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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)


„Bei der am 3. April in Stendal geschehenen Beraubung der königl. Cassen hat sich als Anführer der im nachstelhenden Signalement bezeichnete Karl Friedrich von Katte ausgezeichnet. Da nun derselbe sich der Verhaftung durch die Flucht entzogen, so werden alle Civil- und Militärbehörden ersucht, denselben, wo er sich betreten läßt, arretiren zu lassen und dem Unterschriebenen davon, Behufs dessen Abholung, Nachricht zu geben.
Magdeburg, d. 8. April 1809
Der Präfect des Elbdepartements:
Schulenburg.
Signalement. Karl Friedrich von Katte, ehemals königl. preußischer Hauptmann, von mittlerer, untersetzter Statur, schwarz-braunen Haaren, starkem Backenbart und einer angehenden Platte, grauen Augen, spitzer Nase, gewöhnlichem Mund, rundem Kinn und munterer Gesichtsfarbe, trug bei seinem Abgange aus Stendal einen dunkelblauen mit Perongen besetzten Leibpelz, darunter eine dunkelblaue Uniform mit rothen Aufschlägen und Kragen, eine polnische Mütze mit goldener Quaste, eine lange blaue Ueberhose, woran Stiefeletten mit kleinen weißen Knöpfen, und einen mit Messing beschlagenen Husarensäbel. Er ritt einen schwarzen Engländer mit vier weißen Füßen und Blässe.“

Auch hinter Johann Wulff, der gefangen genommen und seinen Wächtern wieder entsprungen war, wurde ein Steckbrief erlassen. Schlimmer erging es dem armen Stadtmusikus von Stendal, Henning, der Katte mit Musik empfangen. Westphälische Gensd’armen nahmen ihn fest und führten ihn nach Magdeburg, wo er im Gefängniß starb. – Futsch, ein Dammsetzer, und Joseph Manns, der Sohn eines Maurers, Beide aus Stendal, hatten sich dem Katte’schen Corps angeschlossen und wurden in Wolmirstädt verhaftet. Der Erstere wurde nach Magdeburg geschleppt und dort erschossen; Manns führte man nach Stendal. Auf dem Wege dorthin, im Dorfe Burgstall, gaben einige ihm befreundete Soldaten ihm einen Wink, daß er entfliehen möge. Er verschmähte dies, weil er es für feige und unehrlich hielt. Eine Menge Stendaler begleiteten ihn, als er auf den Schützenwall hinausgeführt wurde, um dort erschossen zu werden. Auch seine Mutter war hinausgeeilt, westphälische Soldaten erfaßten die Weinende und schleppten sie in das Wachthaus des Viehthores. Entschlossen, muthig kniete Manns auf dem Schützenwall nieder. Er nahm seinen runden Hut ab – die Augen wurden ihm verbunden – zwölf Schüsse hallten wieder, und er war eine Leiche. Später haben treue Hände Akazien auf sein Grab gepflanzt und 1835 wurde ein eisernes Kreuz darauf gesetzt mit der Inschrift:


Joseph Manns aus Stendal.
Begeisterungsvoll dem alten Vaterlande treu,
Fiel er durch das Geschoß der fremden Tyrannei.
† den 14. April 1809.
Gewidmet von Vaterlandsfreunden, den 3. August 1835.“

Der Schneidermeister Höfer aus Gardelegen und der Fleischermeister Schüler aus Stendal, welche sich Katte angeschlossen, wurden Beide in Wolmirstädt verhaftet. Sie entflohen indeß und entkamen Beide glücklich. Auch der Tuchmacher Rieck aus Stendal wurde in Wolmirstädt gefangen und in Magdeburg erschossen. Er war früher ein stattlicher Regimentstambour beim Tschammerschen Regimente gewesen, als einer der Ersten hatte er sich deshalb seinem früheren Hauptmann angeschlossen und ihn nach Wolmirstädt begleitet. Als er in Magdeburg auf das Glacis geführt wurde, um dort erschossen zu werden, duldete er nicht, daß ihm die Augen verbunden wurden, trotzig und muthig sah er dem Tode entgegen. Mit dem Rufe: „Schießt zu, Hundsfötter!“ commandirte er selbst zum Schießen. Er sank nieder, aber noch nicht todt; noch einmal richtete er sich empor, und erst eine zweite Gewehrsalve machte seinem Leben ein Ende.

Die westphälischen Spione und Denuncianten feierten goldene Tage. Verschiedene Einwohner aus Stendal, Gardelegen und Wolmirstädt wurden verhaftet, meist insgeheim, und nach Cassel geschleppt. Dort schmachteten sie im Gefängnisse, auf das Schlimmste gefaßt. Man schien sie fast vergessen zu haben. Da hörten sie 1813 plötzlich lebhaftes Gewehrfeuer und Kanonendonner. Eine Kanonenkugel schlug durch das Dach ihres Gefängnisses. Bald darauf wurde ihr Kerker von den Preußen, welche in Cassel eingedrungen waren, geöffnet, und sie waren frei. Unter ihnen befand sich der Assessor Lindenberg und der Justiz-Commissar Zarnack, Beide aus Stendal.

Katte’s Unternehmen ist vielfach verkannt und entstellt worden; die meisten Menschen urtheilen ja nur nach dem Erfolge. Er mag in Verschiedenem gefehlt haben, er mag zu voreilig losgebrochen sein, selbst im letzten Augenblicke zu schnell die Hoffnung aufgegeben und sich von vornherein über die Theilnahme des Volkes getäuscht haben – sein Ziel war ein edles: Tod den verhaßten Unterdrückern, den ewigen Feinden Deutschlands, Freiheit für deutsches Land. Als ein Märtyrer, fast wie ein Heiliger steht er jenen Männern gegenüber, die drei Jahre zuvor ehrlos und pflichtvergessen, feige und fluchwürdig Deutschlands beste Festungen den Franzosen verrathen und übergeben, nur um der Freiheit ihres eigenen erbärmlichen Lebens willen.

Fr. Fr.



Blätter und Blüthen.


Zur Naturgeschichte des Hamsters. Als im verflossenen Sommer in den getreidereichen Gegenden des Herzogthums Nassau, wie in vielen anderen Theilen von Deutschland, nicht nur die Feldmäuse, sondern auch die Hamster sich ungewöhnlich vermehrt hatten und an den Feldfrüchten großen Schaden anrichteten, bezahlten die meisten Gemeindeverwaltungen für die eingelieferten Mäuse und Hamster eine bestimmte Summe, und die Knaben betrieben die niedere Jagd auf Mäuse mit lobenswerthem Eifer. Die bekannte Streitbarkeit der alten Hamster dagegen machte diese mehr zum Gegenstande der Verfolgung für Erwachsene, die außer dem Jagdvergnügen noch durch den höheren Preis angelockt wurden, den man für diese bissigen Unholde bezahlte.

Unter den Hamsterfängern in der Gegend von Wiesbaden zeichnete sich besonders der Hirt von Bierstadt durch seltenes Jagdglück aus, in Folge dessen er seine Mußestunden auf eine sehr lucrative Weise zu verwenden wußte. Geübt im Beobachten der Thiere und ihrer Eigenthümlichkeiten, hatte er wahrgenommen, daß der Hamster wie ein grämlicher Geizhals von seinen gesammelten Schätzen jedes Thier fern hält und, wenn zufällig eine Maus sich in seinen Bau verirrt, diese wüthend anfällt und auffrißt; denn der Hamster verschmäht keineswegs das Fleisch kleiner Thiere. Er hatte ferner wahrgenommen, daß in Folge dieser schlechten Nachbarschaft keine gewitzigte Maus es wagt, einen Hamsterbau zu betreten, so lange dessen Bewohner noch zu Haus ist. – Um nun nicht in den Fall zu kommen, verlassene Hamsterbaue aufzugraben und dadurch Zeit und Mühe zu vergeuden, fing der kluge Hirt, ehe er auf die Hamsterjagd ging, jedesmal zuerst eine alte Maus, band sie an einen Bindfaden und ließ sie in der Nähe eines Hamsterbaues laufen. Die Maus beeilte sich natürlich, sich dort zu verkriechen, kehrte aber eilends um, wenn sie den Hauseigenthümer witterte, wo dann der Hirt seine Nachgrabung begann und immer auf günstigen Erfolg rechnen konnte. Er soll einmal an einem Sonntage über hundert Hamster erlegt und gegen die ausgesetzte Prämie abgeliefert haben.

Die Hamstergräberei gab mir auch Gelegenheit, mich davon zu überzeugen, welche außerordentliche Menge von Getreide oft ein alter Hamster als sorgsamer Hausvater für die Tage des Mangels aufspeichert; da aber die Art, wie er dabei zu verfahren pflegt, hinreichend bekannt ist, übergehe ich ihre Beschreibung und beschränke mich auf die Mittheilung einer weniger bekannten Methode, deren sich der Hamster in unseren Weingegenden bedient, um wahrscheinlich bei festlichen Gelegenheiten seine gewöhnliche Getreidekost durch einen besonderen Leckerbissen würzen zu können. Der Hamster liebt es nämlich sehr, zur Abwechselung Trauben zu fressen, was seiner Gesundheit nur zuträglich sein kann. Vielleicht ist dies der Grund, daß er in Rheinhessen seinen Bau gerne in der Nähe von Weinbergen anlegt. Dort holt er sich nun auch Trauben für den Winter, die er auf eine Weise behandelt, welche uns als Muster bei der Aufbewahrung aller Obstarten dienen kann. In seinen Backentaschen trägt er nur völlig gesunde Beeren nach Haus, die er so abgebissen hat, daß immer noch der halbe Stiel daran sitzt. – In seiner Vorrathskammer bedeckt er den Boden der Abtheilung, welche die Traubenbeeren aufzunehmen bestimmt ist, zuerst etwa ein halb Zoll hoch mit völlig trockener Spreu, und legt darauf die Beeren, die er ganz rein abzulecken scheint, damit durchaus kein Saft daran hänge, so neben einander, daß jede von der daneben liegenden durch einige Spreublättchen getrennt ist und keine die andere unmittelbar berühren kann. Nun folgt wieder eine dicke Lage von Spreu, dann wieder Trauben und sofort. Noch mitten im Winter findet man in solchen Hamsterbauen vollkommen frische Trauben, die vielleicht zur Feier des Osterfestes aufgespart wurden.

Wer hat den Hamster gelehrt, seine Trauben so äußerst zweckmäßig aufzubewahren? Ist das auch angeborener Naturtrieb, Instinct? Was wird aus diesem Instinct, wo es keine Trauben giebt? – Es gehört doch eine eigenthümliche Verstocktheit dazu, wenn man so beharrlich den Thieren die Fähigkeit absprechen will, Erfahrungen zu machen und durch Erfahrungen klüger zu werden. – Unstreitig haben die Thiere Vernunft und benutzen sie, ob der Mensch in seinem Dünkel diese Eigenschaft anerkenne oder nicht.

Dr. Gergens.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 831. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_831.jpg&oldid=- (Version vom 24.12.2022)