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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

ich wollte hier die gerichtlichen Differenzen mit Herrn von Döring abwarten, die sich aber leider so in die Länge ziehen, daß ich ihr Ende wohl nicht mehr erleben werde. Von wenigen mir treu gebliebenen Freunden gedrängt, will ich nun anfangen, etwas für meine tieferschütterte Gesundheit zu thun, und, nachdem ich hier eine Molkencur beendigt haben werde, nach dem nahen Seebade Heringsdorf gehen und dann im Herbst am Rhein eine Traubencur gebrauchen. Für den Winter suche ich nach einem stillen, bescheidenen Orte, wo ich vielleicht mit einigen treu gesinnten Seelen zusammen leben könnte, die die Mühe nicht scheuen, mich etwas wieder aufzurichten und meinen ganz erstorbenen Muth neu zu beleben. Noch habe ich keine Wahl getroffen, da sie keine leichte Aufgabe ist. Berlin ist mir durch meinen jetzigen Aufenthalt unerträglicher als je; Dresden durch die Erinnerung auf immer verleidet; Weimar, Coburg, Gotha nur im Sommer erträglich. Wo also hin? In eine große Stadt mag ich nicht – kann ich nicht, denn meine pecuniären Verhältnisse gebieten mir die größte Einschränkung, da Herr von Döring Alles, was ich mein nannte, für sein Eigenthum erklärt hat. Gott mag also wissen, wohin mich das Schicksal noch schleudern wird; doch was ist an mir gelegen?“




Blätter und Blüthen.

Das Auswachsen des Getreides. Die so ganz abnormen Witterungsverhältnisse des vorigen Jahres haben auf das glückliche Einbringen des Getreides in sehr vielen Gegenden einen höchst nachtheiligen Einfluß ausgeübt. Die fortdauernde Nässe des Bodens ließ einestheils ein rechtzeitiges Schneiden der Feldfrüchte nicht zu, anderntheils verhinderte die Feuchtigkeit der Atmosphäre ein völliges Trockenwerden, und die Folge dieser mißlichen Umstände war, daß in den Körnern chemische Umwandlungen vor sich gingen, die ihren Werth als Nahrungsmittel herabsetzen mußten.

Das Getreide fing an auszuwachsen, das heißt, die kaum gereiften Körner einwickelten schon eine selbstständige Lebensthätigkeit, sie keimten. Mit dem Keimen ist nun aber eine Veränderung der innern Eigenschaften der Körnerbestandtheile derartig verbunden, daß das Stärkemehl sowohl als der Kleber sich in Stoffe verwandeln, von denen der Keim und die daraus sich entwickelnde junge Pflanze zu leben, und aus denen sie ihre ersten Organe herzustellen im Stande ist. Diese Stoffe müssen daher vor allen Dingen löslicher Natur sein, damit sie sich in den Gefäßen ausbreiten können. Aus dem Stärkemehl entstehen zuckerartige Verbindungen, und diese geben den jungen Trieben der Pflanzen, sowie den Keimen jenen süßen Geschmack, der uns die ersten Gaben des Frühlings so angenehm macht.

Der Kleber, eine unter gewöhnlichen Verhältnissen im Wasser unlösliche Verbindung, wird ebenfalls in eine Form übergeführt, welche den Zellen seine Aufnahme gestattet. Er wird flüssig gemacht, und zu dieser Umwandlung wirken sowohl Wärme, Luft und Feuchtigkeit, als noch unerforschte Agentien im Innern der Pflanze zusammen. Der Kleber ist der Stickstofflieferant, und als solcher auch uns in den Körnern, welche wir zu unsrer Nahrung verwenden, ganz besonders werthvoll. Ohne ihn würden wir nicht im Stande sein, ein gesundes Brod zu backen, denn seine plastische Eigenschaft, die den Teig zu einer zusammenhängenden zähen Masse macht, ist Ursache, daß wir aus dem Mehle ein lockeres poröses Gebäck herzustellen im Stande sind, weil dadurch der Teig die Gasblasen, die sich beim sogenannten „Aufgehen“ in Folge eines eigenthümlichen Gährungsprocesses entwickeln, zusammenhält, sich durch dieselben aufbläht und der ganzen Teigmasse eine ungemein große Oberfläche giebt, welche den Einwirkungen des Magensaftes Vorschub leistet, also leicht verdaulich ist.

Diese wichtige Eigenschaft verliert der Kleber aber beim Keimen vollständig oder doch zum größten Theil, je nachdem der Proceß mehr oder weniger weit vorgeschritten ist. Er verwandelt sich in einen Schleim, der sich mit den wäßrigen Bestandtheilen vereinigen kann und an der Bildung neuer Organe Theil nimmt. Man kann ihn in diesem Zustande durch Wasser aus dem Mehle ausziehen, und macht davon in der Bierbrauerei wirklich Anwendung, indem man der Gerste die Bedingungen einer raschen Keimung darbietet, um die Stärke theilweise in Zucker überzuführen, den nahrhaften Kleber aber löslich zu machen und dem Biere einverleiben zu können. Das Malz ist eine solche in einem gewissen Stadium des Keimens unterbrochene Gerste.

Das ausgewachsene Getreide verbäckt sich daher nicht mehr ohne Weiteres zu einem lockern Brode, weil in ihm der Kleber die plastische Eigenschaft verloren hat und mehr oder weniger in jenen löslichen Schleim übergegangen ist, der beim Backen auseinandergeht und, statt ein poröses, mürbes Gebäck zu geben, eine feste, schliffige, nasse Masse liefert, die für den Magen ganz unverdaulich ist. Er ist in der That in diesem Zustande derjenige Bestandtheil, welcher den Werth des Mehles ungemein erniedrigt.

Wir glauben daher, weil auch in diesem Jahre aus einigen Gegenden uns Klagen über das Auswachsen des Getreides zugehn, unsern Lesern einen Dienst zu erweisen, wenn wir ihnen ein Mittel an die Hand geben, aus ausgewachsenem Getreide sich doch noch ein gesundes, wohlschmeckendes Brod bereiten zu können. Es besteht dies darin, daß man den Kleber aus seinem schleimigen Zustande wieder in die frühere plastische, unlösliche Form zu bringen sucht. Wenn man den umgewandelten Kleber mit gewissen Salzlösungen, als kohlensaurem Natron (Soda), kohlensaurem Kali (Pottasche), Kochsalz und ähnlichen behandelt, so giebt er seine Löslichkeit auf. Er wird auf’s Neue zähe und plastisch und gewinnt alle seine früheren Eigenschaften wieder. Setzt man daher dem Mehle, woraus man Brod backen will, etwas von den genannten Salzen (und unter ihnen würde sich das Kochsalz am besten zu diesem Zwecke eignen) zu, so wird der Teig durch die in Folge der Säuerung sich entwickelnden Luftarten sich aufblähen lassen, weil er durch den wieder unlöslich gewordenen Kleber Zusammenhang gewonnen hat, als ob er aus Mehl von gesunden Körnern bereitet wäre, das Brod wird locker und porös werden.

In dieser Beziehung angestellte Versuche haben ergeben, daß ein Zusatz von zwei Loth Kochsalz für je drei Pfund Mehl aus ausgewachsenem Getreide ein ganz ausgezeichnetes Brod lieferte, das nicht nur vollständig leicht verdaulich und höchst wohlschmeckend war, sondern das sich auch wochenlang in Räumen aufbewahren ließ, welche durchaus nicht die günstigsten Bedingungen der Erhaltung erfüllten, und das trotzdem frei von Schimmel und völlig genießbar blieb.

Das Salz wird in dem Einteigewasser aufgelöst und der Teig ganz in derselben Weise wie der von gesundem Mehle behandelt. Der Geschmack des Brodes wird durch den Zusatz eher verbessert; kurz das Mittel ist seiner Einfachheit und seiner Wirksamkeit wegen so ausgezeichnet, daß wir es für unsre Pflicht halten, diejenigen unserer Leser daraus aufmerksam zu machen, welche fern von den Kreuzungspunkten der Intelligenz erst nach langen Jahren der Erfolge der Wissenschaft und Technik durch zufällige Uebermittelung theilhaftig werden, und von denen Viele sorgenvoll an die Verwendung ihrer vielleicht bescheidenen Ernte denken.




Eine photographische Druckmaschine. Eine Lyoner Zeitung kündigt die Ankunft einer solchen Maschine aus Amerika an, welche in einer Stunde 4000 Photographien von einem einzigen negativen Bilde drucken kann. Das gebrauchte Papier soll mit Gelatin präparirt und mit Silber-Jodin getränkt sein, dem andre Substanzen beigemengt sind, welche es äußerst empfindlich machen. Es wird auf einen Cylinder gerollt und durch ein Uhrwerk in der Weise abgewickelt, daß jeder Theil etwa eine Secunde dem Negativ gegenüber bleibt, welches, während das Papier sich abwickelt, durch dieselbe Maschinerie mit einem Deckel verdeckt wird. Die Sonnenstrahlen sind durch eine kräftige Linse auf dem Original concentrirt. Vermittelst dieser Maschine kann man die Abdrücke für einen Sou das Stück liefern.




Kleiner Briefkasten.

Blg. in Hbg. Gönnen Sie dem Londoner „Punch“ das billige Vergnügen, die Verdienste Blücher’s in’s Lächerliche zu ziehen – die Weltgeschichte spricht deshalb doch das letzte Wort! Als die zarten englischen Ladies dem Marschall Vorwärts bei seiner Ankunft in London die Hände dermaßen beleckten, daß er schließlich durch Ueberziehen wildlederner Handschuhe sich vor den Zärtlichkeiten seiner Anbeterinnen zu retten suchte, als die ganze englische Presse den alten Helden als den Retter Englands und Besieger Napoleon’s pries, wer sprach damals von „Zweiter Hand Lorbeern“? Die Unverschämtheit der englischen Presse bleibt sich stets gleich.

M. in O–n. Das Manuskript Ihres Herrn Gemahls, Mitglied der preußischen Expedition, ist uns aus Hongkong mit Postgelegenheit zugegangen. Der Brief kostet nicht weniger als 4 Thlr. 16 Ngr. Porto. Ob wir den Beitrag zur Aufnahme bringen können, ist noch sehr die Frage.

S. S. in Frkf. „Komm doch zur Ruh’, bewegt Gemüth!“ Das Schützenfest in Gotha wird nächstens schon durch Text und Bild zur Darstellung kommen. Die Ausführung guter Zeichnungen und Holzschnitte nimmt viel Zeit weg, und da bei der großen Auflage zur Druckherstellung einer Nummer außerdem drei Wochen erforderlich sind, so dürfte es Ihnen begreiflich werden, daß die gewünschten Schilderungen und Illustrationen nicht gut vor Mitte August erscheinen können. Der Name des Künstlers, Professor Schneider in Gotha (der Maler des Barbarossa an dem Gabentempel) bürgt übrigens für die Wahrheit und malerische Ausführung unsrer Illustrationen. – Auch das Nürnberger Sängerfest wird Anfang September in unsrer Zeitschrift durch Text und Illustrationen gefeiert werden.

F. R. in S. Wir selbst kennen den Luc. Herbert’schen Roman „Louis Napoleon“ gar nicht und müssen Sie auf das Prutz’sche Museum verweisen. Prutz nennt das Buch „echtes Leihbibliothekenfutter, von dem sich jeder Gebildete mit Unlust abwenden müsse.“ Sie werden also das Opus wohl in einer benachbarten Leihhibliothek finden und sich selbst ein Urtheil bilden können.

R. S. in T. Ihre Mittheilung stimmt mit einer andern, die wir direct aus Stanz erhalten. Man schreibt uns von dort: „Noch lange werden die Maidli des Vierwaldstädter Sees sich der hübschen schlanken Söhne Norddeutschlands erinnern. Um Verwechselungen vorzubeugen, wurde der eine der Bremer Schützen, die besonders auffielen, „der ganz Große“ und ein anderer „der ganz Schöne“ genannt. Die Uebrigen rangirten unter dem Namen: „die nicht so gar Großen“.“

Br. in Tr. Werden nächstens Ihren Wunsch erfüllen und eine Berichtigung des angezogenen Artikels geben.

K. in L. Danken herzlich für den liebenswürdigen Brief. Ihre weiteren Zusendungen erwarten wir und werden sofort entscheiden.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 512. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_512.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)