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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

bereits für todt gehalten. Mit tiefer Rührung sah man Wedell zu Berlin oft das Bild betrachten, welches durch die Aehnlichkeit mit dem in Cherbourg so bedeutungsvoll für ihn geworden war.


5.

Die Stunde hatte geschlagen, der Tag des Zorns und der Vergeltung war da, auf den eisigen Feldern Rußlands lag das ungeheure Heer des Welteroberers. Er flog voraus, der Gewaltige, der Fürsten und Völker niedertrat. Er flog voraus, auf flüchtigem Schlitten das nackte Leben rettend. Als er aber nach Paris glücklich entkommen war, da ließ er wie zum Hohn für die Mütter und Vater der Tausende, die in Rußlands Schnee begraben lagen, der empörten Welt verkünden, daß „Seine Majestät der Kaiser sich niemals wohler befunden hätten!“ Ein dumpfer Schrei der Entrüstung erklang selbst in Frankreich bei diesem giftigen Hohn, und aus Deutschland antwortete gellend der Kampfruf. Hinter dem flüchtigen Kaiserschlitten her aber stob und schnob, hastete sich und keuchte angstvoll allerlei gespenstisch Zeug, schauderhaft und abenteuerlich anzuschauen, mit mangelnden Gliedmaßen, kaum noch Menschen ähnlich – das waren die Trümmer der großen Armee!

Wie der Donnerruf der Posaunen zum Weltgericht schmetterte nun der preußische Kriegsruf über die Lande zwischen Weichsel, Oder und Elbe; fluchend oder betend, je nachdem, riß der Bauer wie der Edelmann, der Bürger wie der Gelehrte, das Schwert des Vaters oder die Büchse von der Wand; zur Fahne! zur Fahne! wie rief die Trommel so laut!

Es braucht wohl kaum der Versicherung, daß der „Zwölfte“ nicht fehlte, wo so viel Tausende kamen auf des Königs Ruf. Mit erhobenem Haupte und leuchtendem Antlitz schritt Leopold Heinrich von Wedell daher in jenen Tagen, die Hand lag ihm wie fest geschmiedet am Säbelgriff, und wenn er die Gedanken abwendete von König und Vaterland in jenen Stunden hoher und heiliger Begeisterung, dann flüsterte seine Lippe leise: „revanche pour Cherbourg

In den ersten Märztagen schon meldete sich der Lieutenant von Wedell und bat um Erlaubniß, ein Freicorps anwerben zu dürfen; er machte sich anheischig, die Marschälle und Generale des fremden Tyrannen auf ihrer Flucht nach Frankreich aufzuheben. Warum ließ man dem alten Schillianer nicht die Zügel schießen damals? Mancher Marschall hätte dann als Geisel dienen mögen für bessere Männer.

Als Rittmeister und Chef der neuerrichteten Garde-Kosaken-Escadron focht Wedell bei Lützen und Bautzen, oder vielmehr bei Groß-Görschen und Wurschen, wie diese beiden Schlachten eigentlich heißen; er that seine Pflicht als guter Officier, aber sein Ehrentag, der große Ehrentag seines Lebens, kam noch. Das war der 26. Mai 1813, Wedell’s neunundzwanzigster Geburtstag – der herrliche Sieges- und Ehrentag der preußischen Cavallerie, der Tag von Haynau, wo Obrist Dolffs, der kühne Reiter, wie das Soldatenlied von ihm klingt, in den Tod ging für seinen König und das liebe Vaterland, aber zweitausend Franzosen vorausschickte, um ihm Quartier zu machen. An diesem Tage fuhr Heinrich von Wedell wie der Blitz in die Feinde, und die preußische Garde-Kosaken-Escadron wie der Donner hinter ihm her; da war kein französisches Viereck, welches dem „Zwölften“ und seinen Reitern vermocht hätte Widerstand zu leisten. Für den Tag von Haynau erhielt Wedell das eiserne Kreuz. Das war der Anfang. Von Haynau ging’s nach Leipzig, und auch nach der dreitägigen Riesenschlacht, da kannte er keine Ruhe, da schmetterte hell seine Trompete hinter dem flüchtigen Imperator her, er folgte seiner blutigen Fährte und hetzte ihn bis zum Rheine, der Wedell und seine Reiter in rastloser Verfolgung.

Das war das Ende vom Anfang.

(Schluß folgt.)



Blätter und Blüthen.

* Deutsches Schützenfest. In den Tagen vom 7. bis zum 11. Juli d. J. (am 7. Empfang der Gäste) soll in Gotha ein „deutsches Schützenfest“ stattfinden, bestehend in geselligem Verkehr, im Schießen nach Scheiben aus 250 und 400 Fuß rhein. Entfernung, und zwar sowohl aus freier Hand als mit Auflegen, und in Berathungen über Gegenstände des Schützenwesens; damit in Verbindung wird am 8. und 9. Juli ein „Thüringer Turnertag“ gefeiert. Alle deutschen Schützen und Schützenfreunde sind dazu eingeladen und deutsche Genossenschaften, deutsche Männer und Frauen sind aufgefordert, Festgaben darzubringen.

Also ein national-deutsches Schützenfest! Nach Jahrhunderten wieder das erste; denn das Schützenfest in Bremen im vorigen Jahre hatte sich nicht gerade das Ziel eines nationalen vorgesetzt, obwohl die Einladungen dazu weithin ergingen, und das in Köln war ein „germanisches“ und mehr ein bloßes Gewinnschießen als ein Lustschießen Es ist eine großartige Idee, die deutsche Nation zu einem solchen Feste zusammenzurufen. Die Schützenfeste des Mittelalters vereinigten oft Tausende von Männern aus weiten Entfernungen; wie viel größere Dimensionen müßte jetzt, bei den gänzlich veränderten, tausendfach erleichterten Verkehrswegen, jetzt, wo das Bedürfniß nationaler Einigung von uns Allen lebhafter als je empfunden wird, eine solche Feier annehmen, wenn der „Schütze“ noch wäre, was er damals war, zugleich Bürger und Soldat! Das freilich ist er nicht mehr, aber wohl drängt die Zeit dahin, daß es wieder ähnlich werde, daß die Büchse des freiwilligen Schützen nicht bloß dem Vergnügen des Einzelnen, sondern auch den gemeinsamen Interessen, der gemeinsamen Vertheidigung diene, und auch nach dieser Seite hin soll das Fest in Gotha wirken; wird ihm nicht daraus eine Bedeutung erwachsen, die es jenen alten Lustschießen gleichstellt? Die Idee ist großartig, die Aufgabe, sie zu realisiren, eine gewaltige. Aber die Zeit rechtfertigt ein solches Unternehmen. Je mehr wir uns als Nation fühlen und nach nationaler Einigung drängen, um so mehr bedürfen wir nationaler Mittelpunkte und nationaler Feste; die örtlichen und provinziellen Feierlichkeiten genügen nicht mehr unseren Bedürfnissen, mit diesen müssen sich unsere Feste erweitern.

Das Fest in Gotha soll vor Allem Fest sein, es ist ein erster Versuch. Deshalb kann man es nur billigen, daß für diesmal, um eine allgemeine Betheiligung zu gewinnen und Viele zur Freude zu versammeln, im Ganzen weder in der Beschaffenheit der Büchsen noch der Art des Schießens eine Beschränkung festgesetzt worden ist; es versteht sich von selbst, daß für die verschiedenen Arten zu schießen (aus freier Hand und mit Auflegen) verschiedene Stände hergestellt werden. – Das Fest soll aber auch ein nationales sein, und dazu kann es nur werden durch die Mitwirkung der Nation. Man ist, wie wir hören, in Gotha ganz dem Grundsatze gefolgt: „Durch das Volk für das Volk!“ Möge alles Volk in Deutschland darauf antworten! Mögen Festtheilnehmer aus allen Gauen, von allen Grenzen des Vaterlandes und aus der Fremde sich einfinden! Mögen Festgaben von allen Seiten Kunde davon geben, daß das deutsche Volk gern Opfer bringt für nationale Zwecke und bei gemeinsamer Noth nach gemeinsamer Freude sucht! In Gotha sind, wie wir hören, schon viele Köpfe und Hände, wie für das Fest selbst, so auch für Festgeschenke thätig; man lasse die kleine Stadt nicht allein stehen in ihrem frohen und dankenswerthen Eifer!

Wir machen zum Schluß darauf aufmerksam, daß der Ausschuß bittet, Festgaben spätestens bis zum 15. Juni anzukündigen und bis zum 30. Juni zu übersenden, und daß diejenigen, welche selbst am Feste Theil nehmen wollen, ersucht werden, sich darüber beim nächsten Schützenvereine oder beim Festausschusse zeitig zu erklären und den planmäßigen Beitrag von 1 Thlr. zur Verfügung zu stellen, auch sich spätestens bis zum 15. Juni anzumelden. Letzteres wird sehr im Interesse aller Besucher sein, da in einer Stadt wie Gotha bei einigermaßen starkem Andrange zur Aufnahme Fremder besondere Vorkehrungen getroffen werden müßten.


Ein englischer Gentleman. Als Beweis, welcher abscheulichen Grausamkeiten gegen Thiere der Mensch fähig ist, theilen wir nachstehende Erzählung eines englischen Gentleman mit, welcher sich dem in den Colonien fashionablen Sport der Elephantenjagd eifrig widmete.

Mr. Gordon Cumming, das ist der Name des Ehrenmannes, verfolgte einen durch seine Kugel im Schulterblatt verwundeten Elephanten. Das Thier hinkte langsam bis zu einem Baume, an den es sich hülflos anlehnte, während sein Verfolger in geringer Entfernung ein Feuer anzündete, um sich Kaffee zu kochen und die Leiden des verwundeten Elephanten mit Muße zu beobachten. „Nachdem ich das Thier so längere Zeit betrachtet und mich von seiner Hülflosigkeit überzeugt hatte,“ fährt Mr. Cumming fort, „beschloß ich Versuche über die Verwundbarkeit verschiedener Theile seines ungeheuern Körpers vorzunehmen und feuerte zu diesem Zwecke aus geringer Entfernung eine Anzahl Kugeln auf ihn ab. Der Elephant empfing meine Schüsse, ohne einen Laut von sich zu geben. Nur eine krampfhafte Bewegung des Rüssels, mit dem er jede neue Wunde berührte, zeigte mir, daß ich getroffen hatte. Da ich endlich fand, daß ich auf viele Weise zu keinem bemerkenswerten Resultat gelangte, so beschloß ich den Tod des Thieres so viel als möglich zu beschleunigen. Ich begab mich also nach der linken Seite und nahm sein Schulterblatt zum Zielpunkte. Nach und nach feuerte ich nun sechs Schüsse mit meiner englischen Doppelflinte auf das Thier ab und nahm dann meine deutsche Büchse zur Hand. Nachdem ich auch dies Gewehr sechs Mal auf den Elephanten abgedrückt hatte, sah ich, wie aus seinen Augen, die er langsam schloß und öffnete, große Thränen hervorquollen. Dann fing der kolossale Körper an zu zittern und endlich fiel er auf die Seite. Eine Minute später war das Thier todt.“ Bedenkt man, daß Mr. Cumming den Leiden des Elephanten mit einer einzigen Kugel in den Kopf augenblicklich ein Ende hätte machen können, so weiß man nicht recht, was man empörender finden soll, die That selbst, oder die Selbstgefälligkeit, mit der sie erzählt wird.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_336.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)