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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

und Tiefe. Er ist auf Kopf, Rücken und Bauch von hellgrüner, sehr brillanter Smaragdfarbe, die mit metallischem Glanze schillert. Nur an Hals und Kehle hat er einen rubinrothen Fleck oder Ring, der ihn wie ein Geschmeide ziert. Auch diese rothen Federn schimmern und strahlen wie Metalle und Edelsteine, und überziehen, wie Fischschuppen über einander geschoben, den ganzen kleinen Körper wie mit einem fein gearbeiteten Panzer.

Der Colibri findet in dem Territorium der Ver. Staaten eine Menge von Bäumen und Blumen, deren Blüthen er theils ihrer süßen Säfte, theils der in ihren Kelchen verborgenen Insecten und Käferchen [1] wegen ausbeutet. So wie sich die schönen Magnolien und die zahlreichen Balsaminen, die prachtvollen Tulpenbäume und die hohen amerikanischen Pappeln im ersten Frühling in den südlichen Staaten mit Blüthen schmücken, bricht der kleine Näscher, der im Winter sich in die Gegenden geborgen hatte, in denen das ganze Jahr hindurch Honig träufelt und Blumen blühn, auf und beginnt seine Wanderung nach Norden, wo er so lange weilt, als den bereits abgeblühten Büschen und Stauden noch neue mit frischer Lust folgen, und dies dauert fast bis in den Monat September hinein.

Der Colibri hat, wie die Schwalbe bei uns, unter jedem Breitengrade des Landes seine bestimmte Ankunftszeit, in welcher die Leute der Gegend ihn erwarten. Anfangs März sieht man ihn bei New-Orleans an der Mündung des Mississippi erscheinen. Ende März kommt er nach Georgia und Süd-Carolina hinauf. Den 25. April hat man als das Datum seiner Ankunft in Pennsylvanien festgesetzt. Und diese Daten stimmen sehr gut mit dem, was ich selber erlebte, überein. Denn es war an einem der Tage zwischen dem Ende März und dem 25. April, als mich in Washington, einer Stadt, die bekanntlich zwischen Pennsylvanien und Carolina ungefähr in der Mitte liegt, ziemlich früh am Morgen ein Freund mit der Nachricht weckte: die Colibris seien da. Weder er, noch ich hatten sie an einem der vorhergehenden Tage gesehen, und sie mußten daher wohl gerade eben angekommen sein, obgleich ich natürlich nicht behaupten will, daß uns nicht einige versprengte Vorläufer, wie sie wohl jeder großen Armee voranplänkeln, entgangen waren.

Wir wanderten um 8 Uhr Morgens hinaus nach dem „weißen Hause“. Denn in dem Vorhofe oder Vorgarten dieser Residenz des Präsidenten der Vereinigten Staaten – so berichtete mir mein aufmerksamer Freund – da stehe der Baum, von welchem die Colibris oder, wie die Engländer sie nennen, die kleinen Sumsevögel (humming birds) so eben Besitz ergriffen hätten.

Wir fanden einen schönen und in voller Blüthe stehenden Tulpenbaum und entdeckten bald die kleinen summenden, schwirrenden Flatterer, die den Baum in allen seinen Partien und Zweigen belebten. Sie kreisten oben über dem Gipfel des Baumes und schossen auch um seine unteren Zweige dicht vor unseren Augen vorüber, bald im Schatten verschwindend, bald in den Sonnenstrahlen aufblitzend. Anfänglich, ehe ich sie näher in’s Auge zu fassen vermochte, konnte ich mir fast eben so gut einbilden, daß ich ein Heer von Bienen, Hornissen oder Maikäfern vor mir hatte. Denn diese Vögel schlagen fast eben so heftig, wie die Brummfliegen, mit den Flügeln, die daher zuweilen beinahe unsichtbar werden oder nur wie ein Stück Schleier erscheinen. Dies ist besonders der Fall, wenn sie vor dem Kelche einer Blume schweben, um seinen Inhalt zu untersuchen.

Meistens, wenn wir so von unten her gegen den blendenden Himmel ausschauten, sahen sie mir dunkel und farblos aus. Aber plötzlich, wenn sie sich im Fluge herumwarfen, glitzerten sie wie ein Edelstein, wenn man ihn in das rechte Licht bringt. Und konnte man den Flug eines einzelnen Individuums in der Nähe verfolgen, so sah man bei jeder Veränderung der Bewegung einen Wechsel der schillernden Farben. Bald traten die smaragdgrünen Federschüppchen des Rückens, bald die Rubinen der Kehle deutlicher hervor. Sie waren alle außerordentlich heftig und ungestüm in ihren Bewegungen, wie dies auch wohl bei den Hornissen der Fall ist. Oft blieben sie ein paar Augenblicke auf einem Punkte schweben, als wären sie da mitten in der Luft befestigt, dann aber plötzlich schossen sie mit Pfeilgeschwindigkeit seitwärts und schwenkten sich im Halbkreise, wie ein Schlittschuhläufer, rasch um den Baum herum, um auf der andern Seite eine andere Tulpe zu finden. Meistens schienen mir Streitigkeiten um die Blumen – oder um die Weibchen? – Veranlassung zu diesen raschen Schwenkungen zu sein. Oft schnellte ein kleiner Vogel vom Gipfel des Baumes zum Himmel empor, als würde er hinaufgeschleudert. Ein kleiner bissiger Verfolger, der ihm von unten nachsetzte, bewies uns aber, daß jener sich durch seine eigenen Flügelschläge aufwärts lancirt hatte. In der That schien es mir, daß neben dem Blumensaugen Kampf und Streit ihr Hauptgeschäft sei. Kaum hatte einer von ihnen seinen langen Schnabel in eine Blume gesteckt, so gefiel dieselbe Blume einem anderen besser und das Duell begann auf der Stelle. Zuweilen flogen sie dabei, wie zwei um einander herumwirbelnde Funken einer Feueresse, so hoch in die Luft, daß sie unseren Blicken entschwanden.

Diese Streitlust soll bei allen Colibris allgemein sein, vielleicht sind dabei, wie bei unsern Schwalben, eben so sehr Spiel und Scherzlust die Triebfedern, als blasser Neid und nackte Bosheit. „Diese Colibris haben ein großes Herz,“ würden meine canadischen Indianer sagen. Und wirklich bestätigen es die Anatomen, daß das Herz des nordamerikanischen Trochilus eben so groß ist wie sein Schädel, obgleich auch dieser verhältnißmäßig nicht klein ist, sondern eine bedeutende Portion Gehirn enthält. –

Die Sonne schien ganz wundervoll warm und hell in das Gebüsch und die Blüthenkelche des Baumes hinein. Und je wärmer sie strahlte, desto mehr Vögelchen kamen herbei. Ich sah sie über das Dach des Präsidentenhauses der Ver. Staaten hin und her schießen. Denn auch jenseits des Hauses lag ein großer, blumenreicher Garten, den sie besuchten. Doch schien unser Tulpenbaum – wenigstens diesseits des Hauses – ihr Hauptstandquartier zu sein, zu dem sie aus der Ferne spielend zurückkehrten, indem sie unterwegs ihre kleinen Körperchen durch die Flügelschläge wie Bälle durch die Luft schnellten. In den andern zahlreichen Bäumen, die umherstanden, fand ich keine Colibris. So sieht man bei uns auch wohl auf einem duftenden Lindenbaume zur Zeit seiner Blüthe Hunderte von Bienen summen und schwärmen. Wie würden aber bei uns wohl die Leute zusammengelaufen sein, wenn man ihnen eine solche statt der Bienen von Colibris rauschende und von ihrem Glanzgefieder, so zu sagen, wie ein Weihnachtsbaum glitzernde Magnolie mitten auf dem Markte ihrer Städte hätte hinstellen können! Uebrigens gewährt die Biene in der Art des Flugs zu der Weise der Colibris einen recht interessanten Gegensatz. Jene ist dabei das wahre Bild der Emsigkeit und des bedachsamen Fleißes. Sie fliegt ganz langsam, auch wenn sie nicht gerade schwer beladen ist, zwischen den Blumen herum und untersucht dieselben vorsichtig, verkriecht sich mühselig tief in ihre Kelche und kommt, bestaubt wie ein Müller, wieder daraus hervor. Man sieht es ihr wohl an, sie ist ein Arbeiter und Künstler. Der Colibri dagegen erscheint in der Manier seines Fluges als ein blos nasch- und flatterhafter Geselle.

Das hübsche, oft beschriebene Schauspiel, wie er sich vor dem Munde einer Blume angelangt einige Augenblicke in der Luft vor ihr fest hinstellt, und wie er dabei seine blitzenden, deutlich erkennbaren Aeuglein mit Aufmerksamkeit zu den Seiten herumwirft, um zu erspähen, ob Alles in der Nähe ungefährdet sei, und wie er dann erst, nachdem er sich hiervon überzeugt, seinen Kopf und Rüssel in den süßduftenden Becher vertieft – dieses vermuthlich sehr hübsche Schauspiel habe ich leider nicht in der gehörigen Nähe belauschen können. Unsere Blüthen hingen dazu zu hoch. Doch sah ich es ein paar Mal deutlich, wie sie sich einen Augenblick rastend auf einem kleinen kahlen Zweige hinsetzten. Und auch dies sieht schon hübsch genug aus. Dann wird man erst recht gewahr, daß das tanzende Dingelchen wirklich ein Vogel ist. Man erkennt seine hübsche Figur und seine Beinchen und sieht, wie er sich putzt und kämmt und seine goldigen Federchen durch seinen Schnabel zieht.

Ich verband früher das Treiben und Leben der Colibris – und ich glaube, in Deutschland mag es noch Vielen so gehen – nur mit dem Innern eines amerikanischen Urwaldes. Aber sie haben, wie man aus dem Obigen sieht, auch die Städte und Wohnorte der Menschen zu ihren Spiel- und Tummelplätzen gemacht. Sie folgen der Kette der blühenden Gebüsche, die sich durch die Länder hinschlingt und fragen nicht darnach, ob diese in einem Urwalde oder zwischen den Häusern und Städten der Menschen stehen. Keck, wie sie sind, fahren sie sogar mitten auf die getümmelreichen

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 407. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_407.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)
  1. Man hat sich früher lange darüber gestritten, ob der Colibri auch ein fleischfressendes oder wenigstens käferfressendes Raubthier sei, oder ob er sich von lauter Blumenthau und Nektar nähre.