Seite:Die Gartenlaube (1861) 346.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Darauf fuhr der Scharfrichter und peinliche Ankläger weiter fort: „Herr Landrichter! so bitte ich, man wolle diese peinlich angeklagte arme Sünderin darüber vernehmen und derselben ihre gütliche Aussage nochmals vorhalten und hören, ob sie ihrer begangenen Missethat nochmals geständig sei.“

Auf des Landrichters Antwort: „Ja, es soll geschehen und ihr vormaliges gütliches Geständniß vorgelesen werden,“ las jetzt der betreffende Protokollführer der Winkler das über ihre erste Vernehmung aufgenommene Protokoll, worin sie der bezüglichen Entwendung von 12 Thalern 12 Gr. geständig, laut und vernehmlich vor, worauf öffentlich der Landrichter die Angeklagte befragte: „Bekennst Du Dich zu dieser Deiner vormals gethanen Aussage, vor gegenwärtigem hochnotpeinlichem Halsgerichte, nochmals?“

Nachdem die Winkler mit deutlichem „Ja“ diese Frage beantwortet und ihr Bekenntniß bekräftigt, so fuhr der Scharfrichter als peinlicher Ankläger fort: „Herr Landrichter! Dieweil die peinlich angeklagte arme Sünderin, Susanne Rosine Winklerin, hier stehet vor Gott und männiglich unter freiem Himmel und ihre Missethat, worüber sie vor diesem hochnothpeinlichen Halsgerichte angeklagt, geständig ist, so bitte ich um Recht und daß vor diesem hochnothpeinlichen Halsgerichte das Urthel derselben gesprochen werden möge, nach peinlicher Art.“

Der Landrichter erwiderte nunmehr: „es soll geschehen,“ worauf der Protokollführer das von dem Schöppenstuhle zu Leipzig abgefaßte Urthel, durch welches die Winkler wegen Diebstahls zum Tode mittels des Stranges verurtheilt worden war, langsam vorlas.

Sofort nach der Publication zerbrach der Landrichter den weißen Stab und legte die Stücke vor sich auf den Tisch, während der Scharfrichter abermals vortrat und das Halsgericht also anredete: „Dieweil denn dieser von mir peinlich angeklagten armen Sünderin, Susannen Rosinen Winklerin, wegen ihrer eingestandenen und überzeugten Missethat das Urthel von diesem hochnothpeinlichen Halsgerichte gesprochen und eröffnet worden, nach peinlicher Art, so frage ich, wer das jetzt publicirte Urthel zur Execution bringen soll.“

Ihm antwortete der Landrichter: „Das sollst Du thun. Jedoch weil gegenwärtiger armen Sünderin der ihr zuerkannte Strang in’s Schwert in Gnaden verwandelt ist, so hast Du sie mit dem Schwerte vom Leben zum Tode zu bringen.“

Der Ankläger und Scharfrichter wandte sich nach dieser Antwort wieder an’s Halsgericht mit folgender Rede: „Weil mir nun aufgetragen wird, von Gott und Rechts wegen und von wegen der hohen Obrigkeit, die Todesstrafe an gegenwärtiger armen Sünderin zur Execution zu bringen, so will ich sie annehmen und dem wohlbehaupteten und gesprochenen Urthel gemäß sie vom Leben zum Tode mit dem Schwerte bringen, damit die hohen Gerichte im Lande mögen gestärket und nicht geschwächt werden, einem Andern zum Exempel und Beispiel. Herr Landrichter! ich bitte aber auch um ein frei, sicher Geleit, damit, wenn mir etwa meine Kunst, wie ich doch, ob Gott will, nicht hoffe, mißlingen möchte, ich dennoch sichern Ein- und Ausgang haben möge.“

Der Landrichter antwortete: „Ja, es soll geschehen,“ und forderte den Amtsfrohn dazu auf.

Dieser verrichtete den Befehl also: „Es wird vor diesem hochnothpeinlichen Halsgerichte dem Scharfrichter und seinen Leuten ein frei, sicheres Geleit hiermit ausgerufen, dergestalt und also, da es über Verhoffen ihm oder den Seinigen in Vollstreckung des Urthels mißlingen sollte, daß er seinen Eingang und Ausgang habe und sich Niemand an ihm oder seinen Leuten vergreifen solle, bei Leib- und Lebensstrafe.“

Jetzt erst schloß der Scharfrichter mit den Worten: „Herr Landrichter! Er vergönne mir, vor diesem hochnothpeinlichen Halsgerichte wieder abzutreten und die arme Sünderin abfolgen zu lassen,“ welche Bitte ihm sofort gewährt ward.

Nach diesem Allen wandte der Landrichter sich an den vierten Schöppen und frug ihn, ob es Zeit sei, daß er das hochnothpeinliche Halsgericht wiederum aufheben möge.

Dieser Schöppe eutgegnete: „Wenn Niemand vorhanden, der vor diesem hochnothpeinlichen Halsgerichte weiter zu klagen hat, oder Gericht und Recht begehret, so mag es wiederum aufgehoben werden, wie es angefangen ist; es soll aber der Amtsfrohn zuvor nochmals abrufen, ob etwa noch Jemand vorhanden, der vor diesem hochnothpeinlichen Halsgerichte zu schaffen hat.“

Auf die diesfallsige Aufforderung hin rief der Frohn darnach Folgendes aus: „Wenn Niemand vorhanden, der vor diesem hochnothpeinlichen Halsgerichte zu schaffen hat, der mag vortreten, denn die Herren wollen das Gericht aufheben.“

Da Niemand vortrat, so hob der Landrichter das Gericht folgendermaßen auf: „Weil Niemand mehr vorhanden, der vor diesem hochnotpeinlichen Halsgerichte etwas zu schaffen hat, so hebe ich selbiges hinwiederum auf, im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, Amen!“

Jetzt legte der Landrichter den eisernen Handschuh wieder ab, ließ das Schwert durch den Frohn wieder in die Scheide stecken, und es wurden auch sodann zugleich die Stühle nebst dem Tische umgeworfen. Darauf wurde die Winkler unter Läuten des Armsünderglöckleins, unter gehöriger Bedeckung der gewaffneten Bürgerschaft, Vorsingung der Schule und unter Begleitung der Geistlichen und des Landgerichts auf den üblichen Richtplatz geführt und durch einen glücklichen Schwertstreich des Scharfrichters, Vormittags 10 Uhr, enthauptet.

Nach dessen Beschehen rief der Scharfrichter dem mit anwesenden Landrichter zu: „Herr Landrichter, Herr Landrichter!“ und fragte ihn, nach dessen Antwort: „was ist Dein Begehr?“ weiter: „Herr Landrichter, habe ich recht gerichtet?“ worauf der Letztere erwiderte: „Ja, Du hast gerichtet, was Urthel und Recht mit sich gebracht hat.“

Damit endigte das von 6 Uhr bis 10 Uhr Vormittags angestandene Executionsverfahren.




Deutsche Männer.

Schluß.

Von Strub weg eilte Oppacher zu Wintersteller, dem er die bittersten Vorwürfe machte, daß er ihn verlassen. Dieser, betroffen durch den Verlust des Passes, eilte mit all seinen Schützen gegen Waidring, fest entschlossen, trotz der mehr als zehnfachen Uebermacht des Feindes den Kampf zu wagen. Ehe wir das Gefecht beginnen, wollen wir unsere Leser mit Wintersteller, der zu den besten Führern der Tyroler gehört, näher bekannt machen. Er stammt aus einer berühmten Familie. Sein Urgroßvater, ebenfalls Wirth zu Kirchdorf, war Commandant des Landsturmes, als 1703 der bairische Kurfürst Max Emanuel in Tyrol eindrang, um sich mit den Franzosen, welche an der Etsch herauf rückten, zu vereinigen. Sein Heer wurde von den Wogen des Aufstandes verschlungen, dabei zeichnete sich Wintersteller vor Allen aus, indem er vier Fahnen und eine große Trommel eroberte. General Heister, welcher, wie die Oesterreicher meistens, erst dann in Tyrol angekommen war, als die Bauern den Feind bereits ausgekehrt hatten, hängte ihm im Auftrage des Kaisers Leopold die große goldene Medaille um.

Sein Sohn zeichnete sich 1742 im österreichischen Erbfolgekrieg für Maria Theresia aus. Der Pandurenführer Trenck, welcher mit seinen Horden im Unterinnthal einquartiert war, unterrichtete ihn in der Kriegskunst. Er rückte mit den Schützen aus und wirkte am 12. Februar bei der Erstürmung Münchens mit. Jubelnd und mit reicher Beute beladen führte Wintersteller seine Schaar zurück; die Beute überließ er ganz seinen Schützen, ja er forderte nicht einmal Ersatz für die ausgezahlten Löhnungen. Die Kaiserin ehrte seine Tapferkeit und Hingebung durch die große goldene Medaille mit doppelter goldener Kette und einen Wappenbrief mit vielen Vorrechten. Er war so stark, daß unter den Bauern noch jetzt von ihm erzählt wird, er sei im Stande gewesen, wenn ein Paar Robler in seinem Hause rauften, mit jeder Hand Einen beim Schopf aufzuheben und so Beide zugleich zur Thüre hinauszuwerfen.

Reich an Ruhm und Unglück war sein Enkel Rupert. Er nahm Theil an allen Kriegen Tyrol’s 1796 bis 1809. Hier begegnen wir ihm wieder zu Waidring. Oppacher rieth bei der großen Ueberzahl des Feindes von jedem Widerstande ab, da hielt der Metzger Vörgöttler eine kühne Rede und entflammte Alle auf’s Neue, um so mehr, als Chasteler sagen ließ, man solle sich nur bis fünf Uhr Morgens halten, dann werde er mit 10,000 Mann eintreffen und man könne den Feind gänzlich aufreiben. An Kämpfern hatte man zur Verfügung etwa 700 Schützen, 1200 Landstürmer und vierzig Weiber,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_346.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)