Seite:Die Gartenlaube (1861) 448.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Blätter und Blüthen.

Die Spielbäder. Im October des Jahres 1848 trat im deutschen Parlament der Reichsminister der Justiz, Robert von Mohl, plötzlich mit dem Antrage auf die Tribüne: „Die Hazardspiele haben aufzuhören mit dem 1. Mai des künftigen Jahres.“ Und so tief war man von der Gerechtigkeit dieses Schrittes überzeugt, daß der Antrag ohne lange Discussion angenommen, ja mit fast einstimmiger Acclamation sogleich angenommen wurde. Damals, wo man das Ungeheuer todt wähnte, wunderte man sich nur noch, wie das Ungethüm so lange existiren, sein verfluchtes Leben so lange fristen konnte. Das Mitleid regte sich aber doch gegen die armen, nun ruinirten Bankiers, und zu dem gerade zu der Zeit in einem Hotel zu Frankfurt a. M. dinirenden Monsieur Blanc, Spielpächter in Homburg, trat einer der Gäste und gab ihm die Versicherung seines herzlichsten Beileides. Der Bankhalter, ganz ergriffen von der Theilnahme, gab schmerzerfüllt in lauter Trostlosigkeit keine andere Antwort als: „Wenn das deutsche Parlament so lange existirt als meine Bank, kann es froh sein.“ Leider hatte der Franzose Recht. Das Parlament ging auseinander, aber die Spielbank nicht. Der nachherige Reichsminister Detmold wollte den zum Gesetz erhobenen Beschluß des Parlaments zur Ausführung bringen und schickte nach Homburg ein Detachement Soldaten. Ein altes Sprüchwort bewährt aber immer seine alte Kraft; dieses Sprüchwort heißt: inter arma silent leges: zu deutsch: unter den Waffen schweigen die Gesetze – das Militair spielte selbst mit. Das ganze Resultat des Parlamentsbeschlusses war, daß das öffentliche Spiel sich in einen Saal zurückzog, der die Aufschrift trug: Privat-Cirkel.

Mit dem Jahre 1850 aber wurde wieder ganz öffentlich gespielt, und man ging jetzt sogar so weit, daß man dem Palament einen Vorwurf daraus machte, bestehende Verträge einseitig aufzuheben, und namentlich dem Justizminister das Recht absprach, verbriefte Rechte so wenig anzuerkennen.

Mit dem Parlament aber hätten die Spielbanken sich von selbst zur Ruhe begeben müssen, denn mit dem Parlamente war Deutschland kein Staatenbund mehr, sondern ein Bundesstaat, und die ängstliche Fürsorge, die die betreffende Regierung ihrem eigenen Lande durch das Verbot des Spieles zu Theil werden ließ, diese Wohlthat mußte sich auf alle Länder erstrecken, deren Vertreter im Parlament saßen, weil unter solchen Verhältnissen es keinen deutschen Ausländer mehr gab.

Die öffentliche Meinung, die wiederholt in der Presse gegen das wiedererstandene Uebel Lärm machte, wollte man mit der hergebrachten Gewohnheit beschwichtigen und brachte als Rechtfertigung, daß nur solche Bäder in der Blüthe sich befänden, wo auch Spielbanken wären, weil nur diese die Mittel hätten, den Badegästen sonstige Vergnügungen zu bieten. Man hat schon zu viel darüber geklagt, daß vorzugsweise nur in den Bädern gespielt wird, um nur noch ein Wort darüber zu verlieren. Ist es aber nicht höchst traurig, daß die Heilörter nur von dem Unheile leben können? Denn daß die Spiele des Unheils sicher mehr gebracht als die Quellen der Heilörter vielleicht jemals Heilung, darüber besteht gar kein Zweifel. Die Gleichgültigkeit, mit der man die Sache geschehen ließ, stammt vielleicht noch aus der Zeit des durch erschwerte Verkehrsmittel sehr theuren Reisens, wo die Bäder entweder nur von wirklichen Kranken aus Noth oder von Reichen aus Uebermuth besucht wurden. Solche Leute konnten viel Geld verlieren, und um sie und um ihre Verluste brauchte man sich nicht zu kümmern. Jetzt aber ist das Uebel viel verderblicher und gefährlicher geworden, denn seit den Eisenbahnen kommen Badegäste aus allen Schichten der Gesellschaft, und diese armen Leute kommen um so argloser, weil die Spieler ihre Plätze ganz harmlos als den Sitz der edelsten Vergnügen empfehlen, wodurch sowohl der Gast als die Kunst corrumpirt wird. Ja, daß die Bäder gerade durch ihr vermeintliches Gute am meisten schaden, davon hoffen wir unsere Leser in einem längeren Artikel zu überzeugen.




Die Fahnenparade des deutschen Jäger-Regiments in New-York. Eines der schönsten Regimenter der nordamerikanischen Armee, das unter den Auspicien des aus den Revolutionskämpfen von 49 bekannten Herrn Blenker in New-York sich gebildet hat und von der Ver. Staaten-Regierung bereits acceptirt wurde, ist das unter der Nummer 8 in das Kriegsheer eingereihte deutsche Jäger-Regiment. Dasselbe nahm am 20. Mai, nachdem es sich auf dem herrlichen Platze vor der City-Hall New-Yorks aufgestellt hatte, drei schöne Banner entgegen. Das erste ward ihm durch die Frau des durch große Gemeinnützigkeit bekannten Herrn Belmont dargebracht; das zweite überreichte Mr. Daily den muthigen Kriegern im Namen der Abkömmlinge der ersten deutschen Ansiedler von New York; das dritte, die schwarz-roth-goldene Fahne, übergab Frau Amalie Struve dem Regiment als Geschenk der deutschen Frauen. Frau Struve sprach dabei einige begeisternde Worte, die der edlen Patriotin aus dem Herzen quollen, und die Jäger begrüßten das Banner ihrer Heimath mit dem lautesten Enthusiasmus. Während der Fahnenweihe wurden von den Herrn Belmont, Daily, Oberst Blenker, Oberstlieutenant Stahel, General Sandford und Gustav Struve kurze Reden gehalten. Letzterer trat als Krieger in die Reihen des Regiments, welches den Schriftsteller und Historiker dadurch zu ehren wußte, daß es ihn als „Ehren-Capitain“ aufnahm. Das Jäger-Regiment zählt etwa 1000 Mann, ist aus schönen, meistentheils militairisch gebildeten Leuten zusammengesetzt und zeichnet sich in seinem Aeußeren durch eine exakte Haltung sowohl, wie durch eine einfache, aber außerordentlich geschmackvolle Uniform aus. Seine Officiere haben fast alle in Baden oder Schleswig-Holstein gefochten. Das Aufsehen, welches das Jägerregiment besonders unter den Amerikanern erregt hat, ist groß. Alle englischen Blätter sind voll seinen Lobes. Am 27., nach empfangener Marschordre, ging es in’s große Heerlager nach Washington ab; die Krieger zogen alle fröhlichen Muthes ihren ernsten Kriegspfad dahin und bildeten mit ihren heitern Mienen einen Contrast gegen die zugleich mit ihnen hinwegziehenden Amerikaner des zweiten Regiments, die alle ernst und schweigend die Bahn betraten. Hunderte von den deutschen Bürgern New-Yorks gaben dem Jäger-Regiment das Geleite. Viele Gesangvereine marschirten an der Spitze des Zugs voran und trennten sich erst am Bahnhof von den Kämpfern für’s neue Vaterland. M. F. 




Eiserne Vogelnester. In einer kürzlich stattgehabten Sitzung der literarisch-philosophischen Gesellschaft zu Sheffield wurde ein interessantes Factum mitgetheilt. Ueber dem Ende einer Schmiede befindet sich ein roher Verschlag mit Kasten, in welchem eine Anzahl Tauben ihre Wohnung aufgeschlagen haben. Aus ihren Nestern nahm man eine große Menge Hufeisennägel, welche die Tauben aus Säcken und Kasten, in denen sie, alt und neu, krumm und gerade, aufbewahrt sind, genommen hatten. Die Nägel waren mit einer gewissen Kunst arrangirt und die Spitzen nach unten gelegt, aber nichts Weicheres oder Wärmeres war hineingemischt. Das ist um so seltsamer, als Material wie Stroh, Heu, Hobelspäne etc. genug umherlag. Auf dieses eiserne Bett hatten die Tauben ihre Eier gelegt, die gerade zum Ausbrüten bereit waren, als die Entdeckunq gemacht wurde. Die aus den Nestern genommenen Nägel füllten ein zwei Gallonen haltendes Gefäß, und die aus einem Nest wogen mehr als einen Stein. Die Eier zerbrachen. Die Tauben sind die gewöhnlichen, doch einige von ihnen sind mit Brieftauben gekreuzt.




Lebenskraft der Pferde. Man hat kürzlich in Frankreich einige Versuche angestellt, zu erfahren, wie lange Pferde unter besonderen Umständen, z. B. in belagerten Festungen, ohne Futter würden leben können. Man hat dadurch folgende Resultate erlangt: Ein Pferd kann fünfundzwanzig Tage ohne feste Nahrung leben, wenn es nichts als Wasser trinkt. Es kann nur fünf Tage leben, wenn es feste Nahrung, aber nichts zu trinken hat. Hat es zehn Tage lang festes Futter, aber ungenügend Wasser erhalten, so ist der Magen abgenutzt. Diese Facta zeigen die Wichtigkeit des Wassers in der Erhaltung der Pferde und wie dieselben danach verlangen müssen. Ein Pferd, dem man drei Tage kein Wasser gegeben hatte, trank elf Gallonen (gegen neunzig Schoppen) in drei Minuten.





 An ?

Du bist so tief, so unergründlich
Und wie ein Räthsel deutungsvoll,
Bald weich und mild, bald unempfindlich.
Bewegt von Liebe oder Groll.

Du bist so schön, wenn Du begehrend
Im Auge Liebesflammen trägst,
Und schöner noch, wenn Du gewährend
Die seid’ne Wimper niederschlägst.

Du bist so wild in Deinem Feuer,
So stürmisch, sonder Rast und Ruh’,
Und doch ist Keine, Keine treuer,
Und Keine züchtiger wie Du.

Du bist so hold, so sanft und innig,
Wenn Du zum Kuß herab mich ziehst,
Und doch so kalt, so eigensinnig,
Wenn zürnend Du von hinnen fliehst.

Du bist so still, von Leid getroffen,
So düster und so marmorbleich,
Doch in der Freude warm und offen,
Der aufgeblühten Rose gleich.

Du bist so fromm wie eine Taube
Und doch dabei so schlangenklug,
Das schönste Räthsel, wie ich glaube,
Das je die dunkle Erde trug.

Und weil Du just so unverständlich
Und doch so offen bist und klar,
Ist meine Liebe so unendlich,
So tief, so heilig und so wahr.

 Hermann Flachsland.



Für die Abgebrannten in Glarus

gingen im Laufe der letzten 14 Tage wieder bei mir ein: Gensel in Grimma 1 Thlr. – H. K. in Celle 1 Thlr. – Von dem französischen Handschuhmacher in Arnstadt 3 Thlr. – Z. aus Langensalza 1 Thlr. – F. W. G. sen. 2 Thlr. – O. E. F. in Glauchau 2 Thlr. – G. T. in Cöslin 1 Thlr. – Ein Mitarbeiter der Gartenlaube 3 Thlr. – A. H. in S. 2 Thlr. – G. B. Kühn in Nohra 1 Thlr. – Amalia R. in Berlin 1 Thlr. – Erlös einer Sendung Bücher aus Harzgerode 2 Thlr.

 Leipzig, den 28. Juni 1861. Ernst Keil. 


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 448. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_448.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)