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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

einer bloßen Besprechung lag, an derselben den lebhaftesten Antheil, indem er für das Programm des Ausschusses von Gotha in die Schranken trat. Seine glänzende Begabung zeigte sich dabei im hellsten Lichte; mit frisch lebendiger Auffassung und Darstellung verband er die schärfste Kritik und eine Kraft der Dialektik und Analyse, die Jedermann in Staunen setzte; ein solcher Fürst, mußten wir uns sagen, läuft keine Gefahr, sein Ansehen auf’s Spiel zu setzen, wenn er sich dem gemeinen Manne gleichstellt. Ihm gegenüber vermochte denn auch keine andere Ansicht Stand zu halten, und es wurde beschlossen, der Versammlung am Donnerstage nur die Gründung eines Schützenbundes und die Bestellung eines Ausschusses zur Ausführung vorzuschlagen.

Der Herzog selbst eröffnete auch diese Versammlung mit einer meisterhaften Rede, die mit Recht durch alle Zeitungen gelaufen ist. Nachdem er den Schützen, die der Einladung gefolgt waren, in lebendigen Worten gedankt hatte, sagte er: die Zeit, in Worten allein zu glänzen, sei vorüber, das deutsche Volk verlange Thaten zu seiner Kräftigung und Einigung, man spreche von Gefahren, die dem Vaterlande drohen, aber es gebe keine Gefahren, wenn ein Volk stark und einig sei. „Auch wir Schützen,“ sprach er, „haben Veraltetes schwinden zu lassen und mit dem Alles bewegenden Geiste der Zeit vorwärts zu schreiten. Lassen Sie uns vergessen, wo unsere Wiegen stehen, ob im Norden oder Süden, ob im Osten oder Westen Deutschlands; lassen Sie uns einen großen, gemeinsamen, deutschen Schützenbund gründen, einmal, um gemeinsame Normen zu finden für die größern und kleinern Schützenfeste, eine gemeinsame Schützenordnung; zum andern Mal, um die ganze Schaar des großen Bundes der bewaffneten und gut geschulten Jugend gleichsam als eine Reserve der Armee an die Seite zu stellen.“ Er schloß mit der Aufforderung, sich zur Erklärung der Uebereinstimmung zu erheben. Begeistert folgte die ganze Versammlung, die schon vorher während der Rede öfters in Beifallsruf ausgebrochen war, unter lautem Jubel. Der Herzog erklärte den Schützenbund hiermit gegründet und schlug vor, eine der Städte Frankfurt, Bremen und Gotha mit der Leitung der Verhandlung der Versammlung zu beauftragen. Aber v. Heyman aus Bremen trug darauf an, den Herzog um Uebernahme des Präsidiums zu ersuchen, und die Versammlung trat einstimmig bei. Der Herzog nahm den Vorsitz an, indem er die förmliche Leitung der Debatte dem ersten Vorsitzenden des Ausschusses von Gotha, Ministerialrath Braun, übertrug. Der zweite Vorsitzende dieses Ausschusses, Staatsanwalt Sterzing, entwickelte hieraus die Vorschläge desselben im Wesentlichen dahin, daß ein Ausschuß zur Ausführung des eben beschlossenen Schützenbundes gewählt und mit dem Entwurf einer Schützenordnung und der Vorbereitung und Leitung des nächsten deutschen Schützenfestes beauftragt werde. Mehrere Redner wünschten schon jetzt specielle Bestimmungen zu treffen und dabei das Hauptgewicht auf die deutsche Wehrverfassung zu legen; v. Kolb aus Rendsburg verlangte dagegen energisch in durchschlagenden Worten Unterordnung unter den gewählten Führer (den Herzog), einen besseren gebe es nicht, und der Herzog selbst empfahl, das nächste Ziel einzuhalten und nur in allgemeinen Grundzügen festzustellen, den Ausschuß aber aus den Ausschüssen der Städte Frankfurt a. M., Bremen und Gotha zu bilden. Nach einigen Verhandlungen wurden die Anträge des Festausschusses und der Vorschlag des Herzogs angenommen, dann setzte die Versammlung noch den Beitrag jedes dem Schützenbunde beitretenden Mitgliedes zur Bestreitung der Kosten auf 5 Groschen fest und ermächtigte den Ausschuß, sich auch mit Gründung einer Schützenzeitung zu beschäftigen. Als der Herzog hierauf den Schützentag für geschlossen erklärte, scholl ihn, abermals vielfacher Zuruf entgegen.

Zu der That, er hatte sich wohl um die Sache verdient gemacht. Denn es ist ein bedeutendes Werk, dieser Bund der deutschen Schützen; er wird im Frieden mit heiteren Festen alle Stämme Deutschlands vereinigen und aneinander ketten und die Idee nationaler Gemeinschaft unaustilgbar in einem Jeden befestigen, zugleich aber die Möglichkeit geben, daß im Kriege „gleichsam eine Reserve“, ein Landsturm bewaffneter Bürger, der Armee, an die Seite tritt. Und gerade daß der Bund nur in dieser Form, in dieser Beschränkung gegründet worden ist, gerade dies sichert sein Bestehen und Wachsthum und seine Bedeutung. Daß er aber in dieser Form und trotz der verschiedenen Ansichten so einmüthig, unter so großer Theilnahme zu Stande gekommen ist, daran hat die persönliche Mitwirkung des Herzogs Ernst den stärksten Antheil.

In Gotha’s Nachbarschaft, in Langensalza, wurde vor etwas länger als drei Jahrhunderten, im Jahre 1556, ein „Luftschießen“ mit Armbrusten und „Feuerröhren“ gehalten, dem viele Schützen aus allen Ständen, zum Theil aus weiten Entfernungen, z. B. aus Kassel und Leipzig, beiwohnten. Es war das Jahr, nachdem der Reichstag zu Augsburg die neue Confession anerkannt hatte, man feierte damals Religionsfrieden und Religionsfreiheit, und das Fest war, wie der Chronist im classischen Style des 16. Jahrhunderts mit ausdrucksvollen Worten berichtet, „ein Fest der Friedlichkeit und Genügsamkeit und treuherzigen Freudigkeit.“

Nicht so wie jene Schützen konnten wir auf Lorbeeren ausruhen, nicht so harmlos war das Fest von Gotha. Immer klang in die Freude herein die deutsche Noth. Aber daraus entsprang auch die Weihe des Festes, seine ernste Haltung, die Stimmung begeisterter Opferbereitschaft. Und diese Stimmung, diese Weihe wird Keinen verlassen, der mit in Gotha war, Jeder wird sie hinaustragen und weiter verbreiten. Durch die gemeinsame Sprache sind wir nur ein Volk, durch die gemeinsame Ehre sind wir eine Nation. Die Ehre Deutschlands war das Banner dieses Festes der Nation, der Gedanke der Festgenossen. Alles dies scheint mir am Treffendsten ausgesprochen in dem Liede eines unbekannt gebliebenen Verfassers, mit welchem die „Schützenfestzeitung“ eröffnet wurde; es lautet:

Nur Tage noch, wir sind am Ziel
Zum friedlich frohen Waffenspiel!
Um uns des Friedens leuchtende Spuren,
Segen der Arbeit, wallende Fluren.
Böller und Büchsen, Humpen und Becher,
Turner und Schützen, Sänger und Zecher
Lobsingen die Freude.

Doch weckt des Freudenschusses Schall
Den fernen ernsten Wiederhall.
Klingt uns der Schuß nicht Mahnung der Schlachten,
Mahnt er uns nicht an tückisches Trachten?
Tapferer Stolz auf edelste Güter,
Heilige Sorge füllt die Gemüther
Zur Weihe der Freude.

Die Freude kommt aus freiem Muth,
Und Freiheit sprießt aus rothem Blut.
Fröhliche Kämpfer, frisch in die Schranken,
Gaben der Welt wir freie Gedanken,
Daß wir dem Namen Ehre bereiten,
Dem Namen der Ehre.

Dem deutschen Namen, der uns ehrt,
Der Freude und der Treue werth!
Freudige Eintracht festlicher Stunde
Halten wir fest zum ewigen Bunde,
Bleiben ihr treu zum Trotz der Verräther,
Bleiben getreu dem Namen der Väter
Im Bunde der Freude.

Auch schlichtes deutsches Bürgerthum
Erglänzt in lichtem Heldenruhm.
Schlug es nicht einstmals reisige Heere?
Herrschte der Kaufmann doch auf dem Meere!
Gab nicht der Wehrmann blutige Streiche?
Bei dem Soldaten ruht seine Leiche
Im Bette der Ehre.

Wohl zieht nicht jeder mit hinaus
In blutig wilden Schlachtengraus.
Mehr als uns selber, unsere Söhne
Geben wir Preis, in Jugend und Schöne,
Unsere Söhne, waffengewandte,
Zeigen die alte, weltenbekannte
Teutonische Kriegswuth.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 543. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_543.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)