussteuer verhindert wurde, und die Spitzbuben, welche liederliches Gesindel eines Nachbardorfes waren, auf einen Schlag gefangen werden konnten, ist wohl Jedem unzweifelhaft klar; welchen Dienst aber das muthige Mädchen sich selber durch die behauptete Ruhe leistete, das verdient denn doch wenigstens noch einer kleinen Erwähnung. Bei der Gerichtsverhandlung, welche der Justizrath selber leitete, fand nämlich eine Confrontation des hinter dem Handtuch versteckt gewesenen Diebes, welcher als Sicherheitsposten aufgestellt war, und von Louischen so meisterhaft getäuscht wurde, mit der als Zeugin anwesenden Tochter des Justizrathes statt, wobei der schon mehrfach bestrafte Mensch die für seine Beurtheilung freilich etwas erschwerende Aussage that: „Hätte ich gewußt, daß mich die Kröte gesehen hat, so hätt’ ich sie lieber gleich kalt gemacht!“

Ich darf mich wohl jeder weiteren Beleuchtung enthalten, indem ich die Ueberzeugung hege, daß man allgemein einsehen wird, wie wenig ein durch Geister- und Spukgeschichten eingeängstetes Gemüth, ein durch häufige extravagante Erschütterungen gestörtes Nervensystem geeignet machen dürfte, ähnliche Muthproben, Anderen und sich selber zum Nutzen, abzulegen. Also erzieht Euere Kinder vernünftig und laßt die Spuk-, Schauer- und Gespenstergeschichten bei Seite!

Walter v. S. 




Das Asyl Franz II. in Rom.

(Mit Abbildung.)

Wir hielten es für nicht uninteressant, eine Abbildung der Behausung zu geben, die in unsern Tagen in Rom dem entthronten König Franz II. und der jungen Königin Marie von Neapel zum Aufenthalt und einstweiligen Asyl dient. Außer den genannten Majestäten, die jetzt das bittere Brod der Verbannung essen, ist der Palast von den übrigen Mitgliedern der neapolitanischen Königsfamilie bewohnt, die theilweise, wie die Königin Wittwe, schon früher gastliche Aufnahme in Rom fanden. Die päpstlichen Nobelgarden versehen den Ehrendienst des Palastes; sonst aber, abgesehen von den officiösen Empfängen und Besuchen, leben die Vertriebenen durchaus ohne alles Ceremoniell. So hatten wir jüngst Gelegenheit, die junge Königin, einzig von einer Dame begleitet, in der Kathedrale von Sanct Peter zu sehen. Sie betrachtete sinnend das schöne Denkmal jenes großen Papstes, das Canova demselben in Sanct Peter gefertigt. Ebenso sieht man häufig die Prinzen zu Fuße die Merkwürdigkeiten Roms aufsuchen.

Wie viel historische Erinnerungen knüpfen sich an diesen hehren Palast der Päpste und diesen Platz, wo die wunderbaren Kolosse von Monte Cavallo dem Wanderer Zeugniß geben von jener großen künstlerischen Pracht der alten Roma! – Hier sitzt seit lange schon das Conclave, das nach dem Tode eines Papstes den neuen Kirchenfürsten wählt. Aus jenem Kamine steigt der weiße Rauch (vom Verbrennen der Stimmzettel kommend), der dem Volke die gelungene Wahl verkündet. Hier residirte Pius VII. zur Zeit der französischen Occupation unter General Myollis, und von hier aus trat er und sein Staatssecretair, der Cardinal Pacca, unter Begleitung des Generals Radet seine unfreiwillige Reise nach Oberitalien, resp. Fontainebleau, an. – Hier residirte Pius IX. zur Zeit der stürmischen Tage der ersten italienischen Bewegung, und von jenem Balcon sprach er wohl manchmal zum versammelten römischen Volk. – Auf diesem Platz kam es zu den Thätlichkeiten, die damals den Bruch zwischen Regierung und Volk wenigstens sichtbarer machten. Aus jenem Palast endlich trat der Papst seine Reise nach Gaeta an, und selten nur residirte er seit jenen Tagen in diesen Räumen. – Welche Bestimmung bewahrt wohl die uns verschleierte Zukunft diesem weiten Hause?

Der Quirinalische Palast auf dem Monte Cavallo in Rom.
Nach der Natur aufgenommen von Zielcke




Ein Deutscher

Roman aus der amerikanischen Gesellschaft.
Von Otto Ruppius.
(Fortsetzung.)


Reichardt erwiderte auf diese Aufforderung in leichter Verlegenheit: „Ich spiele wohl Alles, wenn ich die Noten dazu habe!“

„O, Sie werden das kennen!“ rief der frühere Redner und legte zugleich sein Gesicht in ernste Falten, mit halber krähender Stimme die erste Strophe eines Kirchenliedes beginnend. Reichardt erkannte schon beim zweiten Takt einen alten Choral Luther’s und auf’s Neue alle starken Stimmen ziehend, ließ er in vollen Accorden die kräftige Melodie erklingen. Es mochten wohl derartige Töne in der Kirche noch nicht gehört worden sein, denn ein Seitenblick auf die Gesichter zeigte ihm den Beifall in der seltsamsten Weise ausgedrückt. Ein Theil schien wie verklärt oder in stummer Bewunderung den brausenden Harmonien zu folgen, während ein Anderer nach dem Rhythmus den Kopf wiegte oder den Choral leise mitzusingen schien.

„Mr. Ritschert – oder etwas dem Aehnliches – der die Orgel spielen und uns ein tüchtiges Kirchenchor heranbilden will,“ stellte der Geistliche den jungen Mann vor, als dieser geendet, „die Gentlemen sind von der Musik hereingezogen worden,“ wandte er sich wie erklärend an Reichardt. Dann wurden diesem die verschiedenen Namen der Anwesenden genannt, und bei jedem derselben hatte er eine hergestreckke Hand zu schütteln.

„Ich hoffe, Sir, Mr. Ellis wird keinen Grund finden, uns Ihrer schönen Fertigkeit zu berauben,“ klang zuletzt die freundliche Stimme eines Mannes, der ihm als „Trustee“ der Kirche bezeichnet worden war, „jedenfalls hoffe ich, Sie morgen bei unserm Gottesdienst zu sehen.“

Reichardt konnte sich nur verbeugen – der Prediger schien ihm also nicht völlig zu trauen und sich in dieser Weise ausgesprochen zu haben. Wenn aber sonst nichts seiner Existenz hier im Wege stand, so durfte er sich wohl ruhig der Zukunft überlassen, trotz des Kusses auf der Piazza von Congreß-Hall, den nur die Sterne gesehen und der hier schwerlich seine Wiederholung finden konnte. Er folgte den davon gehenden Männern, empfing an der Thür den Händedruck des Geistlichen mit einer neuen Einladung für den morgenden Sonntag und wanderte seinem Hotel zu. Nach wenigen Schritten aber hatten ihn zwei seiner Zuhörer, denselben Weg verfolgend, eingeholt. Er ward gefragt, wie ihm Amerika gefalle, was ihn herüber getrieben habe aus der alten Welt, und Reichardt sprach von seiner Begeisterung für die Musik, der er nicht habe genügen können, von den engen Schranken, die in Deutschland auch im socialen Leben jeder freiern Regung gezogen würden. Bald war ein lebendiges, allgemeines Gespräch im Gange, das auch, als die Veranda des Hotels erreicht war, mit sichtlichem Interesse von Reichardt’s Begleitern fortgesetzt ward.

Und als diese sich beim Läuten der Mittagsglocke endlich entfernten, machte sich in dem Begegnen des Wirths wie der Aufwärter eine Aufmerksamkeit gegen den jungen Deutschen geltend, die diesem ein Lächeln abzwang – er wußte doch nicht einmal die Namen seiner bisherigen Gesellschafter.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_253.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)