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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

haben. Im Gegensatz zu der eisigkalten Geringschätzung, womit dieselben den letzteren von sich ausschlossen, sprach sich die verhaltene Theilnahme für den Ersteren in ihren Blicken, wie in den verschiedenen kleinen Hochachtungsbeweisen aus, welche trotz des Bannes, der auf dem Manne zu lasten schien, der eine oder der andere von den Herren demselben gelegentlich zu beweisen doch nicht unterlassen konnte. Nur die beiden obenbeschriebenen Personen, der General und sein Satellit, der Ungar, machten von diesem allgemeinen Verhalten eine Ausnahme. Die Blicke, welche der Erstere zuweilen auf den zweiten leichten Reitersmann richtete, drückten ebensowohl eine unverhohlene Feindseligkeit, wie die offen preisgegebene Freude über dessen Vereinsamung aus, wogegen der Andere, um sich seinem Herrn und Meister gefällig zu erweisen, keine solche Gelegenheit vorübergehen ließ, ohne gegen seinen Gönner oder dessen Umgebung laut genug, um von jenem verstanden zu werden, seinem Witz auf Kosten desselben die Zügel schießen zu lassen.

Wenn die Bedeutsamkeit dieses zweiten Husaren außer der nur mühsam verborgenen Theilnahme auf der einen und den Zeichen einer entschiedenen Feindseligkeit auf der anderen Seite noch eines besonderen Beweises bedurft hätte, so würde beiläufig die Haltung der Herren der größeren Gruppe auch gegen den General dafür haben dienen können. Die Stellung des letzteren war offenbar zu bevorzugt, als daß sie ihn unmittelbar ihren Groll hätten fühlen lasten mögen, aber dessen ungeachtet schien es in der That nicht anders, als ob sie einen Abglanz der Nichtachtung, welche alle gleicherweise den Ungar fühlen ließen, auch auf diesen seinen Beschützer zurückfallen lassen wollten, so fremd und abgeschlossen hielten sie sich von demselben. Es mußte unbedingt eine tiefgewurzelte und langgenährte Feindschaft sein, welche eine so auffällige Erscheinung bewirken konnte, und es blieb aus den finsteren Blicken, welche die Herren gelegentlich unter einander austauschten oder auf ihren gemeinsamen Widersacher richteten, wie aus ihrem befremdlichen Benehmen gegen denselben unmöglich zu verkennen, daß, wenngleich ein durch die Umstände gebotener Zwang sie noch abhielt, offen wider den General und zu Gunsten des zweiten Husaren Partei zu nehmen, sie sich in demselben doch alle zugleich mit verletzt und bedroht fühlten und sehnsüchtig nur des Augenblicks harrten, um jenen ihren Haß und ihren nur mühsam gezügelten Zorn fühlen zu lassen.

Inmitten dieser feindseligen Erregung und der um ihn gährenden Leidenschaften stand seltsam genug gerade nur der Eine, welcher doch gleichsam den Brennpunkt derselben bildete, jener Husar nämlich, vollkommen unbewegt, man hätte, nach der unzerstörbaren Ruhe seines bleichen, doch geistreichen Antlitzes zu urtheilen, fast sagen mögen unbetheiligt. Auch bei den hämischsten Bemerkungen des Ungarn zuckte kein Zug seines Gesichts. Dieser Gegner schien für ihn gar nicht vorhanden zu sein, seine eigene Isolirtheit schien nicht den geringsten Eindruck auf ihn auszuüben, und die Hohnblicke des Generals hätten auf eine Bildsäule kaum eine weniger bemerkbare Wirkung hervorbringen können, als bei ihm der Fall war.

Ohne die Bärmütze, den blauen silberbeschnürten Pelz und rothen Dolman würoe übrigens in dieser kleinen, schwächlichen Gestalt kaum Jemand den kühnen Kriegsmann und zum allerwenigsten den nimmer rastenden, in allen Satteln gerechten Husaren vermuthet haben. Auch das Gesicht mit den eingefallenen Wangen und dem kleinen Stutzbärtchen ließ auf den ersten Blick keinen Zug entdecken, der hierauf etwa zu deuten gewesen wäre. Auf den ersten Blick freilich nur, denn, bei näherer Beobachtung lag lief auf dem Grunde der treuherzig blickenden, graublauen Augen des Mannes ein Feuer verborgen, wie es nur aus einem Heldenherzen wiederleuchten konnte, und Stirn, Kinn, die Züge um den Mund ließen über den Feuergeist, der diesen scheinbar so hinfälligen Körper bewohnte, keinen Zweifel übrig. Indeß eine specielle Personenbeschreibung ist hier unnöthig, dieser Husar war Hans Joachim v. Ziethen. – Ein Schadow, Rauch, Camphausen haben in Stein und Erz, durch ihren Meißel oder Pinsel sein Bild auf die Nachwelt überliefert, und er selber hat durch seine Thaten dafür gesorgt, sein Andenken bei seinem Volke frisch und unvergänglich zu erhalten.

Aus der auf die Treppe führenden Glasthür trat jetzt der König in Begleitung seines Bruders, des Prinzen Heinrich. Friedrich schien verstimmt. Das noch an die Tage der Jugend erinnernde Antlitz des damals erst vierzigjährigen Monarchen wies sich zwar vollkommen ruhig, aber aus den großen, blauen Augensternen zuckte es gar bedenklich, und um seine Mundwinkel spielte der makante Zug, den die Seinen mehr selbst als das Feuer von hundert feindlichen Geschützen fürchteten. Auch über der Stirn des Prinzen lagen tiefe Schatten gebreitet.

„Bon jour, Messieurs!“ erwiderte der König vornehm und kalt die ehrfurchtsvolle Begrüßung seiner Generäle und Officiere.

„Guten Morgen, Winterfeld,“ setzte er, den bis unmittelbar zum Fuße der Treppe vorgetretenen General bemerkend, in viel freundlicherem Tone hinzu.

Der Ungar hatte, als die Herren sich zum Empfange des Monarchen in zwei Reihen ordneten, den Platz neben diesem seinem Gönner geschickt und glücklich zu behaupten gewußt. Ziethen war durch die allgemeine Vorwärtsbewegung, halb wider Willen und jenem fast gegenüber, bis ebenfalls mit in die vorderste Reihe vorgeschoben worden.

Der König würdigle den Letzteren keines Blicks, vor jenem Andern hingegen hielt er im Vorüberschreiten einen Augenblick inne und sagte zu ihm: „Höre Er, Naditschzander, vielleicht wird sich für Ihn heute die Gelegenheit finden, Uns seine Meriten zu erkennen zu geben.“

Die ihm widerfahrene königliche Auszeichnung machte den so Bevorzugten ein paar Zoll höher den Nacken erheben, aber auch sonst äußerte dieser königliche Gnadenbeweis sofort seine Rückwirkung nach hüben und drüben. Einige der Officiere aus der Umgebung des vorgenannten Generals hielten es plötzlich an der Zeit, ihre gegen dessen Schützling bisher beobachtete Zurückhaltung mit einer verbindlichen Höflichkeit zu vertauschen, umgekehrt dagegen stand Ziethen, fast noch unter dem Nachhall der Worte des Königs, wieder völlig vereinsamt. Die so bestimmt gegen denselben zu erkennen gegebene königliche Ungnade hatte aus Furcht, sich zu compromittiren, am Ende auch die Muthigsten aus seiner Nähe zurück geschreckt.

Zum ersten Male zuckte es bei der ihm von seinem Monarchen bewiesenen Geringschätzung wie von einem verhaltenen Schmerz um die Mundwinkel des tapferen Reiterführers. Da, noch unter dem Andauern des allgemeinen Stillschweigens, tönte unvermutet das „Guten Morgen, Ziethen“ des Prinzen Heinrich neben ihm. An dem General Winterfeld war derselbe ganz ebenso wie Friedrich bei jenem, ohne ihn zu bemerken oder zu grüßen, vorübergeschritten.

Ein Zornesblitz aus den Augen des Königs leuchtete zu dem Prinzen hinüber, doch ohne darauf zu achten, fügte derselbe zu Ziethen gewendet hinzu: „General, Ihr müßt mir heute von Rothschloß, Moldau-Tein und Katholisch-Hennersdorf erzählen. Ich war noch zu jung, um an jenen ruhmvollen Tagen Theil zu nehmen, aber nicht wahr, General, es waren das doch ruhmvolle Tage, und es hat da auch schon preußische Husaren gegeben?“

Friedrich hatte sich über diese Frage aus dem Absatz umgewendet, jedoch seine Blicke schienen auf den künftigen Sieger von Freiberg ganz die gewohnte Wirkung zu versagen. Einen Augenblick standen sich die Beiden, der König und sein jüngerer Bruder, Auge in Auge gegenüber, der Eine vor innerer Erregung glühend, der Andere kalt und ruhig, wie wenn der königliche Zorn in gar keiner Beziehung zu ihn, gestanden hätte. Die physische wie geistige Aehnlichkeit zwischen den Zweien war übrigens, trotz der Verschiedenheit der Affecte, selten vielleicht so auffällig als in diesem Moment in die Erscheinung getreten.

Der König faßte sich zuerst. „Ihre königliche Hoheit,“ redete er den Prinzen an, „mögen Dero Wißbegierde auf ein ander Mal befriedigen, für heut beliebt es Uns Dieselben Unserer Person zu attachiren. Messieurs,“ kehrte er sich dann zu den Herren der Begleitung, „der Morgen ist schon weit vorgeschritten, und wir haben heut noch viel zu thun. Zu Pferde denn!“

Friedrich um einige Schritte voraus, sein Bruder um eine halbe Pferdelänge hinter ihm zurück, setzte sich die Cavalcade in Bewegung. Keiner von den Beiden sprach ein Wort, kaum außer dem Thore angelangt, rief jedoch der Erstere, als einen neuen Beweis seiner besonderen Bevorzugung, den General von Winterfeld an seine Seite, dessen Redetalent den Monarchen je länger je mehr ganz gefangen zu halten schien. Bleich vor Wut, über die ihm bewiesene Vernachlässigung ließ der Prinz seinem Pferde den in ihm tobenden Zorn entgelten. Zuvor im Moment des Aufsitzens hatte er übrigens noch Gelegenheit gefunden, Ziethen, zuzuflüstern: „Seid auf Eurer Hut, General, der König ist

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 376. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_376.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)