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offene Hand“ paßte auf Niemand besser, als auf ihn. Freilich war von Wiedergeben, wenn er borgte, fast nie die Rede, und seine Antwort an Baron Sina, von dem er tausend Gulden leihweise abholen sollte, und der ihn frug: „ob er um seine tausend Gulden komme?“ lautete charakteristisch genug: „Nein, lieber Herr Baron, Sie kommen darum.“

Der Theaterdirector Pokoroy sandte einst seinen Regisseur Peter nach Strelitz, um den Tenorist Hahn zu engagiren. Dieser kam an, sang aber so erbärmlich, daß sich die Direction nach seinem dritten Auftreten mit einer namhaften Summe über die Lösung seines Contractes abfinden mußte. Saphir schrieb im Humorist unter Anführung des betreffenden Capitels und Verses folgendes Bibelcitat:

     „Gastspiel des Tenoristen Hahn.

     Und als der Hahn zum dritten Mal krähte, da ging Petrus hinaus und weinte bitterlich.“

Ein Herr Bodner vom Pesther Theater trat als Hamlet auf und fiel complet durch. Saphir brachte in seinem Blatt folgende Notiz: „Herr Bodner, der gestern den Hamlet spielte, wird darauf aufmerksam gemacht, daß in der Leopoldstadt, im Gasthof zur weißen Rose, eine billige Retourkutsche nach Pesth zu finden ist.“

Saphir war sehr eitel auf seine – Häßlichkeit, so z. B. besitzt Frau Doctor Laube in Wien ein Bild von ihm, worunter er die Worte schrieb: Zum Brechen ähnlich. Mir schrieb er unter sein Portrait: Das ist auch Gottes Ebenbild! Geschieht ihm schon recht.

Bekanntlich ist König Ludwig von Baiern bei allen seinen sonstigen vortrefflichen Eigenschaften etwas ökonomisch und schwerhörig. Bei der Stelle in Schiller’s Carlos: „Geben Sie Gedankenfreiheit!“ applaudirte einst das Publicum sehr lebhaft, worauf der König das Haus verließ. Als Saphir, damals Intendanturrath am Münchner Hoftheater, nach der Vorstellung zu Tambosi kam, fand er eine Anzahl Unzufriedener vor, die sich heftig dagegen Aussprachen, daß der König bei einer freisinnigen Aeußerung des Publicums das Haus verließe. „Wie so?“ frug Saphir. – „Haben Sie denn nicht gesehen, daß der König bei den Worten: „Geben Sie Gedankenfreiheit!“ fortging?“ – „Wie Sie dem Mann wieder Unrecht thun!“ antwortete Saphir, „Sie vergessen, daß er schwer hört, er hat also nur verstanden „geben Sie uns –“ da ging er; was er geben soll, hat er gar nicht gehört, das ist ganz gleichgültig.“

Seine spitze Zunge brachte es dahin, daß ihm der König den Befehl ertheilen ließ, in 24 Stunden die Stadt München, in 48 Stunden das baierische Land zu verlassen. Mit dem Bewußtsein, nichts mehr verlieren zu können, begab sich Saphir zum Minister, stellte diesem die traurige Lage vor, in die er durch die allerhöchste Ungnade gerathen, und schloß mit den Worten: „Meine Verhältnisse sind bekannt, ich habe viel Schulden, werde wohl Alles verkaufen und auf meinen zwei Füßen hinaus wandern müssen, um nach der königlichen Weisung in 48 Stunden aus dem Lande zu kommen. Das Land ist groß, 48 Stunden sind kurz, zwei Füße sind wenig. Es müßte denn sein, daß Se. Majestät die Gnade hat, mir die Füße zu schenken, die in Seinen Versen zu viel sind, dann verpflichte ich mich, in 48 Minuten draußen zu sein.“

Vier Wochen vor seinem Tode sprach ich ihn zum letzten Mal. Er war geistig und körperlich gebrochen, eine jüngere, kampfbereite und schlagfertige Generation war ihm aus dem Felde des Witzes entgegen getreten und hatte den Sieg davon getragen, Undank und Rücksichtslosigkeit hatte er dort geerntet, wo er Wohlthaten gesäet, der kranke Löwe lag knurrend, allein und fast verlassen auf dem Krankenlager, von dem er nicht wieder erstehen sollte. Friede seiner Asche!




Wild-, Wald- und Waidmannsbilder.
Von Guido Hammer.
Nr. 16. Eine Nacht beim Krebsleuchten.

Ein schwüler Julitag verhieß eine gleiche Nacht, die der Förster zum Krebsleuchten zu benutzen beschlossen hatte, wozu ihm die Befugnlß auf dem Reviere zustand. Er hatte deshalb bereits den Zeichenschläger und mehrere Waldarbeiter dahin instruirt, sich mit dem erforderlichen Kien und sonstigen Bedarf zum bevorstehenden Krebsfang Abends um zehn Uhr auf der „Henkerbrücke“ am „Nesselbach“ einzufinden und dort die kleine, dazu eingeladene Jagdgesellschaft zu erwarten. Doch nicht direct sollten wir zur nächtlichen Partie aufbrechen, sondern es wurde mit ihr zugleich der Anstand auf einen Hirsch verknüpft, der in der Nähe des Nesselbaches allabendlich über ein Gehau kommen sollte, um von da auf die nicht allzufernen Felder des Grenzreviers zu ziehen, weshalb wir uns noch bei Tage auf den Weg machten.

Abwechselnd führte uns dieser über sonnenbrandige, sandige Holzschläge und auf schmalem Pfade durch haideüberzogene Strecken, sowie durch hohe, rothstämmige Föhrenbestände; dann ging’s bald an üppig grünuferigen Wässerchen unter Erlen hin, bald schritten wir unter dem sonnenvergoldeten transparenten Laubdache schlankschäftiger Buchen vorwärts, bis wir gegen Sonnenuntergang an unserm vorerst gesteckten Ziel anlangten. Es war ein an einem Hange hinabliegendes schmälen- und haideüberwachsenes Gehau, durch das sich ein tiefseingeschnittenes, an seinen Rändern von frischer Vegetation begleitetes Bächlein wand. Es rieselte mit plätschernder Raschheit dem Thale zu, um dort mit offenen Armen von dem größeren Thalgewässer, dessen geschwätziges Murmeln man deutlich durch die Waldesstille vernehmen konnte, aufgenommen zu werden. Hier, wo der Hirsch erwartet wurde, stellten wir uns am Ausläufer eines das Gehau begrenzenden alten Bestandes an, der theilweise mit dichten Fichtenstraupen besetzt war, und hinter welchem man sich vortrefflich bergen konnte.

Schon wich die rothgoldige Beleuchtung mit den letzten Strahlen der untergehenden Sonne von den bis dahin noch beschienenen Wipfeln der alten Fichten, Tannen und Buchen, die hier den Wald bildeten, und nur noch vom Reflex des lichtumflossenen Himmels erhielt die ganze Landschaft den letzten rosigen Hauch. Auch dieser entschwand nach und nach, und nur die über fernen Wolken glänzenden Streifen des Abendhimmels leuchteten über den gegen Westen gelegenen Hochwald herüber. Mehr und mehr griff die ernste Dämmerung Platz, die dem stillen Wald eine so zaubervolle Weihe giebt, und die diesmal noch durch die tiefste Ruhe erhöht wurde. Bald aber regte sich das dem Walde eigenthümliche Leben. Da kam ein alter Buschhase über das Gehau herübergerückt, sich tändelnd nach dem Wiesengründchen wendend, wo er Schmackhaftes


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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_204.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)