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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

No. 6.   1862.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. 0Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Bill Hammer.
Episode aus dem Bürgerkriege in Missouri.
Von Otto Ruppius.


Ueber dem Walde stand ein rother glänzender Schein am Himmel, hier und da von aufzuckenden feurigen Garben durchstrahlt, und mischte sich seltsam mit dem matten Lichte des ersten Mondviertels.

„Das brennt in Pleasant-Grove,“ sagte der Mann, welcher aus der Thür eines einsamen Farmhauses unter den roh gearbeiteten Portico getreten war, „wahrscheinlich ist den deutschen Mistkäfern eine Fackel angezündet worden, daß sie sehen lernen, wo der Weg aus dem Staate hinausführt!“ Einige grunzende Laute beschlossen die Aeußerung, dann beobachtete der Sprecher lautlos das sich immer weiter ausbreitende Feuerzeichen.

Zwei andere Personen waren ihm aus dem Hause gefolgt, ohne indessen ihrem sichtlichen Interesse an der Erscheinung mit einem Worte Ausdruck zu geben – eine jugendlich-schlanke, weibliche Gestalt und ein halbwüchsiger, kräftiger Bursche. Schweigend und mit einer wunderbaren Leichtigkeit klomm der Letztere an einem der Porticopfeiler empor und sandte von dem kleinen Dache aus seine Blicke scharf über den Wald, und erst als der frühere Sprecher langsam in das Haus zurückgetreten, ließ er sich behende wieder hinabgleiten.

„Er hat diesmal fehlgeschossen in seinem Hasse, es ist nicht Pleasant-Grove, das brennt,“ sagte er mit halbunterdrückter, vor Erregung zitternder Stimme, „und die „Mistkäfer“ werden ihm wohl noch einmal zeigen, wo Recht und Gesetz ist, trotz Jefferson Davis und seiner Bande. Zu St. Louis sind die Deutschen schon alle auf den Beinen und haben das Heft in der Hand, hat mir Fred Minner erzählt.“

„Sei ruhig, Bill, er hat scharfe Ohren,“ gab das Mädchen mit einem scheuen Blicke nach der Thür zurück, „er wäre nicht halb so schlimm wider die Deutschen, wenn es nicht gerade Fred Minner’s wegen wäre.“

„Der aber doch seine Zeit finden wird, wo er Miß Alice –“

„Bill!“ unterbrach ihn das Mädchen mit einem mühsam gedämpften Tone des Schreckens, und der Bursche schlug sich mit einer plötzlichen lustigen Grimasse, in der es gleichzeitig wie eine triumphirende Genugthuung zuckte, auf den Mund.

„Ich muß hinüber, Miß Alice,“ fuhr er dann auf den Feuerschein deutend in leisem Tone fort; „Gott weiß, was los sein mag, und meine Mutter ist allein. Soll ich Etwas bestellen?“

„Vater jagte Dich morgen aus dem Hause, wenn Du heimlich gingst,“ erwiderte das Mädchen hastig, „bleib hier, wo Du anderwärts doch nichts helfen kannst!“

„Das Wegjagen kommt ohnehin, sobald er das nächste Mal von Mistkäfern spricht!“ erwiderte der Knabe trotzig; „Geld habe ich schon seit zwei Monaten meiner Mutter nicht bringen können, so will ich wenigstens nach ihr sehen!“

„Aber Vater hat selbst kein Geld, und Niemand ringsherum, Du weißt es!“

„Dann soll er nicht von Mistkäfern reden und meinen, ich fürchtete sein Davonjagen. Fred aber sagt, daß die Menschen, die jetzt den Aufruhr im Staate predigen, an ihrem Unglücke selbst schuld sind. Ich sehe nach meiner Mutter, Miß Alice!“ Und ohne einen fernern Einwand abzuwarten, schlüpfte der junge Bursche die Treppen des Portico hinab, drückte hier den flachen Hut fester auf seinen Kopf und war, in raschen Schritten an dem Gebäude hinschleichend, bald hinter der nächsten Feldeinzäunung verschwunden.

Das Mädchen hatte den Kopf an einen der Pfeiler gelehnt und blickte lange in trübem Sinnen in den Feuerschein hinein, bis ein lauter Ruf im Hause sie aufschreckte und in das Innere eilen ließ. –

Bill – oder Wilhelm, seinem ehrlichen, unverkürzten Taufnamen nach – hatte sich quer durch ein Maisfeld gewunden und trat auf eine Straße hinaus, welche dem Orte des Brandes in gerader Richtung zuzulaufen schien. Rechts und links derselben standen die dunkeln Gestalten einzelner Schwarzer, in schweigender Beobachtung das Aufschießen und Sinken der feurigen Lohe am Himmel verfolgend, und der junge Bursche hielt seinen Schritt an. „Ist das Pleasant-Grove, Dick?“ wandte er sich an den ihm zunächst stehenden Neger.

„Denke nicht, Master William,“ erwiderte dieser langsam, „es ist wohl Mr. Riese’s Mühle, die brennt – er hat so ’was schon in den letzten Tagen voraus gesagt,“ fuhr er halblaut fort, mit dem Kopfe nach dem rückwärts liegenden Farmhause deutend, „und es mag wohl noch schlimm werden mit Allen, die hier herum zu der Union halten!“

„Seid Ihr auch für solche Mordbrenner, die sich Secessionisten nennen, und gegen die Deutschen, Dick?“ fragte der Bursche mit einem Beben des Zornes in seiner Stimme.

„Bst!“ winkte der Schwarze, sich ängstlich umsehend, „ich bin ein armer Nigger, der keine Meinung hat und seines Herrn Brod ißt; aber die Deutschen sind gut, Master William –“ er zog eine Grimasse, als scheue er sich, mehr zu sagen.

Da klang ein Schuß aus der Entfernung – zwei andere folgten unmittelbar danach, und auffahrend eilte Bill auf der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_081.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)