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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

sagen das Leben behaglich, – und aus allem diesem folgt dann, daß sie im Stande und gewillt sind, für ihn zu arbeiten mit aller Vollkraft, wenn es gilt, gleich wie die Arbeiter eines Fabrikherrn, der für ihr Wohlsein väterlich sorgt. Man muß Dzierzon’s unausgesetzte Ueberwachung seiner kleinen Lieblinge selbst gesehen haben, um ein vollständiges Bild zu haben von dem Bienenvater, wie er sein soll. Ihm entgeht nichts, was etwa an den Stöcken zu thun oder abzuändern ist, wo ihnen Schutz vor Schlagregen oder sengendem Sonnenstich und dergleichen noth thut, und jedes Bienchen, das er ermatten sieht, wird von ihm zart aufgenommen und zu seiner Wohnung gebracht. An kühlen Morgen trägt er ein Weiselhäuschen bei sich, in welchen er erstarrte Bienen von der Erde aufliest und das er, um sie zu erwärmen, an seinem Leibe verwahrt. Seine derartige Thätigkeit ist aber keine geringe, da er außer seinem Bienenstande in Karlsmarkt noch mehrere Bienenstände besitzt und alle mit gleichem Eifer selbst beaufsichtigt. Und bei der Beaufsichtigung nimmt er auch Hammer und Säge, Bohrer und Zange zur Hand und bessert und reparirt an den Stöcken und Geräthen wie der geschickteste Handwerksmann.

So wie Dzierzon die Bienenzucht betreibt und wie sie betrieben werden muß, kann man sie in Wahrheit die Poesie der Landwirthschaft nennen. Wo Bäume und Blumen sind, meint Dzierzon, da sollten auch Bienen sein, um jedes solche landschaftliche Bild zu beleben. Gewiß hat er auch mit seiner Behauptung Recht, daß Umgang mit Bienen den Menschen veredle, ihn zur Ordnung und zum Fleiß anrege und ihn von schlechter Unterhaltung abziehe. Aber abgesehen von dieser immerhin beachtenswerthen poetischeren Seite hat die Bienenzucht einen überaus großen materiellen Werth. Zuerst wird durch sie in unglaublicher Weise die Fruchtbarkeit eines Landes erhöht, indem der Blüthenstaub durch die Bienen gleichmäßiger und anhaltender als durch Winde vertheilt und ausgebreitet wird. Dann aber sind Honig und Wachs so geldwerthe und gesuchte Artikel, daß durch ihre allgemeinere Erzeugung der Nationalreichthum bedeutend erhöht wird, indem ein guter Stock in einem Tage 10 Pfund Honig einträgt und entsprechend Wachs bereitet. Dabei ist zu beachten, daß ein solcher Ertrag reiner Gewinn ist, da man die Bienen nicht wie andere Hausthiere durch Futter zu unterhalten hat.

Scharfsinn und Beobachtungsgabe sind zwei Eigenschaften, die Dzierzon in so hohem Grade wie nur wenige Andere besitzt. Durch sie ist er in das vielfach so geheimnißvolle Bienenleben tiefer als irgend Jemand vor ihm eingedrungen, ja so tief, daß kaum noch Wesentliches darüber zu erforschen übrig geblieben sein dürfte. Er hat diese Eigenschaften zur Ueberraschung der Naturforscher gleich bei seinem ersten öffentlichen Auftreten documentirt, als er seine großen Entdeckungen kund gab: daß die Bienenkönigin nur einmal für ihr ganzes Leben befruchtet werde, und daß sie die einzige eierlegende Mutter im Stocke sei. Jemehr diese beiden Entdeckungen zuerst von vielen Seiten angezweifelt wurden, desto glänzender war Dzierzon’s Ruhm, als er unumstößlich deren Wahrheit durch diejenige oberitalienische Bienenart nachwies, welche von gelber Farbe ist und die schon Virgil besungen hat. Dzierzon führte diese Bienenart im Jahre 1853 bei uns ein, und die aus Italien erhaltene gelbe Königin erzeugte auch unter den deutschen schwarzen Männchen (Drohnen) fort und fort gelbe Bienen, die hierlands gebornen jungen gelben Königinnen aber nach den schwarzen Drohnen mehr oder weniger schwarze Bienen. Die weiteren auf diese Farbenverschiedenheit gegründeten Versuche gewährten alle die vollste Ueberzeugung von Dzierzon’s diesfälligen Behauptungen, so daß jetzt kein Mensch mehr daran zweifelt und Dzierzon als der größte Theoretiker und Praktiker im Bienenwesen dasteht.

Ehe Dzierzon auftrat, bestand die Bienenwirthschaft, mit wenig geringfügigen Ausnahmen, darin, daß man den Bienen so viel als möglich Honig wegnahm, was man ziemlich naiv Berauben nannte, und sie im Uebrigen machen ließ, was sie wollten. Von ihrer Natur und ihren Neigungen hatte Niemand einen rechten Begriff; man fabelte höchstens, daß man es den Bienen sagen müsse, wenn ihr Herr gestorben sei, weil sie sonst eingingen; zu Wohnungen hatte man den armen Thieren die gelassen, in denen man sie wild gefunden hatte: hohle rohe Baumstämme.

Das Alles hat Dzierzon gründlich verbessert. Er lehrt planmäßige Bienenzucht treiben. Nach seiner Methode ist man unabbängig von den Launen der Bienen, kann zur rechten Zeit und in rechter Weise von ihren Diensten Gebrauch machen, kann sich nach Bedarf in wenig Jahren Hunderte von Stöcken erziehen und die Vermehrung wieder beliebig beschränken und destomehr Honig und Wachs gewinnen. Seine Bienenwohnungen sind der Natur der Bienen angemessen und den Betrieb der Bienenzucht erleichternd. Ja, wer sich vor den Bienenstichen fürchtet, dem verschafft Dzierzon die sanften italienischen Bienen, die kaum je stechen und noch fleißiger arbeiten als die unsern.

Wer rechtes Interesse für die Bienenzucht hat und im Stande ist, die Reise nach Karlsmarkt zu machen, der wird sich hoch befriedigt fühlen und von der eignen Anschauung großen Nutzen haben. Zu einer solchen Reise ist die Zeit gleich nach Pfingsten die beste, wo der Bienenbetrieb in voller Blüthe steht und in Karlsmarkt die meisten Kunstschwärme gemacht werden.

Um durch Thatsachen zu beweisen, wie weitverbreitet Dzierzon’s Ruhm ist, sei hier erwähnt, daß die schwedische Regierung Herrn Hanson aus Drammen in Norwegen auf Staatskosten nach Karlsmarkt geschickt hat, um sich an Ort und Stelle zu unterrichten. Der Engländer Bruce hat zum selben Zweck Karlsmarkt besucht. Herr Wagner zu York in Pennsylvanien in Nordamerika hat sich vollständige Dzierzonsche Stöcke mit italienischen Bienen kommen lassen. Herr Kalinski in Bialystock, Gouvernement Grodno, in Rußland, hat zwei italienische Schwärme aus Karlsmarkt bezogen. Bei allen Vieren ist der Erfolg vollständig gewesen wie bei den vielen tausend Andern, die jetzt schon in allen Ländern der Welt nach der einzigen, unübertrefflichen Dzierzonschen Art die Bienenzucht betreiben.




Akademische pädagogische Seminare. Sicherm Vernehmen nach tritt im Laufe dieser Tage in Leipzig ein Verein zusammen, der eine der wichtigsten Fragen der Gegenwart, nämlich die Heranbildung tüchtiger Lehrerkräfte auf den Universitäten, zum Ziele hat. Indem wir diesen Verein, der vor allen Dingen die Herbeischaffung der zu Gründung von pädagogischen Seminaren erforderlichen Mittel sich zur Aufgabe gestellt bat, das beste Gedeihen wünschen und das größere Publicum im Voraus auf dasselbe aufmerksam machen, wollen wir nicht unterlassen, die große Tragweite, welche dieser Verein für das gesammte Schul- und Erziehungswesen haben kann, hier kurz darzuthun. Der Goethesche Spruch:

Man könnt’ erzogene Kinder gebären,
Wenn die Eltern selber erzogen wären,

läßt sich nämlich mit vollem Rechte auch auf unsre Schulen anwenden. Haben wir tüchtige Lehrer, werden wir auch tüchtige Schulen haben. Sind die Lehrer als Lehrer erzogen, werden sie auch mit Erfolg Andere erziehen können. Nun wird aber ein Student nicht zum Lehrer erzogen, wenn er auf der Universität seine gewöhnlichen Facultätsstudien macht und sich in Theologie, Mathematik oder Philologie Gott weiß was für Kenntnisse einsammelt. Er wird auch noch kein Lehrer, wenn er eins oder mehrere Collegien über Pädagogik hört, denn das wäre, wie die jüngst erschienene Schrift über Leipzigs Volksschulen zur Genüge nachweist, dasselbe, als wenn ein „theoretischer Schuster“ Stiefeln und Schuhe machen wollte. Er muß sich vielmehr, wie die schon bestehenden Schullehrerseminare für die Volksschullehrer es verlangen, unter Beaufsichtigung pädagogisch gebildeter Männer längere Zeit einer praktischen Uebung unterziehen, soll er im wahren Sinne des Worts seines Berufes Herr werden. Inmitten einer kleinen Schule, einer Seminarschule, soll sich reger pädagogischer Geist entzünden, im regen Verkehre mit Kindern und mit begeisterten Pädagogen soll die heilige Aufgabe der Erziehung und des Unterrichts jedem klar werden. Nichts Anderes wollen die akademischen pädagogischen Seminare, nichts Anderes der Verein zur Gründung derselben. Und der Erfolg solcher Seminare? Vor allen Dingen würden unsere höheren Schulanstalten endlich einmal pädagogisch gebildete Philologen, Mathematiker u. s. w., unsere Volks- und Bürgerschulen pädagogisch erzogene Theologen erhalten. Aber auch den Volksschullehrern würden diese Seminare zu Gute kommen. Denn die Schullehrerseminare, auf denen sie gebildet werden, würden Männer als Lehrer erhalten, die auf der Universität sich nicht allein eine fachwissenschaftliche, sondern auch eine allgemein philosophisch-pädagogische Bildung erworben und außerdem praktische Geschicklichkeit im Unterrichten bekommen hätten. Daß nun hieraus den Seminaristen ein hoher Gewinn für ihre ganze Lebens- und Berufsanschauung neben praktischer Fertigkeit erwachsen muß, ist außer allem Zweifel. Erfreuen sich aber alle Lehrer eines Landes einer tüchtigen wissenschaftlichen wie praktischen Vorbildung, haben sie alle, bevor sie in’s Amt treten, die ungeheure Aufgabe ihres Berufes in vollem Maße begriffen – und das kann nur geschehen, wenn Jemand mit dem idealen Maßstabe einer Kunst oder Wissenschaft längere Zeit gemessen wird – : dann müßte unser Schulwesen nothwendig auf diejenige Höhe gelangen, die erforderlich ist, soll eine charaktervolle Nation für die Zukunft erblühen. Aber noch mehr! Es gab eine Zeit, wo die Trennung der Schule von der Kirche eine brennende Frage war. Sie wurde vorzugsweise hervorgerufen durch den Umstand, daß viele, ja die meisten geistlichen Schulinspectoren an der Schule deren einzelne Zwecke und Erfordernisse weniger verstanden, als die ihnen untergebenen Lehrer. Vergessen wir nicht: diese Frage kann von Neuem ausfauchen. Sorgen wir bei Zeiten dafür, daß sie nicht zum Unheil der Schule entschieden wird. Wird das aber der Fall sein, wenn die Schulinspectoren, die Pastoren, Superintendenten, Kirchen- und Schulräthe allesammt eine tüchtige pädagogische Bildung durchgemacht haben, wenn sie mit den Lehrern von einem und demselben Geiste der Pädagogik genährt und gekräftigt worden sind? Dieser Sachlage gegenüber ist es in der That zu verwundern, daß man nicht schon längst an Errichtung akademisch pädagogischer Seminare ernstlich gedacht hat. So viel uns bekannt, besteht bis jetzt nur ein einziges derartiges Seminar in ganz Deutschland, und zwar in Jena!




Noch einmal der Secondelieutenant. Die Gartenl. enthält in Nr. 32 unter der Rubrik: „Aus den Zeiten der schweren Noth“ die Mittheilung einer Heldenthat des damaligen Secondelieutenants Hellwig, der am 17. October 1806 mit 50 preußischen Husaren vor den Thoren von Eisenach den von Jena’s Schlachtfelde als Sieger fortziehenden Franzosen 9000 in Erfurt zu Kriegsgefangenen gemachte Cameraden wieder entriß. Dieses Heldenstücklein ist um so höher anzuschlagen, wenn man dabei bedenkt, daß es in den dunkelsten, hoffnungsärmsten Tagen ausgeführt wurde, die unser Vaterland gesehen hat, in Tagen, wo selbst die Besten zagten, in Tagen, wo die mit den höchsten militärischen Ehren bekleideten Officiere der preußischen Armee ehrvergessen dem Sieger die ihnen anvertrauten Festungen ohne weitern Widerstand öffneten. Aus dem Schlusse der interessanten Schilderung scheint mir hervorzugehen, daß dem Verfasser die weiteren Lebensverhältnisse Hellwig’s unbekannt sind, und da dasselbe auch bei vielen Lesern der Fall sein möchte, die den wackeren Soldaten aus der angeführten Episode lieb gewannen, so glaube ich beiden Theilen einen Dienst zu erweisen, wenn ich seine Geschichte hier kurz mittheile.

Rudolph Friedrich Hellwig wurde zu Braunschweig, wo sein Vater, ein noch jetzt im ehrenvollsten Andenken stehender Mann, Professor am Collegium Carolinum war, am 18. Januar 1775 geboren. Früh erwachter Neigung zum Soldatenstande folgend, trat er, eben fünfzehn Jahre alt, durch die Vermittlung Herzogs Ferdinand von Braunschweig in preußische Dienste, und machte, als Cornet beim von Kölerschen Regimente stehend, den Rheinfeldzug von 1792–95 mit. Die Affaire von Eisenach machte den damaligen Secondelieutenant zuerst bekannt; nach der Capitulation von Lübeck, die er durch einen Zufall nicht mit unterschrieben hatte, anfangs mit den übrigen Officieren in Potsdam gefangen, gelang es ihm

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 639. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_639.jpg&oldid=- (Version vom 18.10.2022)