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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

die grobe Stimme des Letzteren zu des Königs Ohren, „kann sich Husar da nix machen. Bassateremptete! wie is sich möglich zu formiren in diese Sumpf? Nix gut, nix schön. Nur der Ungar sein Husar, der Ungar sich nie in eine solche Falle vor die Maus hineinlegen.“

Auch der König warf jetzt noch einen Blick zurück nach dem Standorte des Ziethen’schen Regiments, dann überflog sein Adlerblick das Terrain. Er hatte sich orientirt und seinen Entschluß genommen.

„Messieurs,“ wandte er sich an seine Generäle, „die Situation ist zu favorable, als daß ich unsern leichten Truppen die Gelegenheit sich zu distinguiren entziehen möchte. Darum hier statt der gestern ausgegebenen folgende neue Disposition: Ein starkes Westcorps ist von Ketzin über Fahrland gegen Spandow im Anzuge, ein demselben an Zahl wenig nachstehendes Ostcorps ist zur Deckung dieser nur schlecht verproviantirten und auf eine Belagerung vorbereiteten Festung aus der Richtung von Nauen eben dort links bei dem Dorfe Seeburg eingetroffen. Zur Aufklärung seiner rechten Flanke hat der Commandeur jenes ersten Corps das Ziethen’sche Husaren-Regiment gegen das Havelufer entsendet, und befindet sich dasselbe etwa eine halbe Stunde allen andern Truppen seiner Abtheilung voraus, dort auf der Potsdam-Spandower Landstraße, eben zwischen Gatow und Fahrland im Defiliren begriffen. Der Gegner, hiervon benachrichtigt, entsendet seine Husaren und etwas schwere Cavallerie, um diese seine eigene linke Flanke bedrohende Bewegung zu verhindern und wenn möglich über das genannte Regiment einen Succès davonzutragen. Der General-Wachtmeister von Ziethen und der Oberst von Szekuli mögen hierbei gegen einander operiren.“

Die Adjutanten sprengten fort, um die nöthigen Befehle auszurichten. „Apropos,“ hielt der König die ihnen folgen wollenden Generäle zurück, „in Abänderung meiner gestern hierfür gegebenen Bestimmung soll hierbei ausnahmsweise der General Lieutenant von Winterfeld das Westcorps und –“ ein unendlich vieldeutender Seitenblick fiel auf seinen Bruder, den Prinzen Heinrich, „Ew. Königliche Hoheit können das Ostcorps commandiren. Vielleicht finden Dieselben da gleich die Gelegenheit die Meriten und valeur der preußischen Husaren aus eigner expérience beurtheilen zu können.“

„Höre Er, Ziethen,“ rief der König unter dem Davonsprengen der Genannten diesen an seine Seite, „entwickele Er mir doch mal schnell seine Disposition für den gegebenen Fall.“

Alle noch Anwesenden spitzten die Ohren, der Naditschzander vermochte sich vor Vergnügen über diese neue Demüthigung seines Rivalen kaum zu mäßigen.

Die Augen des alten Husaren funkelten vor Zorn. „Majestät,“ erwiderte er fast augenblicklich, und seine Stimme klang völlig dumpf vor innerer Erregung, „wenn ich auf den Platz komme, werd’ ich’s zeigen.“

Friedrich schaute ganz erstaunt den kühnen Sprecher von der Seite an, doch der Versuch, den erzürnten Reiterführer so auf das Unpassende seiner lakonischen Antwort aufmerksam zu machen und ihn in die Schranken des unbedingten Gehorsams zurückzuweisen, schlug gänzlich fehl, Ziethen hielt vielmehr den auf ihn gerichteten Blick des Königs aus, ohne nur mit den Wimpern zu zucken. Der Mann schien völlig umgewandelt zu sein.

„Na, höre Er, Ziethen,“ hub der König nach einem fast minutenlangen Schweigen wieder an, „Er muß Sich aber doch für jegliche Situation einen Plan zu bilden wissen. Als commandirender Officier wird Er doch, nicht allein auf den blinden hasard handeln wollen. Explicire Er mir doch, wie hat Er Sich denn hierin bei Rothschloß, Neustadt und Moldau-Tein verhalten? Es wäre doch curiös, wenn Er da bei seinen remarquabelsten Rencontres auch ohne eine vorher entworfene Disposition gehandelt hätte.“

„Majestät,“ erwiderte der Alte ohne Besinnen, „wenn ich mich von der Stärke und Stellung des Feindes unterrichtet hatte, ging ich auf ihn zu, beobachtete seine Anstalten, griff ihn an und schlug ihn.“

Friedrich schien über diese kurze und doch so vielsagende Antwort betroffen, und einen Augenblick leuchtete es wie von einer freundlicheren Empfindung in seinen Zügen. Da schmetterten vom linken Flügel der bereits in Ausführung der erhaltenen Befehle begriffenen Truppen die Trompeten der Husaren von Szekuli, und man sah dieses Regiment, wie hinter demselben als zweites Treffen die Dragoner von Meinecke sich gegen die noch immer in ihrer vorigen Aufstellung verbliebenen Ziethen’schen Husaren in Bewegung setzen.

„Na, Herr General-Wachtmeister,“ wandte sich der König nach einem Blick dort hinüber in fast spöttischem Tone zu Ziethen, „zu recognosciren braucht Er diesmal nicht, da sind fünfzehn Escadrons, die zur Attaque auf Ihn ansetzen. So mache Er denn, daß er auf den Platz kömmt, und zeige Er, wofür Er Uns die Erklärung verweigert.“

Einen Augenblick nach dem Anlangen Ziethen’s bei seinem Regiment herrschte dort unten eine anscheinend unlösbare Verwirrung. Ursprünglich, in der Richtung gegen Potsdam aufgestellt, mußte die wackere Truppe zunächst auf dem so sehr beschränkten Terrain die Front ändern. Die Husaren von Szekuli, dahinter die Dragoner, rasselten heran, der Boden dröhnte von dem Gestampf ihrer Rosse. Es schien unmöglich, daß jene den auf sie geführten Stoß noch rechtzeitig würden pariren können.

Plötzlich brachen gegen Fahrland zwei Escadrons aus dem Gebüsch hervor. Wie eine Rakete schossen sie in schräger Richtung vorwärts, schnell wie der Gedanke hatten sie die rechte Flanke der Szekuli’schen Husaren überflügelt. Diese stutzten, doch bevor noch das „Halt“ der Trompeten dieses Regiments verklungen, rasselten zweimal vier Escadrons gradaus wider die Mitte desselben. Dichte Staubwolken stiegen auf und hüllten Alles in ihren Schleier. „Kehrt“, „Halt“ und „Zurück“ wurde aus den undurchdringlichen Staubwirbeln bunt durcheinander geblasen.

Das Resultat dieses unerwarteten Doppelangriffs hätte auf dem Ernstfelde keinem Zweifel unterliegen dürfen, die geworfenen Szekuli’schen Husaren würden die ihnen folgenden Dragoner mit über den Haufen gestürmt haben. Auch konnte sich der König, von diesem Meisterstreich ganz enthusiasmirt, des Ausrufes: „magnifique!“ nicht enthalten.

Da jagten von der Angriffsstelle ein Paar reiterlose Pferde an ihm vorüber. Die Ziethen’schen und Szekuli’schen Husaren waren bei dem auf so kurze Distanz unternommenen Choc der ersteren zum Theil wirklich zusammengeprallt, und einige der letzteren hatten unter diesem unerwarteten Gewaltstoß den Sattel räumen müssen.

Ueber diese unwillkommene Wahrnehmung ging bei Friedrich die anfängliche Zufriedenheit schnell wieder in eine zweifelhafte Stimmung über. Das Fernglas am Auge hafteten seine Blicke unverwandt auf dem wahrscheinlichen Orte des Zusammentreffens der beiden Regimenter; indeß das Zurückgehen der Dragoner und der Husaren von Szekuli verhinderte durch den hierbei aufgerührten Staub noch immer dort irgend etwas unterscheiden zu können.

Endlich hoben sich diese Schleier allmählich, und wie mit dem Aufrollen eines Vorhangs stand dahinter, im blendendsten Sonnenglanz, das Ziethen’sche Regiment jetzt in Linie aufgeritten. Der herrliche Anblick hatte rings um Friedrich einen Laut der Bewunderung wachgerufen. „Ein Meisterstück!“ „Wer thut’s ihm nach?“ „Superbe!“ murmelten die Herren durcheinander. „Es ist und bleibt doch der Ziethen aus dem Busch!“ wagte, von seinem energischen Temperament fortgerissen, der Prinz Dietrich von Anhalt-Dessau fast an der Seite des Königs zu äußern.

Selbst seine ärgsten Feinde hätten Ziethen kaum einen schlimmeren Streich als hier seine Freunde und Bewunderer spielen können. Friedrich vermochte Alles, nur nicht ein Vorgreifen in seinem militärischen Urtheil zu ertragen. Ein ähnlicher Fall mit diesem nämlichen Prinzen hat ihn vier Jahre später die schon gewonnene Schlacht bei Kollin verlieren gemacht, fast alle großen Unglücksfälle seines Lebens, Hochkirch, Kunnersdorf, Maxen, haben aus derselben Charaktereigenheit ihren Ursprung genommen.

„Ew. Liebden,“ kehrte sich der König in zorniger Aufwallung zu dem Prinzen, „sehen also die abgesessenen Husaren nicht, die dort hinter der Front des Regiments die über diese glorieuse Attaque zu Schanden gerittenen Pferde in das Gebüsch hinein schleppen? Das ist ja ein wirkliches champ de bataille, aber kein Manöverfeld. Für die Campagne mag der Ziethen seine Meriten besitzen, aber ich kann um seinetwillen doch keinen Krieg anfangen, und in der Garnison taugt er den Teufel nicht.“

„Sag’ ich Sie, Herr Oberst,“ äußerte gerade jetzt der Naditschzander zu seinem Nachbar in dem königlichen Gefolge, laut genug, um von dem Könige verstanden zu werden, „is sich der Officier da zwischen die zwei Husars der Oberst von Szekuli – Ah!

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_390.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)