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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

No. 28.   1861.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.


Wöchentlich bis 2 Bogen.    Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Ein Deutscher.

Roman aus der amerikanischen Gesellschaft.
Von Otto Ruppius.
(Fortsetzung.)

Reichardt fühlte nur allzugut, daß es trotz aller Gewissenhaftigkeit jetzt die härteste Aufgabe für ihn sein würde, noch drei Tage in seiner bisherigen Stellung zu verbleiben; indessen hoffte er in möglichster Kürze einen Ersatzmann durch Vermittelung des Kupferschmieds zu erhalten. Wenn er jetzt an das treue Gesicht des Letzteren und die Miene dachte, welche sich bei der Erzählung des Geschehenen darauf legen würde, stieg die ganze Empfindung des Glücks, welches ihm geworden, von Neuem in seiner Seele auf.

Gleichzeitig aber trat auch Margaret’s Bild in seine Gedanken, sie, welche den Haupteinfluß auf sein Schicksal geübt haben mußte – hatte doch John Frost eines fast stundenlangen Gesprächs, welches sie augenscheinlich in seinem Interesse mit ihrem Vater gehabt, erwähnt – Reichardt kannte nichts von den Beweggründen des Mädchens, aber er mochte jetzt auch nicht darüber grübeln und Gedanken in sich aufkommen lassen, die ihn später vielleicht nur zu einem getäuschten Narren machen konnten, selbst wenn der ganze unendliche Unterschied zwischen ihren Verhältnissen und den seinen nicht bestanden hätte.

Es mußten während seiner Abwesenheit Verpackungen stattgefunden haben, denn der ganze untere Raum des Geschäftshauses wie der äußere Seitenweg lagen voll Stroh- und Holzüberbleibsel. Reichardt, ohne sich seines versäumten Mittagsmahls zu erinnern, kleidete sich schnell um und griff dann nach dem Besen, erst wollte er die nächsten Arbeiten beseitigen, ehe er die nöthigen Schritte für seine Entlassung that. Er war eben in voller Beschäftigung, um den Seitenweg zu säubern, als William Johnson raschen Schrittes ankam, mit finsterm Blicke stehen blieb, als wolle er zu dem Deutschen reden, dann aber wie sich besinnend in’s Haus ging. Es währte nur kurze Zeit, so trat der Kupferschmied aus der Thür. „Was haben Sie denn um Gotteswillen ausgefressen?“ sagte er an den Arbeitenden herantretend, „der Aelteste von den Johnsons hat mich nach Ihnen geschickt, als habe er den Laufpaß für Sie schon in der Tasche, und wandelt jetzt in der Office herum, wie ein Bulldog an der Kette!“

„Müssen eben zusehen, was er will, Meißner,“ versetzte Reichardt, lächelnd in das ängstliche Gesicht des Andern sehend und seinen Besen bei Seite stellend, „ich denke, wir trinken heute Abend noch ein paar Flaschen Wein mit einander!“

„Na, wenn das Wein giebt –!“ erwiderte der Erstere kopfschüttelnd und folgte mit leisen Tritten dem rasch die Treppe hinauf eilenden Freunde.

William Johnson stand leicht an eines der Pulte gelehnt, als Reichardt in die Office trat, und sein Blick schien sich zwei Secunden lang in das unbefangene Auge des Deutschen einbohren zu wollen. „Wollen Sie mir gefälligst sagen, wer Sie sind, Sir?“ fragte er dann.

„Porter bei den Herren Johnson und Sohn, wie Sie vielleicht wissen, Sir!“ erwiderte Reichardt mit einem leichten Lächeln.

Der Amerikaner preßte einen Augenblick die Lippen zusammen. „Und wie kommen Sie dann heute Morgen in ein Zimmer des Astorhauses, das nicht für Jedermann da ist?“

„Ich hatte Urlaub von Mr. Black erhalten – das Uebrige aber ist wohl meine eigene Angelegenheit.“ „Very well, Sir!“ entgegnete Johnson mit einem häßlichen Lächeln, „Sie werden aber einsehen, daß ich nicht ferner in Gefahr kommen mag, mit meinen eigenen Porters an denselben Tisch zu gerathen – lohnen Sie den Mann ab, Mr. Black.“

„Ich begreife nicht, Sir,“ erwiderte Reichardt ruhig, obgleich sein Auge einen erhöhten Glanz anzunehmen begann, „warum Sie mir in dieser absichtlich verächtlichen Weise begegnen. Die augenblickliche Beschäftigung macht hoffentlich den Gentleman nicht, und ich verlange die gleiche Behandlung, welche ich Ihnen selbst angedeihen lasse.“

„Ich behandle meine Leute, wie es mir selbst gutdünkt.“

„Gut, Sir, ich gehöre aber seit den letzten Minuten nicht mehr zu Ihren Leuten und werde mir sonach die erforderliche Höflichkeit zu erzwingen wissen, wo sie mir versagt werden sollte. – Ich bedaure aufrichtig, Mr. Black,“ wandte sich der Sprechende an den Buchhalter, „daß ich meines Wortes gegen Sie auf diese Weise entbunden werde. Mr. Augustus Frost lachte zwar über meine Gewissenhaftigkeit, noch drei Tage die Straße fegen zu wollen, gab mir aber Recht, daß Worthalten das Erste für den Kaufmann ist – jetzt mag sich Mr. William Johnson fragen, ob er ebenso gewissenhaft eine Porterstelle ausfüllen könnte, als er leicht darüber zu verfügen versteht. Sollte irgend eine Auskunft von mir verlangt werden, so finden Sie mich in Mr. Frost’s Cassenzimmer.“

„Es ist noch etwas von Ihrer Bezahlung rückständig!“ ließ sich jetzt der Alte hören, der während der ganzen Verhandlung in sichtlichem Unmuthe seine Bücher auf- und zugeschlagen hatte.

„Ich weiß es, Sir, und ich werde mir das Geld, das ehrlich verdient ist, holen lassen!“ erwiderte Reichardt; dann machte er eine leichte, ernste Verbeugung gegen den jungen Geschäftsherrn, welcher den Kopf stolz zurückgeworfen, aber leichenbleich in seiner

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 433. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_433.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)