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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Habt Acht!

Gesattelt steht das Roß der Zeit
Und scharrt mit ungeduld’gem Hufe,
Die Mähne schwillt, die Nüster speit,
Es reckt das Ohr nach einem Rufe.
Lang stand es still, doch nun begehrt
Es unaufhaltsam weiter, weiter,
Ein Königreich – nicht für ein Pferd,
Die ganze Welt für einen Reiter.

Ihr Herrn und Ritter, die so lang
Sich auf dem Sattel stolz gebrüstet,
Was steht ihr nun und zaudert bang?
Ist keiner, den der Ritt gelüstet?
Nach rückwärts habt ihr oft gehetzt
Das edle Roß mit blut’gen Sporen,
Ging euch zum Ritt nach vorwärts jetzt
Der Muth und das Geschick verloren?!

Noch steht gebückt am Roß der Knecht
Und hält gehorsam euch den Bügel;
Stets wie ein altgeheiligt Recht
Nahmt ihr aus seiner Hand die Zügel;
Und doch hat er das Roß gezäumt,
Er hat’s mit seinem Schweiß gefüttert,
Und wenn sich’s unter euch gebäumt,
Hat ihn der Hufe Schlag erschüttert.

Habt Acht! habt Acht! denn zögert ihr,
Will keiner unter euch sich rühren,
Leicht faßt den Knecht dann die Begier,
Einmal die Zügel selbst zu führen,
Und stößt die nackten Fersen er
Wildkräftig in des Rosses Seiten,
Scheu stürmt es unter ihm einher
Und wird die Ritter überreiten!

Albert Traeger.




Wissenschaft im Spiele.
Nr. 2. Das Billardspiel.

Es giebt geborene Billardspieler, wie es geborene Rittergutsbesitzer giebt; – Andere können sich wieder ihr Leben lang plagen, sie bringen’s nicht dahin, den Stecken gerade zu halten (die Kunstausdrücke: Queue, Double, Schwein etc., giebt es für sie gar nicht); sie schmieren nie das Queue mit Kreide und spielen ewig mit dem falschen Balle. Für diese ist unser Artikel nicht geschrieben, das sagen wir im Voraus, – obwohl gerade sie ihn vielleicht am eifrigsten lesen werden –; denn er nützt ihnen nichts. Aus den Leuten wird nichts, und wenn ihnen der heilige Billardus selber Unterricht gäbe!

Zu einem guten Billardspieler gehört vor allen Dingen Lust an körperlicher Bewegung, Gewandtheit, rascher Blick und rascher Entschluß, Herrschaft über Muskel und Nerven, denn nichts verwirrt das Auge und die Hand mehr, als die Unterwerfung unter augenblickliche Verstimmungen, und endlich – nach der Meinung Vieler – ist die Kenntniß der französischen Zahlen bis siebenundvierzig – achtundvierzig heißt Partie – eine unumgängliche Bedingung.

Ein Theil dieser nothwendigen Requisiten muß von Haus aus vorhanden sein, ein anderer läßt sich aneignen. Immer aber muß es für den Billardspieler Wichtigkeit haben, sich der Gründe bewußt zu werden, warum er so und nicht anders spielen darf, um einen gewünschten Effect zu erreichen; denn derjenige, der nur nach Instinct, und weniger nach rationeller Ueberlegung dieses Geist und Körper zu gleicher Eleganz bildende Spiel handhabt, wird im günstigsten Falle mitunter wohl das Richtige treffen, aber nie mit Sicherheit den Erfolg voraussagen können.

Das Billardspiel beruht auf sehr einfachen Principien, die es zum Theil mit dem Kegelspiel gemein hat.

Bekanntlich wird auf dem Billard die Kugel (der Ball) durch einen Stoß mittels eines Stabes (Queue) in Bewegung gesetzt. Je nachdem aber dieser Stoß den Ball oben, unten oder in der Mitte oder auf der Seite trifft, sind die Bewegungen des Balles auch verschieden.

Wird das Queue (wir bequemen uns des Sprachgebrauchs, der, gegen die französische Grammatik, das Instrument in Deutschland allgemein als ein Neutrum behandelt) mitten auf den Ball gestoßen, so wird derselbe genau in der Richtung des Stoßes fortgeschleudert. Im Anfange seiner Bewegung gleitet er über die Fläche des Billards, vorzüglich wenn der Stoß sehr heftig war, wie eine abgeschossene Kanonenkugel, die über die Fläche eines glatt gefrorenen See’s rutscht. Allmählich aber wirkt die Reibung auf der Unterlage, und der Ball nimmt eine nach vorn gerichtete Drehung an, ähnlich einem Wagenrade, das sich auf der Straße fortbewegt. Trifft ein genau auf die Mitte gestoßener Ball – wie in Fig. 1 der Ball a – auf einen andern ruhenden Ball a’, so theilt er diesem seine Bewegung mit; entweder ganz, so daß er nun auf dessen Platze stehen bleibt – (dies geschieht, wenn er beim Zusammenstoß eine noch vorwiegend gleitende Bewegung hatte) – oder nur theilweise, so daß ihm noch ein Theil seiner Geschwindigkeit bleibt und er dem getroffenen Balle nachläuft. Der letztere Fall tritt ein, wenn die Kugel während ihres Laufes bereits in eine rollende Bewegung übergegangen ist.

Daher laufen auch alle die Bälle, welche wie b in Fig. 1 hochgestoßen worden sind – vorausgesetzt, daß sie den andern Ball voll getroffen haben – hinter diesem her.

Fig. 1.

Ein Tiefstoß, wie er auf den Ball c ausgeführt wird, theilt diesem eine Drehung nach rückwärts mit, als ob der Ball in einer Richtung laufen wollte, die der Richtung des Stoßes entgegengesetzt ist. Dies Bestreben kommt auch zur Geltung, sobald durch den Zusammenstoß mit dem Balle c’ die Bewegung nach vorn auf

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_187.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)