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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

würdigen nationalen Aufgabe nicht abhänge. Aber zu einer eigentlichen Verfassungsänderung kam es doch nicht; eine dieserhalb niedergesetzte Deputation schlummerte nach Vollendung eines Entwurfs wieder ein. Der nationalen Erhebung folgte eine politische Abgespanntheit; man war hier wie überall im deutschen Vaterlande zufrieden, daß die Fremdherrschaft ein Ende genommen. Smidt aber ließ sich dadurch nicht beirren. Die Kunst des Regierens hatte er vollständig begriffen und aus ihr erkannt, daß dem Staate eine Spitze, die wisse, was sie wolle, Noth thue, und daß darin die erste Bedingung eines gesunden Fortschrittes enthalten sei. Eine systematische Leitung müsse die Zügel straff halten und auf gevatterschaftliche Kannegießerei dürfe nichts gegeben werden. Um dies zu erreichen, müsse der Senat von allen Seiten unbeeinflußt dastehen und fortwährend eingedenk sein, daß die Leitung des Staats in seiner Hand ruhe. So stand denn Smidt fortan als die Spitze der Spitze immer mit wachsamem Auge auf seinem Posten.

Von dieser Zeit an hat manche Idee von weitreichenden Folgen, nachdem sie als trefflich von ihm erkannt worden war, Fleisch und Blut erhalten, und aus kleinen Anfängen ist Großes geworden. So nur eines in die Augen fallenden Beispiels von welthistorischer Bedeutung hier zu erwähnen: die Gründung Bremerhavens. Durch sie kamen Handel und Schifffahrt erst recht in Schwung, und dieser Schwung wirkte wohlthätig auf das ganze Gebiet der Weser zurück. Es lernte sich als einen untrennbaren Organismus fühlen, und die hannoverschen und bremischen Staatsmänner gaben diesem Gefühle in dem Staatsvertrage vom 11. Januar 1827 Ausdruck. Von Jahr zu Jahr steigt die Bedeutung Bremerhavens; es nimmt an Umfang zu; ein Wald von Masten ist auf der Rhede und in den beiden Bassins schon jetzt sichtbar, und wie mag dies erst werden, wenn das Dampfroß eine directe Verbindung mit dem Binnenlande hergestellt hat! – Diese Einwirkung auf die fernere Entwicklung der alten Hansestadt gehört ohne Zweifel zu Smidt’s segensreichsten Thaten.

So war das öffentliche Leben dieses deutschen Mannes und bremischen Patrioten; nicht weniger interessant und wohlthuend ist es, ihn in seinem Privatleben kennen zu lernen. Alles Große ist einfach und schlicht. Auch der große Mann behängt sich nicht mit schillernden Flittern. Smidt war ebenso einfach und schlicht als groß, ein Bürgermeister in des Wortes vollster Bedeutung. Mit Band und Orden hat er sich nie geschleppt; nur die eine Auszeichnung ist ihm geworden, die eines juristischen Doctortitels von der Universität Jena bei Gelegenheit der Elsflether Verhandlungen. Auch die Familientradition Smidt’s ist reich an rührenden Zügen seines einfachen und schlichten Charakters.

Smidt hatte sich am 1. Januar 1798 mit Wilhelmine Rode vermählt, einer Frau im edelsten Sinne des Wortes, ganz dazu geschaffen, dem großen Manne zur Seite zu stehen, und würdig, seine Gefährtin zu sein über die goldene Jahreszahl 50 hinaus. Johann Smidt, Bremens großer Bürgermeister, starb am 7. Mai 1857. Am 11. Mai ward er ebenso schlicht und einfach, als er durch’s Leben gegangen war, zu Grabe getragen, und am 5. November 1860 setzte ihm bremische Dankbarkeit ein Denkmal im großen Saale des Rathhauses. Die Festrede des Bürgermeisters Duckwitz schloß mit folgenden Worten: „So gehet denn heim und führet Eure Kinder und Eure Enkel zu diesem Standbilde und erzählet ihnen, wie der alte schlichte Bürgermeister mit männlicher Würde und länger als ein halbes Jahrhundert gestrebt hat, daß der Name Bremen überall mit Achtung genannt werde, und wie die Quelle seines ganzen Wirkens seine warme Liebe zur Vaterstadt und zum deutschen Vaterlande gewesen ist; und erzählet ihnen ferner, wie der Mann, den die Mächtigen der Erde ehrten, in seinem Familienkreise das Muster aller häuslichen Tugenden war. Lehret daher Eure Kinder und Eure Enkel ein Beispiel und Vorbild zu nehmen an diesem Mann, und nach dem Maße ihrer Kräfte zu thun, wie er gethan hat, auf daß auch sie in ferner Zukunft bereit seien, ihr Alles zu setzen an ihres Bremens Ehre!“ –




Vorlesungen über nützliche, verkannte und verleumdete Thiere.
Von Carl Vogt in Genf.
Nr. 4.
(Schluß.)
Die Milben – Ihr Vorkommen auf den Nahrungsmitteln – Die Käsemilbe – Die Webermilbe – Der Weberknecht – Die Spinnen – Gewebespinnen und Jagd- oder Wolfsspinnen – Grausamkeit denselben – Die Tarantel – Die Sage von den Folgen ihres Bisses – Ihre Wohnungen und ihr Fang.

Kehren wir aber zu unserem eigentlichen Gegenstande zurück.

Da haben wir denn eine Menge von Milben, die alle der Krätzmilbe mehr oder weniger ähnlich sehen und die auf unseren Vorräthen mancherlei Verwüstungen anrichten, ja selbst zum Theil nicht ungern gesehen werden, da man sie gewissermaßen als Beweise für die Güte der Waare ansieht. Alter Käse zerfällt nach und nach in Staub. Betrachtet man den Staub näher mit einer Lupe, so wimmelt es darin von unzähligen kleinen, achtfüßigen Milben, die den Käse nach und nach so aufzehren, daß nur sie selbst mit ihren abgelegten Hautbälgen und ihrem Unrathe übrig bleiben. Das ist aber gerade die rechte Höhe, und kein Feinschmecker würde billigen, daß man ihm alten Roquefort ohne dieses Milbenpulver vorsetzte. Es ist in der That die Käsemilbe (Acarus siro), die schon dem alten Linné bekannt war, welche diesen Unfug anrichtet. Auf gedörrten Zwetschen und Pflaumen von Bordeaux, auf Feigen und Datteln zeigt sich ein weißlicher oder gelblicher Anflug, der die Güte der Waare bekundet; denn es ist ja nach der Meinung der verständigen Hausfrauen ausgeblühter Zucker. Die Lupe zerlegt auch diesen Anflug in kleine Milben, welche sich allerdings von dem Zucker der getrockneten Früchte nähren. In altem Brod, in Mehl, an Rosinen, an allen modernden Stoffen finden sich verschiedene Milbenarten, die man erst bei genauerer Untersuchung erkennt.

Die kleine grünliche Webermilbe oder Pflanzenspinne (Trombidium telarium) treibt auf Linden und Bohnen, sowie in unseren Gewächshäusern und Mistbeeten mancherlei Unfug. Sie legt sich auf der Unterseite der Blätter äußerst feine, seidenartige Gespinste an, wahre Nester, in welchen Tausende dieser Thiere wimmeln und den grünen Saft so aussaugen, daß die Blätter welken und abfallen, die Pflanzen kränkeln und zu Grunde gehen. Doch entwickeln sie sich nur bei trockenem, heißem Wetter und lassen sich leicht schon durch häufiges Bespritzen mit kaltem Wasser entfernen.

Von besonderem Nutzen sind dagegen außer den eigentlichen Spinnen die sogenannten Weberknechte oder Kanker (Phalangium opilio), diese sonderbaren Krakehler, welche auf ihren unendlich langen Beinen einen kurzen, fast kugeligen Leib schwankend einhertragen und bei der leisesten Berührung die langen Stelzenbeine fahren lassen, die sich geraume Zeit hindurch noch zuckend bewegen. Es sind nächtliche Thiere, die Tags über sich gern in ein Versteck drücken, Nachts aber überall umherklettern und hauptsächlich die Stubenfliegen überfallen, welche sie aussaugen.

Sehen wir uns bei den eigentlichen Spinnen um, die in zwei Abtheilungen zerfallen, die Gewebespinnen, die ein künstliches Gewebe zum Fangen der fliegenden Insecten anfertigen, das bei jeder Art seine ganz specielle Form und Größe hat, und die Jagd- oder Wolfsspinnen, welche kein solches Gewebe verfertigen, sondern höchstens irgend ein Versteck sich anlegen, aus welchem sie sich auf ihre lebende Beute stürzen. Alle Spinnen besitzen große, hakige Kinnladen, die in ähnlicher Weise wie die Giftzähne der Schlangen durchbohrt sind und mit einem Giftbläschen in Verbindung stehen. Diese scharfen Haken schlagen sie in den Leib ihres Opfers ein, das fast augenblicklich durch den Einfluß des Giftes gelähmt und getödtet wird; dann saugen sie das Innere auf und lassen den leeren Balg fallen. Grausam und unersättlich tödten die Spinnen alles, was in ihr Bereich kommt; ja sogar die schwächeren Thiere ihrer eigenen Gattung, und was sie nicht gerade zur augenblicklichen Nahrung bedürfen, spinnen sie

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 583. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_583.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)