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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Ein Deutscher

Roman aus der amerikanischen Gesellschaft.
Von Otto Ruppius.
(Fortsetzung.)

„Ich bin Ihnen für Ihre Freundlichkeit von Herzen dankbar, Sir,“ begann Reichardt langsam, als Burton geendet, „ich gestehe Ihnen aber freimüthig, daß es mir widerstrebt, einen Schritt in dieser Art zu thun. Ist mir Mr. Young freundlich gesinnt, so bedarf es keiner Verständigung, die, auf diese Weise gesucht, mich demüthigen müßte; ist er mir aber abhold, so würde auch der Versuch, ihn zu gewinnen, nichts nützen. Ich kam hierher mit dem Gedanken, durch meine Leistungen einen noch leeren Platz auszufüllen, und bemerkte deshalb auch den Gentlemen gestern Abend, daß ich lieber wieder gehen würde, als die Ursache des geringsten Zwiespaltes werden möchte –“ er hielt inne, als wolle er seinem Gesellschafter die Ergänzung selbst überlassen.

Burton fuhr sich mit der Hand durch das buschige Haar. „Es ist etwas Wahres in dem, was Sie da sagen,“ erwiderte er, „indessen versteht es sich wohl von selbst, daß wir Sie nicht so ohne Weiteres von hier weg lassen und daß ich Harriet’s Wort gegen Sie möglichst zu Ehren bringen muß. Ich werde heute noch einmal mit einzelnen meiner Freunde reden, und wenn sich kein anderer Weg findet, morgen selbst Young aufsuchen –“ er rieb sich von Neuem den Kopf, als ginge ein unangenehmer Gedanke durch seine Seele.

Reichardt erhob sich. „Ich wünschte nicht, Mr. Burton, daß Sie sich meinetwegen die kleinste Unannehmlichkeit auflüden –“

„Durchaus nicht, Sir – durchaus nicht!“ unterbrach ihn der Amerikaner, seinen Gast nach der Thür geleitend, „ich erwarte jedenfalls Ihren Besuch morgen Abend und denke, Ihnen dann günstigere Mittheilungen machen zu können!“

Der Deutsche verließ das Haus und nahm seinen Weg langsam durch die malerische Umgebung der Stadt, um ungestörter mit seinen Gedanken zu sein. Es war jetzt weniger die Sorge um sein Schicksal, was ihn erfüllte, als eine Art Haß gegen diesen Young. Er wollte gern die Stadt verlassen, hätte er doch vorher nur noch dem „Molche“ den Kopf zertreten können. Er hoffte nicht das Geringste von Burton’s Vermittelung; der Mann war schwach gegen seine Frau und seine Tochter und so wohl auch im gewöhnlichen Leben – er erfüllte jetzt die Form gegen den Fremden, da sich diese nicht wohl umgehen ließ, und dann war er mit ihm fertig. Reichardt dachte wohl auch an Harriet – aber was konnte diese für ihn thun, selbst wenn sie sich in seinem Interesse hätte bloßstellen wollen?

Es war längst „Dinner“-Zeit vorüber, als er in seinem Hotel anlangte, wo ihm Bob nach dem leeren Speisezimmer winkte. „Ich habe für Sie etwas zurückgestellt, Sir! “ sagte er, eifrig ein Couvert auflegend.

„Und das geschieht wohl nicht für Jeden?“ fragte Reichardt.

„Wohl nicht immer, Sir, aber ich habe Sie gern!“ erwiderte Jener mit der eigenthümlichen Zuthulichkeit der Schwarzen in den südlichen Staaten.

Der Deutsche nickte. „Ich glaube, mir geht es mit Euch eben so, Bob!“ gab er freundlich zurück, und ein helles Grinsen nahm das ganze Gesicht des Aufwärters ein.

Kaum hatte Reichardt seine Mahlzeit beendet und sein Zimmer erreicht, als sich die Thür wieder öffnete und Bob’s Kopf erschien. „Haben Sie mich gerufen, Sir?“

„Kommt nur herein, wenn Ihr Zeit habt,“ erwiderte der junge Mann, welchem die Erscheinung gerade recht zu kommen schien; „habt Ihr etwas auf dem Herzen, worin ich Euch helfen kann, so sagt es gerade heraus – es schien mir heute Morgen so!“

Der Schwarze zog seinen Mund fast bis zu den Ohren und begann seine Hände zu kneten. „Ich weiß nicht!“ sagte er nach einer Weile zögernd, sich scheu nach der Thür umsehend.

„Well, Bob, dann nachher; es fällt mir eben etwas Anderes ein!“ unterbrach Reichardt die Pantomimen des Negers. „Ich werde jedenfalls schon übermorgen früh abreisen und vielleicht kann ich Euch nicht wieder sprechen. – Wie war das Nähere über die Geschichte zwischen Young und Euerm Herrn?“ fuhr er mit vorsichtig gedämpfter Stimme fort.

„Sch! um Christi Willen!“ rief der Wollkopf wie in einem plötzlichen Schrecken beide Hände erhebend.

„Ich weiß, Bob, ich weiß!“ entgegnete der Deutsche noch leiser, „es geht mich auch nichts an; aber die Geschichte interessirt mich, da ich einmal so viel davon gehört habe, und man lernt daraus die Verhältnisse hier kennen!“

„Ich darf kein Wort sagen, Sir,“ versetzte der Schwarze, wie in halbem Entsetzen, „er verkaufte mich hinunter nach den Zuckerplantagen, wenn etwas davon auskäme!“

Reichardt sah ihn eine Secunde ungewiß an. „Alles Unsinn!“ sagte er dann, sich kalt wegdrehend; „was ich von Euch wissen wollte, macht an der Sache, die ich kenne, nichts schlimmer und nichts besser. Sagt, daß Ihr nichts wißt, Bob, und so braucht Ihr wenigstens einem Manne, der gern für Euch gethan hätte, was er gekonnt, keine unwahren Flausen vorzumachen.“

„O Sir, sagen Sie nicht so!“ rief der Neger erregt, aber mit ängstlich unterdrückter Stimme, „ich habe ja die Miß Young

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_289.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)