Seite:Die Gartenlaube (1861) 576.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

hatten genug für Erlangung ihrer Contracte zahlen müssen, um nicht für theueres Geld das möglichst Schlechte zu liefern. Als einzelnen Factum sei angeführt, daß bei verschiedenen großen Pferdelieferungen, wobei die Regierung 119 bis 125 Dollars pro Stück zahlte, zwischen 50 bis 75 Dollars am Stück profitirt ward und eine Hand voll Geld jede Untersuchung der Brauchbarkeit bei der Ablieferung beseitigte. Die Quartermasters oder Proviantmeister stahlen wie die Raben, was dem Soldaten zukommen sollte, und die „pickings and stealings“ derselben wurden allgemein zur Höhe von 6 – 800 Dollars monatliches Einkommen für jeden Einzelnen angenommen; während dem begann aber durch die entstehende übele Verpflegung, die selbst Russell von der „London Times“ für schlechter erklärte, als er sie je im Krim - Kriege erlebt, eine bösartige Diarrhöe unter den Truppen einzureißen und mehr Leben hinwegzuraffen, als eine Schlacht hätte thun können. Sold ward nicht gezahlt; das Geld war längst dafür vorhanden und angewiesen – aber es wollte den Weg zu dem gemeinen Soldaten nicht finden. Bei der großen Armee ward endlich ein Theil nach 2 ½ Monaten ausbezahlt, viele der Hülfsbedürftigen hatten sich indessen während dieser Zeit ihre Forderungen von dem Zahlmeister mit 25 bis 30 Procent Verlust abkaufen lassen. In Missouri war nach drei Monaten noch kein Cent an die Mannschaften gekommen, und während Alles, was nur die Hand zur Krippe bringen konnte, sich nach dem längst als berechtigt anerkannten Gebrauch die Taschen auf Kosten des entbehrenden Freiwilligen, der für eine große Idee Heimath und Familie verlassen zu haben glaubte, füllte, während das Volk vergebens über die Unthätigkeit seiner Regierung schrie, verstärkte die südliche Armee von Tage zu Tage ihre Stellungen mehr, organisirte die südliche Regierung in voller Ruhe ein Vertheidigungssystem ihres Landes, das einem Einmarsche der nördlichen Truppen auf jedem Schritte tödtliche Hindernisse in den Weg legte. – Was lag aber daran, da die Lincolnsche Regierung nie an einen wirklichen Krieg gedacht, da der Ober-General Scott erklärt hatte, er werde den Süden ohne großes Blutvergießen zur Raison bringen und bedürfe deshalb auch nicht einmal einer Cavallerieforce? Die leitenden Politiker sammt ihrem Anhange machten ihr prächtiges Geschäft, wie die Sachen standen, und als erst die Idee auftauchte, die Armee auf 500,000 Mann zu bringen und 500 Millionen Dollars zu diesem Zwecke aufzunehmen, mußte es als Hauptsache gelten, so lange als möglich in statu quo zu bleiben, um den zu erwartenden Goldstrom ruhig in die rechten Taschen zu leiten.

In der Heimath, welche die Freiwilligen zur „Rettung der Union“ verlassen, waren währenddem überall Tausende und Tausende von Familien ohne Ernährer, einzig der Mildthätigkeit der zurückgebliebenen Bürger überwiesen. Aber nichts erkaltet rascher als eine Mildthätigkeit, die durch einen augenblicklichen Enthusiasmus hervorgerufen worden, und die im Felde befindlichen Männer und Väter müssen hören, wie die heiligen Versprechen ihrer Mitbürger, auf die vertrauend sie fortgezogen, zu nichte geworden, wie ihre Familien darben und betteln gehen, ohne daß die entfernten Versorger die Mittel zum Helfen in die Hände bekommen können. Außerdem sind diesen während der verronnenen Dienstzeit die Augen über die Zwecke dieses Kriegs aufgegangen, sie sehen, während die Südländer jeden Verdächtigen hängen und füsiliren, von ihnen eingebrachte und überführte südliche Spione frei ausgehen, sehen erwiesenen Verrath kaum beachtet und Alles, was südlich heißt, mit vorsichtigster Schonung und Rücksicht behandelt; sie haben ihre eigenen Offiziere kennen gelernt, die nicht die Befähigung, sondern die Parteigunst an ihren Platz gebracht, militärische Ignoranten in den höchsten Stellungen, während die Männer von Kenntniß und Erfahrung bei Seite geschoben werden; sie sehen sich selbst als Opfer hungriger Speculanten, und der einzige Trost bleibt, daß sie nur auf drei Monate sich zum Dienst verpflichtet – durch die ganze Armee beginnt sich bald nur der eine Geist geltend zu machen: „nach Hause! fort aus dem ganzen Schwindel mit der Stunde der Erlösung!“ und in den Regierungskreisen beginnt man einzusehen, daß mit Ablauf der Dienstverpflichtung die Welt das Schauspiel einer auseinander laufenden Armee haben wird, ehe nur nach den gefallenen großen Worten ein einziger Schlag von Bedeutung geschehen ist. „Eine Schlacht, eine gewonnene Schlacht um jeden Preis!“ heißt jetzt die Parole, die Siegesbegeisterung soll die Truppen zu einer neuen Dienstverpflichtung führen – und die Schlacht wird gewagt, gewagt in der Weise, welche das ganze nördliche Kriegswesen bis jetzt bezeichnet. Ohne Frühstück müssen die Freiwilligen vorwärts zum Kampfe, kaum daß ihnen unterwegs gestattet wird, einen Bissen im Fluge zu nehmen. Dennoch gehen diese freudig, da es doch endlich einmal zum Schlagen kommen soll. Aber der commandirende General kennt weder die Stärke des Feindes, noch hat er einen rechten Begriff dessen, was die Leitung einer Schlacht verlangt – bis jetzt war er eben nur Advocat – in der ersten Stunde schon weiß er nichts mehr von der Stellung seiner Truppentheile, jeder ficht auf eigene Faust, ohne Ablösung, ohne Ruhe, ohne Verbindung mit der übrigen Armee, kämpfst lange Stunden bis zur Erschöpfung, und mitten hinein unter die Abgetriebenen, fast Verschmachteten schlägt plötzlich der Ruf: „die Schlacht ist verloren, die Cavallerie im Anrücken; rette sich, wer kann!“ Der Schrecken fährt in die erschöpfte Mannschaft, die Officiere, ohne daß Vertrauen ihrer Untergebenen, sind nicht im Stande, die sich wild auflösenden Glieder zu halten, die letzte Hoffnung auf einen Sieg, um den bis zur Todesmüde gekämpft, um den alle bisherige Enttäuschung vergessen worden, ist dahin, und: „Nach Hause!“ ist daß Losungswort derer, die noch Kraft genug in sich fühlen, nicht auf dem Wege liegen zu bleiben. Die Schlacht bei „Bulls Run“ war nur die Explosion all der faulen Gase, welche die verrotteten politischen Zustände Amerika´s erzeugt, und hat die Ordnung der dortigen Verhältnisse in eine Ferne gerückt, für die sich nirgends ein Maßstab finden läßt. Das wahrscheinlichste Resultat ist bei der offenen Erbitterung und Hartnäckigkeit des Südens in einer Trennung der Landestheile zu suchen, die aber kaum viel Anderes als die gänzliche Auflösung der jetzigen Staatenordnung nach sich ziehen kann.

Wird einmal die Theilbarkeit der Union angenommen, so hat damit selbstverständlich jeder einzelne Staat oder ein Theil desselben das Recht, sich nach Belieben zu trennen – in New-York existirt schon längst das ausgesprochene Gelüst, die Stadt und Umgebung zu einem unabhängigen Gebiete zu machen. Im aristokratischen Süden regen sich mächtig monarchische Gelüste. Frankreich und England betrachten mit scharfem Auge die jetzigen Vorgänge und warten nur ihrer Zeit – läßt sich auch nach keiner Seite hin eine Vorhersagung wagen, so tritt doch Eins dem erfahrenen Beobachter mit voller Sicherheit entgegen: Die Union und die amerikanische Republik stehen an der Grenze ihres kurzen Daseins, und ihre Grabschrift wird sein: „Our Institutions were only an Experiment“, d. h. unsere Staatseinrichtungen waren nur ein Versuch.


Zur Berichtigung. In dem Artikel: „Erinnerungen an Wilhelmine Schröder-Devrient. Von Claire von Glümer. XI.“ in Nr. 32, ist auf Seite 511, Spalte 2, Zeile 39 ein Kammerherr von Dorop in Detmold genannt. Der Name dieses Herrn ist Donop, was wir zu berichtigen bitten.


Für die Familienbibliothek.

In einer guten deutschen Familienbibliothek darf am wenigsten ein Werk fehlen, dessen Haupttendenz in der Verherrlichung deutscher Männer und einer der wichtigsten Episoden deutscher Vergangenheit besteht. Ludwig Storch, allen unsern Lesern bekannt, hat ein solches in seinem besten und berühmtsten Romane:

Ein deutscher Leinweber

geliefert, und wir freuen uns, dem großen vaterländischen Lesepublicum heute anzeigen zu können, daß dieses Werk, welches in der ersten Ausgabe 15 Thaler kostete, jetzt in der bekannten Familienausgabe der Storch’schen Schriften zu dem billigen Preise von 3 Thaler erscheinen wird.

Der ganze Ertrag der Schriften kommt allein dem wackern Verfasser zu Gute.

Der deutsche Leinweber erscheint in 12 Bänden von je 12-15 Bogen. Jeder Band, dessen Preis in der alten Ausgabe 1 ½ Thlr. betrug, kostet nur 7 ½ Neugroschen,

der Bogen also blos 5 Pfennige. Band 1-3 ist bereits erschienen, die folgenden erscheinen in monatlichen Zwischenräumen.

Ernst Keil in Leipzig. 

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. - Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 576. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_576.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)