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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

„Wirklich?“ sagte der König in demselben Tone, „ich hatte schon Lust mich von Euch adoptiren zu lassen!“

„Das würde mir freilich eine hohe Ehre gewesen sein, aber Ew. Majestät, wie die Sachen jetzt stehen, wenig Vortheil gewähren.“

„Nun, schon die Aussicht, zu Euern Erben zu gehören, wäre etwas werth,“ scherzte der König weiter.

„Damit würden sich Ew. Majestät freilich wohl begnügen müssen,“ lachte Graf Detlev. Ein Diener trat ein, um dem Grafen leise etwas zu melden, worauf dieser um Erlaubniß bat, dem hohen Gaste seine Söhne vorstellen zu dürfen. Die Flügelthüren öffneten sich, und dem künftigen Stammhalter folgten seine sechs blühenden kräftigen Brüder, sich tief vor dem Könige verneigend. Der Blick des Vaters ruhte mit sichtlichem Stolze auf seinen Kindern, während der hohe Gast nicht eben sehr angenehm überrascht aussah, obgleich er lächelnd und huldvoll sagte: „Ja freilich, zu der Erbschaft sind da keine Aussichten,“ und sich zu dem jüngsten der Kinder wendend, setzte er hinzu: „aber es ist doch im Grunde kein so übler Gedanke, und für diese kleinen Herren da wär’ so ein Adoptivbruder wie ich oder mein Sohn gar nicht zu verachten, sag’ ich Euch! Doch lassen wir jetzt diesen Scherz.“ Und ehe sich Graf Detlev, dem die Aussicht auf hohe Ehrenstellen auch für die jüngeren Söhne sehr lockend erschien, sich noch weiter äußern konnte, war eine Deputation der Ritterschaft wie der Behörden von Elmshorn, der Hauptstadt der Grafschaft, gemeldet, und die Kinder wurden entlassen.

Prächtig und dem Reichthum des Hauses entsprechend war das Mittagsmahl, zu welchem zahlreiche edle Gäste eingeladen waren; ja, das kostbare edle Silberservice, welches auf kunstvoll geschnitzten Büffets aufgeschichtet war, konnte fast mit dem königlichen in Kopenhagen wetteifern. Wald, Flur und Wasser hatten ihre besten Gaben zu dem nach Holsteiner Sitte etwas derben Mahle geliefert, und es versteht sich von selbst, daß die feurigsten Geister des Auslandes dem Ganzen die rechte Weihe ertheilten.

Graf Detlev war seinen Gästen mit bestem Beispiele vorangegangen und in fröhlichster Stimmung; der König, eben so heiter als herablassend, gewann sich alle die offenen, braven Herzen um ihn her. Beim Champagner kam er noch einmal scherzhaft auf das Adoptionsthema zurück, und Graf Detlev ging ebenso darauf ein.

„Nun, Graf, damit Ihr seht, daß ich nicht eigennützig bin,“ rief lachend der König, sein Glas erhebend, „so will ich zuerst auf das Gedeihen meiner neuen Familie trinken!“

„Majestät halten zu Gnaden, aber die Adoption ist ja noch nicht vollzogen!“ bemerkte der Kammerherr von Guldberg.

„Doch, doch, lieber Guldberg. Wir haben ja des Grafen Wort und Zeugen in Menge! Zum Ueberfluß sind jedoch hier mehrere gesetzeskundige Männer. Wie wär’s, wenn Unser getreuer Amtmann da mit dem Syndicus gleich so ein Ding, eine Adoptions-, Donations-Urkunde, oder wie Ihr’s sonst nennen wollt, aufsetzte? Wir brauchten dann nur zu unterzeichnen. Aber vergeßt mir nur die Erbschaftsclausel nicht!“

Alle lachten; dienstwillig erhob sich die oberste Gerichtsperson der Grafschaft, zögernd und fast ängstlich fragend nach dem Grafen hinüberblickend folgte der in Geschäften ergraute Syndicus.

„Macht’s kurz und gut, Ihr Herren!“ rief Graf Detlev in heiterster Weinlaune, und sich, trotz seines reichsunmittelbaren Stolzes durch die Ehre geschmeichelt fühlend, die der hohe Gast seinem Hause zu erweisen beabsichtigte.

Das Document[1] war bald entworfen, und nachdem es von dem Kammerherrn von Guldberg genau geprüft worden war, kehrten die Drei nach dem Saale zurück, wo laute, ziemlich ungebundene Lust herrschte, denn der königliche Gast war heute besonders gut gelaunt, und immer von Neuem perlte der weiße Schaum in den Gläsern.

„So gebt her, Ihr Herren!“ rief er. „Da, mein werther Adoptivvater, unterzeichnet, daß Ihr Dänemarks König zu Eurem Erben und Sohne annehmt, dann komme ich!“

In wenig Federstrichen war es geschehen; die Gläser klangen dem seltsamen Vertrage zu Ehren, und hart trafen die des Vaters und seines neuen Erben aufeinander; ein heller Klang wie von einer zerrissenen Saite durchbebte den Grafen, und aus seinem zersprungenen Glase floß der rothe Purpursaft auf den schneeigen Damast des Tisches.


Zwei Brüder.

Jahre waren seit jenem Ereigniß verflossen, und wie ein finsterer Geist war es durch die einst von so frischem, heiterem Leben erfüllten Räume des stolzen Stammsitzes gegangen. Tiefe Furchen hatte der Schmerz auf die Stirn des Grafen gezogen und Kummer seine stattliche Gestalt gebeugt.

Vier seiner jungen, kräftigen Söhne hatte der Tod hinweggerafft, und die ihm noch bleibenden drei älteren machten in mehr als einer Hinsicht seinem Vaterherzen schwere Sorge.

Draußen stürmte der scharfe Nordost, der über das Meer daher brauste, mit den letzten Blättern zugleich auch manchen Ast von den Bäumen; das trübe Zwielicht eines Novembertages aber erfüllte das große Gemach, in welchen, wohl in Pelz gehüllt, der kränkelnde Graf Detlev in seinem Lehnstuhl ruhte, einen eben gelesenen Brief in der Hand haltend und das ergraute Haupt kummervoll in die Rechte gestützt.

Zwei Jünglingsgestalten, kräftig und schlank wie die jungen Buchen ihrer heimathlichen Wälder, standen ehrerbietig, aber mit finstern Mienen vor ihm. Die des älteren von Beiden, des künftigen Majoratserben, verriethen seine zornige Erregung, während um den festgeschlossenen Mund des Bruders ein Zug verbissenen Grolls lagerte und sein Auge kalt und fast gehässig nach dem jungen Detlev blickte, während dieser gesprochen.

„Soll ich denn ewig nur zwischen Euch richten und schlichten?“ fragte der Vater mit schmerzlichem Vorwurf. „Ihr, die Ihr Euch in den Kinderjahren mehr liebtet als Eure übrigen Geschwister, habt jetzt nur Worte der Anklage für einander und verbittert Euch auf jede Weise das Leben und mir den Rest meines trauervollen Alters!“

„Ei, meine Schuld ist’s nicht, wenn Adolph neidisch und mißtrauisch ist!“ rief Detlev heftig. „Ich bin nun einmal zum Majoratsherrn geboren; damit muß er und sein weiser Magister Henderson sich schon zufrieden geben; aber darum bin ich weder hochmüthig, noch fällt es mir ein, meinem Bruder befehlen zu wollen. So lange aber dieser glatte, falsche Magister hier im Hause herumschleicht und bösen Samen säet, wird es nicht besser, das könnt Ihr mir glauben, Vater, und das mußte ich Euch endlich einmal sagen.“

Adolph war blaß geworden und sah, die Lippen fest zusammen gebissen, zu Boden.

„Ist es wahr, Adolph, daß sich Dein Lehrer zwischen Euch stellt und Dich aufreizt?“ frug der Graf, den Sohn scharf ansehend.

„Es ist nun einmal Detlev’s Gewohnheit, mich um Alles zu bringen, was mir lieb ist,“ entgegnete bitter der Gefragte, „darum soll nun auch Henderson, der mir ein älterer Freund ist, entfernt werden. Ihr, mein gnädiger Herr Vater, werdet ihm auch diesmal Euer Ohr leihen, das weiß ich im Voraus, und ich muß mich fügen, so nothwendig es mir auch ist, mich in der Kenntniß der nordischen Sprachen zu vervollkommnen. Entlaßt mich daher lieber zur weitern Ausbildung nach Kopenhagen, wo mich ja doch künftig mein Beruf erwartet. Curt kann vielleicht den Magister Henderson leichter entbehren, wenn er zurückkehrt.“

„Mein armer Curt!“ sagte der Graf, und seine Stimme bebte. „Ich habe eben Nachricht aus Rom, und ich kann es Euch kaum sagen! Aber nach dem, was mir Hans Björne von Curt’s Krankheit schreibt, dürfen wir wohl allein noch auf Gottes Hülfe hoffen.“

„Ich weiß nicht, Vater,“ sagte nach einer Pause düstern Schweigens der ältere Sohn kopfschüttelnd, „aber mir ist immer, als ob uns all die Fremden, die wir im Hause gehabt, keinen Segen gebracht hätten! Hans Björne ist ja wohl ein gewandter Kammerdiener, aber eine ehrliche Haut von Holsteiner wäre mir doch auf so weiter Reise lieber als er.“

„Da haben wir den Dänenfeind!“ rief Graf Adolph. „Nimm Dich in Acht, daß unser hoher Adoptivbruder diese Gesinnung nicht erfahre. König Christian ist ohnehin unserer Ritterschaft nicht eben günstig gestimmt.“

Detlev blickte ihn an, wandte sich jedoch zum Fenster und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_050.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)
  1. Die Donationsurkunde existirt noch heut zu Tage.