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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

und Pistole hinausspringend fand ich bald heraus, daß einer der Löwen den jungen Buschmann, den wir am vorigen Tage gefangen genommen, überfallen und fortgerissen hatte. Wir eilten mit mehr störenden als erhellenden Lichtern hinaus in die dunkele Nacht zur Verfolgung, wobei mir Herr Hahn (ein Deutscher) mit seiner Laterne leuchtete. Die Buschmänner und die Hunde heulten, unsere Zugthiere stampften, ächzten und zitterten, die Wildniß draußen lag theils drohend, theils selbst in Furcht und Schrecken dicht vor und dicht um uns. Wir konnten nichts von dem feigen Mörder entdecken, aber mit Grausen stolperten wir über den Rest seiner Beute, dem ein Arm und die Eingeweide abgefressen worden waren. Trotz unseres Wartens und Wachens in entsprechender Entfernung ließ sich das feige Ungeheuer nicht wieder wittern. Wir beschlossen mit anbrechendem Tage ihn und seinen Collegen aufzuspüren und abzuthun. Spuren fanden sich bald mit Hülfe der Hunde, auch sahen wir einen oder den andern dann und wann aus dichtestem Dickicht hervorschimmern, aber sie hielten sich stets in der Weise verfolgter Katzen mit bösem Gewissen möglichst unzugänglich und wußten weichend und kriechend sich stets vollkommen zu decken und wieder unsichtbar zu machen.

Endlich mußten wir uns zurückziehen, um eine bessere Gelegenheit abzuwarten. Diese fand sich in der Gegend von Otschiomaware, wohin uns die Menschenfresser von Löwen, wie sich hernach ergab, gefolgt waren.

Ungefähr 3 Uhr Morgens bekam ich Lust zu einem nächtlichen Ausfluge. Bald stand ich mit meiner Doppelflinte und der Revolver-Rifle-Büchse als einsamer menschlicher Zuhörer der Wildniß-Nacht-Musik, besonders zweier um die Wette brüllender Löwen, die sich in nicht freundlicher Absicht unserm Lager nähern zu wollen schienen. Ich hatte bald 4 oder 5 gut bewehrte Begleiter, mit denen ich eine Jagd gegen sie unternahm. Hier glückte mir zum ersten Male ein oft versuchter Schuß, den ich nach dem Gehör richtete. Ich glaube nun ein gutes Ohrenmaß zu haben. Mit ihm auf dem Brüllen der Löwen Richtung und Ferne berechnend und demgemäß zielend, schoß ins und hörte sofort das Schmerzgeheul eines bisher Brüllenden. Alle erklärten, ein Löwe sei sicher getroffen. Erneutes Brüllen neben schwachem Gewinsel schien diese Hoffnung nur zu bekräftigen. Wir malten uns die Scene zwischen den beiden Löwen nach ihrem Gebrüll deutlich aus. Der gesunde suchte durch ermuthigendes Brüllen den getroffenen winselnden zur Flucht zu bewegen, aber letzterer konnte nicht, so daß sich das Gebrüll des Ersteren in eine Art von mitleidigem Seufzen und tröstendem Röcheln herabstimmte. Mit anbrechendem Tage spürten wir den verwundeten Feind auf. Die Hunde machten’s uns leicht und führten uns bald in die Nähe Beider, wie sie eben an dem Flußufer hin langsam die Nacht des nahen Waldes zu gewinnen suchten. Ich machte mich bald mit meinen Hunden bis auf 50 Schritte an den letzten, langsamsten heran, zielte und traf ihn durch beide Vorderblätter, also tödlich. Mit furchtbarem Geheul fiel und zappelte und schlug er mit dem Schweife die Seiten. Kaum hatte ich mich noch mehr genähert, um ihn vollends abzuthun, als der andere Löwe mit riesigen Sätzen aus einem Hinterhalte auf mich zusprang. Ich kniete grade, zielte gut und meinte ihn mitten in die breite Brust zu treffen. Aber welch Entsetzen! Der Schuß versagte, eben so der zweite und dritte. — Mein Revolver ging nicht los. Mit dem nächsten Sprunge war ich zerschmettert, ganz sicher, wenn ich Miene zur Flucht machte. So blieb ich knieen mit festem, herausforderndem Auge gegen das Ungeheuer. Das war meine Rettung. Mein Blick erschien ihm unheimlich. Er machte eine feige Abbiegung und zog sich dann mit beschleunigter Geschwindigkeit zurück. Während die Hunde den sterbenden Löwen zaus’ten, verfolgten wir den Flüchtling, nachdem ich den Fehler an meinem Revolver entdeckt und beseitigt, aber vergebens. Nur des Nachts kehrte er wiederholt zu seinem todten Freunde zurück und brüllte und winselte in echter Löwentrauer, aber ohne uns je schußgerecht zu werden.

Leoparden und Panther, gejagt und zerrissen von Hunden, Antilopenheerden, aus Dickicht oder hohem Gras hervor plötzlich überfallen von Panthern, Leoparden oder Löwen, Alligatoren, Flußpferde, Ottern und Rhinocerosse in warmen, schlammigen Gewässern, Auswanderung ganzer Stämme, nachdem Löwen Hunderte von Weibern und Kindern gefressen, gefährliche Jagden gegen das Rhinoceros, das im Kampfe mit Löwen und Elephanten zuweilen blos durch die ungeheuere Gewalt seines Stoßrappiers auf der Nase siegt, Abenteuer mit der agilen Gymnastik der Springböcke und mit der Hunde übertreffenden Schnelligkeit oder brutalen Grausamkeit wilder Schweine, Giraffen, Zebra’s, Gnu’s und Kudu’s, Löwen, Hyänen und Schakale, weiße Ameisen siegreich gegen thurmhohe Giraffen, dazu Hunger, Durst, Hitze, Gefahr und Kampf gegen wilde Menschen, die oft gefährlicher sind, als Heerden von reißenden Bestien — immer kämpfend Tag und Nacht gegen unzählige, namenlose, ungeahnte, unüberwindlich erscheinende Hindernisse — immer siegreich aus tausend Niederlagen, unter der Tatze des Löwen hervor aufstehend, Truppen von Löwen in die Flucht schlagend, Heerden von Elephanten wie erschreckte Schafe in die Wildniß hineintreibend — sich als Einzelner und Einziger unter Tausenden von grimmigen Menschenfeinden, von denen Jeder unendlich überlegen ist an Kraft — haltend, bewährend, Tag für Tag und Nacht für Nacht, wachend und schlafend immer auf’s Neue und stolzer als Herren der Schöpfung in ihrer wildesten Grausamkeit und Größe Geltung ertrotzend: — das ist ein echtes, glorioses Nimrod-Leben — und das ist der immer wieder mächtige, unwiderstehliche Zauber, den solche Touristen-, Jagd- und Forschungs-Bücher auf uns in Unterjacken und Unterziehhosen und Pelzen und hinter Doppelfenstern ausüben.




Wissenschaft im Spiele.

Wir meinen mit unserer Ueberschrift nicht die Wissenschaft, das Trento et quarante oder die Roulette zu berechnen. Den grünen Tisch lassen wir mit all seinen Chancen der Geburts- und Geldaristokratie. Wir wollen die Wissenschaft in den Spielen des Volks aufsuchen, bei denen es auf rasches richtiges Urtheil und auf Gewandtheit des Körpers ankommt, nicht auf den bloßen unberechenbaren Zufall, deren Zweck die Erholung, nicht die Befriedigung unsittlicher Leidenschaften ist; und wir legen deshalb besonderes Gewicht auf diejenigen Spiele, die im Freien geübt werden, weil sie uns als die geeignetsten erscheinen, die durch die Mühen und Sorgen des geschäftlichen Tages genährte Aufregung der Sinne sowohl als des Geistes und des Gemüthes dadurch niederzuschlagen und zu besänftigen, daß sie die Aufmerksamkeit immer auf etwas Wechselndes, Neues lenken und den ganzen Organismus durch eine anmuthige Bewegung und Uebung der körperlichen und geistigen Kräfte wieder in eine friedliche harmonische Verfassung bringen. Bei den Alten gab es nur Spiele dieser Art. Sie wurden als ein Zweig der Bildung gepflegt, und aus den öffentlichen Wettkämpfen als Sieger hervorzugehen, war eine der größten Ehren. Bei uns haben sie leider ihr Ansehen zum großen Theil eingebüßt. Das früher hochgeschätzte Ballspiel ist ganz vernachlässigt. In Italien dagegen wird es noch als eine Ueberlieferung des alten Rom getrieben. Und die Engländer und Amerikaner, denen die Pflege und Ausbildung des Körpers die wichtigste Pflicht des Lebens ist, sind leidenschaftliche Ballschläger und Criquetspieler. Einen Ersatz haben wir in dem nationalen

Kegelschieben,

das, so verschieden es in verschiedenen Gegenden gespielt wird, doch überall darauf hinauskommt, mittelst einer durch die Kraft des Armes geworfenen oder auf einer langen Bahn fortgerollten Kugel ein Ziel zu treffen, das am Ende der Bahn durch aufgestellte Kegel bezeichnet ist. Während in einigen Landschaften die Kugel geworfen wird, so daß sie einen Bogen in der Luft beschreibt, um bei ihrem Herabfallen die Köpfe der Kegel zu treffen, wird in anderen das Spiel so geübt, daß die Kugel aus der Hand geschleudert auf einer geneigten Bahn hinaufrollt und erst beim Herabrollen die Kegel umwirft. Die einfachste Art aber und zugleich

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 683. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_683.jpg&oldid=- (Version vom 29.10.2022)