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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

man den Künstler auf seinen einsamen Spaziergängen ohne Griffel und Skizzenbuch – einsammelnd und eintragend. Sachsens liebliche Dorfschaften mit den zum großen Theil noch patriarchalischen Bewohnern liefern ihm reichlichen Stoff hierzu, und in dieser Situation bildet sein Erscheinen oft selbst den Mittelpunkt einer Dorfidylle, zumal wenn ihn eine gaffende Kinderschaar in ihrer liebenswürdigsten Zudringlichkeit umringt.

Die Lebensgeschichte unseres Künstlers, die wie das Leben der meisten bedeutenden Künstler „ruhig, wie ein stiller, schöner Strom dahinfließt“, bietet natürlich nichts von jenem pikanten Beischmacke, der heutzutage von einem verwöhnten Leserkreise erwartet wird. Keine außergewöhnliche Phase hat dieses stille Künstlerleben beirrt noch bereichert, das nur zu seiner schönsten Reife gedeihen konnte, indem es wechselvollen Schicksalen fern blieb.

„Adrian Ludwig Richter ward am 28. September 1803 zu Dresden geboren. Er erhielt den ersten künstlerischen Unterricht durch seinen Vater, einen geschickten Kupferstecher im landschaftlichen Fach aus Zingg’s Schule, der den Sohn ebenfalls zum Kupferstecher bestimmte. Allein es neigte sich dieser bald mehr der Oelmalerei zu, wurde aber an einer freien künstlerischen Entwicklung durch bedrängte äußere Verhältnisse behindert. Besonders zogen ihn Chodowiecki’s Radirungen an, die nicht ohne Einfluß auf seine spätere Richtung blieben. Mit Vergnügen folgte er 1820 dem Fürsten Narischkin als Zeichner auf einer Reise nach Frankreich. Im Sommer 1821 nach Dresden zurückgekehrt, bot ihm der dortige Buchhändler Arnold (der Beschützer so manches andern jungen Talents) die Mittel zu einem mehrjährigen Aufenthalte in Italien, wo er 1823–26, von den neuen Eindrücken mächtig angeregt und gehoben, sich bildete und bereits 1824 sich durch eine Gebirgsgegend des Watzmann allgemeine Anerkennung erwarb. Ergriffen von der Bedeutsamkeit des damaligen künstlerischen Umschwungs, sann er darauf, die Landschafts- mit der Historienmalerei zu vertauschen; doch gab er diesem Wunsch nicht Folge und fand den nächsten Zielpunkt seines Strebens darin, eine bedeutendere Belebung der Landschaft durch die menschliche Gestalt zu gewinnen. Aus dieser Richtung ging eine Verschmelzung von Genre und Landschaft hervor, welche als eine neue Gattung der Malerei zu betrachten ist.

In den zahlreichen Bildern, die Richter fortan bis 1847 vollendete, prägt sich mit wunderbar poetischer Kraft das innige Zusammengehören des Menschendaseins und des Naturlebens meisterhaft aus. Großenheils sind die Gegenstände dem italienischen Naturleben entnommen, wie das Thal von Amalfi, die Gegend von Rocca di Mezzo, Aricia und Civitella, Gegend bei Palestrina, Erntezug italienischer Landleute, eine Osteria bei Tivoli, der Brunnen bei Grotta ferrata u. s. w. Manche gehören aber auch dem deutschen Leben an, wie das Lauterbrunner Thal, die Ueberfahrt am Schreckenstein, Genoveva in der Waldeinsamkeit, die Dorfmusikanten, der Brautzug im Frühling etc. Manchmal ist das Figürliche, manchmal das Landschaftliche überwiegend; immer aber erhöht das Eine die Stimmung des Andern und verschmilzt mit ihm zu einer harmonischen Einheit. – Seit 1828 an der mit der Meißner Porzellanfabrik verbundenen Zeichenschule angestellt, wurde Richter 1836 an die Dresdener Akademie berufen, wo er seit 1841 als Professor und Vorstand des Ateliers für Landschaftsmalerei wirkt.“

Es sind demnach nur Mußestunden, die der Künstler jenen Zeichnungen widmet, die wir nie ohne Liebe und Mitgefühl betrachten können, die dem deutschen Charakter so recht nach Herzen sind, weil er sich in ihrer edeln Einfalt und Schlichtheit so treulich wiederfindet. Und darum wird Ludwig Richter in seinen Werken fortleben, so lange noch jener schlichte Sinn unter uns waltet, der ein Grundzug unseres Wesens und das beste Restchen alter guter Sitte ist.

H. Kg.


Carl Maria von Weber und sein Denkmal.
Eine Skizze von M. M. von Weber.
(Schluß.)

Es kam, wie Weber im Stillen gefürchtet hatte. Trotz des Beistandes der gut deutsch gesinnten, literarischen Blätter Wiens, trotz Kanne’s, Bäuerle’s, Castelli’s rastlosen Federn, die das Publicum im Voraus mit den Intentionen und Schönheiten der Euryanthe vertraut zu machen suchten, trotz des Beistandes der gewaltigen Gesellschaft „Ludlamshöhle“, deren Mitglied Weber, mit dem Ehrenprädicate „Agathus der Zieltreffer“ war, trotzdem, daß die Hauptrollen der Euryanthe in den Händen der Sontag, der Grünbaum, Heitzinger’s, Forti’s waren, trotzdem daß man bei den ersten drei Vorstellungen einen mächtigen Enthusiasmus forcirte, errang die Euryanthe doch nur einen Succès d’estime.

Gekürzt, zusammengestrichen, ließ sie bald die Häuser leer. „Das ist ungemüthliche Musik,“ hatte Franz Schubert gesagt. „Das Ding ist gut, lassen Sie es, wie es ist,“ sagte aber der Altmeister Beethoven auf Weber’s Frage. Und Weber ließ es, wie es ist, und das war wohlgethan; die jetzt herrschende Meinung von der Oper beweist es.

Die unermeßlichen Aufregungen auf der Reise nach Wien hatten, verbunden mit einer heftigen Erkältung, das Uebel, dessen Vorboten Weber schon lange spürte, zum Ausbruch gebracht; unheilbar lungenkrank kam er zurück. Mit tieferem Verständnisse und hohem Enthusiasmus für den Meister wurde die Oper 1825 in Berlin aufgenommen, nachdem endlose Intriguen des Ritter Spontini sie fast zwei Jahre lang von der Bühne dort fern gehalten hatten. Weber dirigirte sie selbst, war aber schon kaum mehr vermögend, sich dem Orchester verständlich zu machen, und sprach durch einen Dolmetscher mit den Fungirenden.

Ruhe, Ruhe sollte nun die Losung des kränkelnden Meisters sein, Bäder und Landluft dem Stoffe die Kraft geben, noch einige Zeit dem Ringen des nach seiner Heimath sehnsüchtigen Genius zu widerstehen. Aber je durchsichtiger der Schleier wurde, der dem Meister das Jenseits verhüllte, je deutlicher er fühlte, daß er bald seine theure Caroline und die beiden Söhne, die sie ihm gegeben hatte, für immer werde verlassen müssen, umso eifriger ergriff er die Mittel, durch die er hoffte, den geliebten Seinen eine sorgenfreie Existenz nach seinem Tode sichern zu können.

Das Covent-Garden-Theater zu London bestellte den „Oberon“ bei ihm, dessen Text Planché gedichtet hatte. Er nahm die Bestellung und die Anträge, ihn selbst aufzuführen, Concerte in London zu dirigiren und zu geben, in der Hoffnung auf reichen Gewinn, an. Bei der Composition dieser Oper fand sich sein Genius auf den Weg zurück, den er bei Schöpfung des „Freischütz“ betreten hatte und auf dem Niemand nach ihm wieder mit solchem Glanze wandeln wird. Es ist in den Melodien des Oberon ein überirdischer Reiz, als hätten die Stimmen einer lichten Welt die schwerathmende Brust, das gebeugte Haupt des kranken Meisters schon umtönt, und wenn es ihm vergönnt gewesen wäre, wie er es wollte, nachträglich dem Werke, für die Darstellung in Deutschland, die Rundung und künstlerische Vollendung zu geben, welche die Tiefe des deutschen Sinnes verlangt, es würde unstreitig weitaus seine vollendetste Schöpfung geworden sein.

Am 16. Februar 1826 stieg Weber mit seinem Freunde, dem berühmten Flötisten Fürstenau, die halbvollendete Partitur des „Oberon“ unterm Arme, in den Wagen und begab sich, in kurzen Tagereisen, über Paris, wo ihm die glänzendste Aufnahme wurde und man in ihn drang, so bald als möglich für dort eine Oper zu schreiben, nach London. Bleischwer lag die trübe Atmosphäre und der kühle Nationalcharakter Englands auf der kranken Brust des Meisters, maßlose Anstrengungen bei der Direction der von ihm übernommenen Concerte, seines „Freischütz“ und endlich bei den Proben zu Oberon absorbirten rasch den Rest seiner Lebenskraft. Und dabei arbeitete er doch fort an der Partitur, nicht allein dieser Oper, sondern auch der von ihm unvollendet hinterlassenen, in London spurlos verschwundenen, komischen Oper „die drei Pintos“, und die Melodien quollen in unversiechbarem Strome aus einem Wesen, dessen Körper eben so hinfällig, wie seine Seele heimwehkrank war. Je mehr er seine Kräfte schwinden fühlte, um so heißer, unablässiger wurde diese Sehnsucht nach der Heimath, nach den Seinen, die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_118.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)