Seite:Die Gartenlaube (1861) 766.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

dem Hellahorne den Morgengruß vor ihrer Thüre in die Ferne blies und seine Gäste mit einem aus Tannenzapfen bereiteten Branntwein erquickte, Gewiß hat dieser Tanla manchen der verfolgten evangelischen „Buschprediger“ beherbergt, welche oft auf improvisierten Kanzeln des Hochgebirges, in seinen Schluchten und Kesseln oder in den Bauden selbst das Wort Gottes verkündeten und selbst ihr Kirchengeräthe in diesen Herbergen der Knieholzregion verbargen. Die Hampelbaude liegt in der Nähe des romantischen „kleinen Teiches“, dessen hohe, steile Felsränder man aus ihren Fenstern erblickt. Auf dem Koppenplane selbst begrüßt uns die Wiesenbaude, nur wenige hundert Schritt von der Quelle des Weißwassers, der eigentlichen Quelle der Elbe, entfernt. Die Concurrenz erstreckt sich nämlich bis auf die „freien Berge“, und zwei Bäche, der Elbseifen und das Weißwasser, machen sich die Vaterschaft des Elbstromes streitig. Der erstere hat die Tradition und den Namen für sich; seit Jahrhunderten heißt seine Quelle die Elbquelle, die Wiese, auf der sie entspringt, die Elbwiese, der erste übermüthige Sturz des jungen Baches über die Felsenklippen der Elbfall. Schon der Rector der Hirschberger gelehrten Schule, Magister Schilling, ließ seine Primaner den Elbbach dicht an der Quelle überspringen, damit sie nachher in der Universitätsstadt Wittenberg sagen könnten, daß sie über die Elbe mit gleichen Füßen hinübergesprungen seien. Doch die vorlaute moderne Kritik läßt keine ehrwürdige Tradition bestehen; sie bestreitet dem Elbseifen trotz des genialen Wasserfalles seiner ersten Sturm- und Drangperiode das Recht, auf der Stammtafel der Elbe als Vater zu figuriren, sie räumt das Recht dem Weißwasser ein, welches weniger genial, aber desto praktischer in der 4,368 Fuß hoch gelegenen Wiesenbaude das Butterfaß treibt und sich dann durch den schauerlich wilden Teufelsgrund, eine Trümmerstätte des Pflanzen- und Steinreiches mit dem Charakter urweltlicher Oede, mit schäumenden Fluthen ergießt. Von den übrigen Bauden der Nordseite erwähnen wir noch die neue schlesische, welche den vom romantischen Zackenfall emporsteigenden Reisenden am Anfange der Knieholzregion begrüßt, und die kleine Schneegrubenbaude, mit reizender Fernsicht hoch oben am Rande der jäh herunterstürzenden Grubenwände gelegen. Das Hospiz auf der Koppe selbst, welches im Jahre 1857 niederbrannte, aber wieder aufgebaut wurde, mit seiner imposanten Rundsicht, sowie die meistens aus Stein ausgeführte Riesenbaude am Fuße der Koppe selbst gehören schon mehr zu den Hotels, welche für den Comfort der Reisenden sorgen – der eigenthümliche Charakter der „Bauden“ wird hier schon durch die moderne Civilisation verwischt.




Volksleben in Kopenhagen.

Federzeichnung von Franz Wallner.

„Sie wollen jetzt nach Dänemark reisen, was haben Sie als Deutscher dort zu suchen?“

Diese permanente Antwort mußte ich durch acht Tage von Jedem anhören, den ich aufforderte, mich auf einen Ausflug nach Kopenhagen zu begleiten. Es kostete mich Mühe und Ueberredung genug, ein paar vernünftigen Menschen begreiflich zu machen, daß ich für die „Dänen“ und namentlich für die dänische Regierung ebenso wenig Sympathien empfinde, als irgend ein anderer Mensch im Vaterlande, daß mich diese Abneigung aber nicht hindere, einen Ausflug nach der skandinavischen Hauptstadt für das lohnendste zu halten, was man bei beschränkter Zeit erreichen kann. Meine Reisegefährten machten nur noch die Bedingung, vor der Fahrt nach Kopenhagen die prächtige Insel Helgoland zu besuchen, auf welcher wir eben ankamen, um der Feier der glücklichen Rettung des Königs von Preußen aus Mörderhand mit beizuwohnen und zwei Hannoveraner sich unsterblich blamiren zu sehen, die einen Beitrag zu einer Sammlung für die deutsche Flotte verweigerten, „wenn selbe unter preußischer Oberherrschaft stehe“. Eine bessere Einleitung zu unserer dänischen Reise konnten wir wohl nicht finden, als diesen Beitrag zur Lächerlichkeit der Nationalitäts-Eifersüchtelei unter deutschen Landsleuten für eine wahrhaft deutsche Sache. Gott besser’s!

Ein Beweis der bitter feindlichen Stimmung der Dänen gegen Deutschland tritt dem Fremden schon bei der Ankunft in Kopenhagen auffallend entgegen. Während vor einigen Jahren, bei meiner letzten Anwesenheit daselbst, alle Aufschriften, Schilder, Bekanntmachungen etc. in dänischer und deutscher Sprache abgefaßt waren, sind letztere spurlos verschwunden. Es überfällt uns ein sonderbar unheimliches Gefühl, mit dem ersten Schritt in ein fremdes Land von den heimathlichen Lauten so ganz und gar abgeschnitten zu sein. Selbst der Gang der Züge auf der Eisenbahn, ja selbst die Speisekarte in den deutschen Hotels ist dänisch abgefaßt. Natürlich begünstigt die Regierung diesen Deutschenhaß auf das Allerwärmste und mit beinahe kindischem Eifer, wofür die „Feier des Sieges bei Idstedt“, der wir beiwohnten, und aus die ich später zurückkommen werde, einen recht auffallenden Beleg abgab. Offenbar aber lauert hinter dieser so ostensibel zur Schau getragenen Abneigung die Furcht vor „deutschen Hieben“ nur vor dem, was die nächste Zeit verhängnißvoll bringen könnte.

Die Hauptsache, warum ich nach Kopenhagen gekommen und warum ich meine Freunde zu diesem Ausflug gepreßt hatte, war die Beobachtung des Volkslebens, welches sich in voller Naturwüchsigkeit fast nur hier allein noch vorfindet, wenigstens in Deutschland nichts auch nur annähernd Aehnliches aufzuweisen hat. Die reizende Lage der dänischen Hauptstadt, die reiche Sammlung von Kunstwerken, die selbe ihrem edelsten Sohne, dem großen Thorwaldsen, dankt, ist bereits in zahllosen Reisewerken genügend geschildert worden, wenden wir daher unsere Schritte diesmal zuerst zu dem A und O eines jeden richtigen Kopenhageners, zu dem großartigen

Tivoli.

Nirgend existirt, sowohl in der Anlage, als in der Ausführung, ein ähnliches Etablissement. Alle nur denkbaren Bedingungen für ein Vergnügungslocal für alle Classen der Bevölkerung sind hier vereinigt und gelöst. Als der geniale Carstenson, auf welchen wir später zurückkommen werden, dem Ministerium den Plan zu diesem Unternehmen vorlegte, überließ dies der Actiengesellschaft, die sich zur Realisirung desselben gebildet hatte, den prachtvollen Platz hierzu, der ein Capital von mindestens einer halben Million repräsentirt, auf unbestimmte Zeit unentgeltlich, indem die Gemeinnützigkeit der Idee klar auf der Hand lag. Wollte das Ministerium den Platz heute zurück oder bezahlt verlangen, so wäre der Sturz desselben, ja eine Revolution die unabänderliche Folge. Wer den Kopenhagener und sein Tivoli kennt, der wird diese Behauptung nicht für übertrieben halten. Reich und Arm, Hoch und Niedrig, Jung und Alt hat das Tivoli in's Herz geschlossen, jeder Kopenhagener, ich behaupte Jeder, ohne Ausnahme, besucht sein liebes Tivoli die Woche ein oder zwei Mal, und an Sonntagen gleicht der Zug dahin in Wahrheit einer Völkerwanderung.

Worin liegt dieser Zauber, der alle Welt anzieht? Zuerst in der ungemeinen Billigkeit, die den Platz für Jedermann zugänglich macht, eine Billigkeit, die eben nur dadurch ermöglicht wird, daß Grund und Boden nicht verzinst zu werden braucht.

Das Entrée beträgt pro Person l Mark = 31/2 Sgr. – Wolle mir der freundliche Leser folgen und mit mir sehen, was ihm für seine 31/2 Silbergroschen geboten wird.

Um den Weg brauchen wir uns nicht zu erkundigen, zahlreiche Fußgänger und fortwährend ab und zu fahrende Omnibuswagen führen uns ohne Frage die kurze Strecke vor das Westerthor, wo das geschmackvolle Eingangsgitter, beim Einbruch der Dunkelheit mit unzähligen reizend gruppirten farbigen Lampen beleuchtet, uns sofort in die Augen fällt.

Ein stets zahlreiches, aus allen Ständen bestehendes Publicum durchschwärmt bereits fröhlich die ausgedehnten großartigen Anlagen. An Sonntagen werden z. B. zwölf- bis vierzehntausend Billets ausgegeben, die Actiengesellschaft, als Eigenthümerin des Etablissements, ist dadurch im Stande, trotz des winzigen Eintrittspreises, auch in diesem Jahre den Theilhabern eine Dividende von


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 766. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_766.jpg&oldid=- (Version vom 4.12.2022)