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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Augenblick mehr in Zweifel, denn hier war nicht mehr von freiem Willen die Rede, hier zwang das Genie, welches Gott in diese jungfräuliche Seele gehaucht hatte. Ich wünschte allen unseren Künstlerinnen die Energie und Ausdauer in ihren Studien, wie sie dieses zarte Mädchen an den Tag legte. Ich studirte mit ihr die Norma, mit der sie musikalisch ganz fertig war, nur der deutsche Text machte ihr noch Schwierigkeiten, besonders die Stelle: „daß es zersplittere,“ in der sie mit ihrer weichen schwedischen Zunge die Schärfe des Wortes „zersplittere“ nicht herausbringen konnte; sie sprach immer statt des z ein s, überhaupt das Wort ohne dessen markige, charakteristische Kraft. „Lassen wir es sein, liebe Jenny, es geht heute nicht, und ich muß in die Probe zur Marquise von Billette.“ Die Probe währte ohngefähr vier Stunden. Ich komme nach Hause, höre Clavier spielen, eine Singstimme und frage meine Leute: „Wer ist denn da?“ – „Frl. Jenny,“ war die Antwort. – „Die ist wohl erst gekommen?“ – „Nein, sie ist gar nicht weggewesen.“ – „Wie?“ In demselben Augenblicke, wie ich das Zimmer betrete, kommt sie mir mit geharnischtem Schritt entgegen, faßt mit fast männlicher Kraft meinen Arm und schmettert mir die Stelle mit der vollsten Wucht und Schärfe entgegen. Sie hatte in diesen vier Stunden die einzige Stelle wohl an zweihundert Mal probirt. Hier in dieser Schatulle,“ damit deutete die Verfasserin auf einen rothsammetnen mit vergoldeter Bronze verzierten kleinen Kasten, „hier sind meine Diamanten, die Briefe Jenny Lind’s und Mendelssohn Bartholdy’s an mich. Letztere werden bald in einer Biographie Mendelssohn’s im Druck erscheinen. Aber wundern Sie sich nicht, wenn ich vermeide, Musik zu hören, ich kann nicht mehr, ich, habe das Größte, die Harmonie der Sphären von diesen beiden Menschen hier in diesem Zimmer gehört.“

In diesem Augenblicke klopft es, und ein kleiner ältlicher Mann mit scharf geschnittenen Zügen und einer unendlichen Bescheidenheit im Auftreten tritt in’s Zimmer.

Wir wollen uns entfernen.

„Bitte, bitte, bleiben die Herren, wir sind alte Freunde,“ spricht Frau Birch, auf den Herrn deutend, „und Ihnen wird es gewiß interessant sein, die Bekanntschaft eines berühmten Mannes zu machen. Meine Herren, Sie stehen dem Komponisten des Robert und der Hugenotten gegenüber.“

Der Eingetretene ist Giacomo Meyerbeer.

„Ich komme mit einer Bitte zu Ihnen, liebe Freundin. Einem deutschen Hofe geht es à contre-coeur, in meinem Nordstern einen Czaar betrunken auf der Bühne zu sehen. Es ist darum eine Aenderung der Situation im Texte nöthig, und diese bitte ich Sie mir zu machen. Sie verstehen es so vortrefflich, auf meine Intentionen einzugehen, viel besser als Scribe, der mir oft recht viele Schwierigkeiten machte.“ Nun erzählt der berühmte Componist einen komischen Vorfall, der ihm mit Scribe bei „Robert der Teufel“ passirt war. „Sie kennen, meine Herren, vielleicht den ersten Act, wo die als Ritter auftretenden bösen Geister im Französischen die Textworte haben: „Nous le tenons“. (Wir halten ihn.) In diesen drei Worten habe ich versucht, den infernalischen Triumph der bösen Geister in düsteren Klangfarben auszudrücken.

„Was haben Sie da gemacht!“ rief Scribe, der der Hauptrede beiwohnte. „Den Triumphgesang der Hölle,“ antwortete ich. „Die Dämonen glauben jetzt Robert in ihrer Mitte zu haben “ – „Mein Gott, ich habe mit dem „le“ ja nicht Robert, sondern den Spielsatz gemeint,“ rief Scribe, der sich aber bald beruhigte, da er fand, daß die Sache in dieser Auffassung sich denn doch besser machte.“

Die belebte Unterhaltung wird durch den eintretenden Gustav unterbrochen; dieser meldet den Herzog von K.

„Der Herzog?“ ruft Frau Birch, ihre Toilette betrachtend. „Aber so muß Hoheit doch immer zu einer Zeit kommen, wo man für ihn nicht in Scene gesetzt ist. Nun gut, so mag sich Hoheit mit meiner Alltagserscheinung begnügen. Eine deutsche Schriftstellerin kann nicht, wie Madame de Staël , in Turban und Sammtschleppe am Schreibtische sitzen. Es soll mir eine besondere Ehre sein, Seine Hoheit zu empfangen,“ ruft sie dem abgehenden Gustav zu. „Morgen, lieber Freund,“ wendet sie sich an Meyerbeer. „sende ich Ihnen die Aenderung. Und Sie, meine Herren, werden mich entschuldigen. Fürsten sind verwöhnte Menschenkinder, und Kunst und Leben zwei verschiedene Dinge. Ich kann einen Fürsten wohl in einer Komödie bei einem Rendezvous, aber niemals vor meiner Wohnung in der Krausenstraße warten lassen. Leben Sie wohl und wiederholen Sie das Vergnügen, welches mir Ihr Besuch gewährt hat.“

Georg Horn.




Zur deutschen Flotte.[1]

Zur deutschen Flotte! tönt’s durch’s deutsche Land,
Und jede Brust erglüht in heil’gen Feuern,
Und opferfreudig bietet jede Hand
Die deutsche Steuer für das deutsche Steuern,

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Die Grenzen fallen zwischen Süd und Nord,

Kein Hader mehr, kein brudermordend Schmähen,
Die alte Zwietracht stürzt sich über Bord,
Der Hauch der Einheit soll die Segel blähen:
Die deutsche Flotte sei in stolzer Wehre

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Ein einig Deutschland auf dem weiten Meere!


Ehrwürdig Banner, ruhmvoll Schwarzrothgold,
Begraben einst in schmerzensreichen Tagen,
Empor sollst Du, zum Wimpelschmuck entrollt,
Der Auferstehung frohe Botschaft tragen,

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Ob vielgefärbt noch das zerrissne Land,

Du überragst sie hoch die Trennungszeichen,
Und hoffend sei der Blick zum Meer gewandt,
Die blinke Wirrniß wird in Nacht verbleichen,
Wenn neuen Ruhm und frische Kraft gewannen

20
Die deutschen Farben auf den deutschen Tannen!


Nicht wehrlos ferner rollt der deutsche Strom,
Er tragt den Schutz in seinen eig’nen Wellen,
Und ungefährdet soll im deutschen Dom
Zum Himmel auf das deutsche Danklied schwellen,

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Und wo dir Schande deutscher Ehre droht,

Kein ferner Feind mag straflos mehr sich wähnen,
Wir haben Bessres jetzt für deutsche Noth,
Als nur das Mitleid unfruchtbarer Thränen:
Mit deutschen Schwertern werde nun gesungen

30
Das Lied von Schleswig-Holstein meerumschlungen!


Doch bahne sich der deutschen Flotte Kiel
Den Weg nicht nur durch blutgetränkte Wogen,
Mit schöner Fracht nach einem edlen Ziel,
Des Friedens Botin, komme sie gezogen,

35
Und wie dereinst, da ringsum dichte Nacht,

Zu wilden Völkern und auf öde Risse
Des deutschen Lichtes Segensstrahl gebracht
Der deutsche Bürger auf dem deutschen Schiffe:
So trage sie in aller Länder Mitte

40
Mit deutschem Fleiße auch die deutsche Sitte!


Andächt’gen Herzens flehen wir ihn an,
Dem Ruhm und Preis von Ewigkeit gebühren,
Er wolle sie als höchster Steuermann
Mit gutem Wind zu gutem Heile führen,

45
An diesem Werke, das wir ihm geweiht,

Bewähre sich die alte Huld auf’s Neue,
Noch war er stets mit deutscher Frömmigkeit,
Mit deutschem Muthe und mit deutscher Treue:
Und so befehlen wir dem deutschen Gotte

50
Die deutsche Flagge und die deutsche Flotte!!
Albert Traeger.



  1. Bei einer zum Besten der deutschen Flotte in Elbing veranstalteten Aufführung gesprochen.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 696. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_696.jpg&oldid=- (Version vom 4.11.2022)