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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Blätter und Blüthen.

Tauben-Sanftmuth. Die sprichwörtlich gewordene „Tauben-Sanftmuth“ ist zwar vielfach schon angezweifelt und angegriffen worden; man hat auf die Zank- und Streitsucht des Taubengeschlechtes, auf die Eifersucht der Männchen und ihre erbitterten Kämpfe aufmerksam gemacht; doch nirgend hörte ich von einem so schlagenden Beweise für die Bosheit und Rachsucht der „sanftmüthigen Täubchen“, wie ich ihn selbst erlebt habe. – Zur Belustigung der Kinder ließ ich den alten Taubenschlag vor der Thür meines Wohnhauses renoviren und mit einer ganzen Taubencolonie bevölkern. Da gab es Feldflüchter als Proletarier; Glasaugen und Werfer in der Classe der Honoratioren, Kröpper repräsentirten den Bauernstand; Mövchen, Perücken und Trommler bildeten die Gelehrten- und Adelsaristokratie. Die Eigenthümlichkeiten, um nicht zu sagen den Charakter der einzelnen Racen, wie der Individuen beobachtete auch ich oft mit Vergnügen und suchte meine Kinder darauf aufmerksam zu machen. Während die Einen in strenger Abgeschiedenheit von dem großen Haufen sich bewegten, nur an einander Wohlgefallen zu haben schienen, besaßen Andere eine unverbesserliche Nichtachtung ihres „edleren Blutes“ und konnten nur durch Gewaltmittel von einer Mesalliance abgehalten werden. Ein Paar prachtvoller weißer Pfauenschwänze zeichnete sich vor allen anderen durch seine Schönheit aus. Es hatte sich der ganz besondern Liebe und Aufmerksamkeit meiner Jungen zu erfreuen. – Doch wie sich nie in einer Person alle Vorzüge vereinen, so ging auch diesem hocharistokratischen Paar die Gewandtheit im Fluge ab. Darum kein Wunder, daß die Pfauentaube eine leichte Beute des raubgierigen Habichts wurde. Die Trauer über diesen schmerzlichen Verlust war um so tiefgreifender, als sich nicht so bald Gelegenheit zu einem Ersatz bot. Der verwittwete Gatte war jedenfalls am schlimmsten daran, und wir glaubten deshalb auch billige Rücksicht nehmen zu müssen, als wir bemerkten, daß er, fern von jedem Rangvorurtheil, sich an dem warmen Herzen einer jugendlichen Schönheit aus dem Arbeiterstande zu trösten suchte.

Eines Tages jedoch brachte ich aus der Stadt eine würdigere Gattin für den „edlen Wittwer“ mit, und sofort ward sein neues Verhältniß für ein schmähliches Concubinat erklärt, das süße Band gewaltsam getrennt, der Vollblutstauber mit seiner ihm bestimmten Gemahlin zu näherer Bekanntschaft einstweilen in einen besondern Käfig gesperrt und die verstoßene Gemahlin, um jede eheliche Scene zu verhüten, nach einem entfernten Vorwerke in’s Exil geschickt, wo man ihr gleichfalls einen entsprechenden Gemahl octroyirte. Mit ihr wurde das ganze Geschlecht der Arbeiter oder Feldflüchter ausgemerzt und fortgeschickt. Anfangs ging Alles gut. Das fürstliche Paar siedelte nach dem gemeinschaftlichen Taubenschlage über, begann alsbald sich häuslich einzurichten, und nach Verlauf einiger Wochen brachte mein Hans die Freudenpost: „es wären zwei Eier im Neste.“ Auch die Verbannte schien sich in das Unvermeidliche gefunden zu haben; auch sie trug fleißig zu Neste und hatte, wie der Schaffer berichtete, still und eingezogen mit ihrem Manne gelebt. – „Die Sache ist ausgestanden,“ dachten alle Betheiligten, nur die Hauptperson nicht. Sie, die in ihren heiligsten Gefühlen Beleidigte, erschien plötzlich auf dem Hauptgute und schlüpfte, nachdem sie das Terrain recognoscirt, durch ein ihr nur zu wohl bekanntes Hinterpförtchen in den Taubenschlag. Hier erhob sich nun zum Schrecken aller Zuschauer ein gewaltiger Tumult. Brütende Mütter flogen, ihrer natürlichen Pflichten vergessend, geängstigt ins Freie; dennoch hörte man drinnen heftigen Flügelschlag und zorniges Gegurre. Da taumelte, arg zerzaust, mit Blutspuren auf dem weißen Gefieder, auch die Pfauentaube heraus, verweilte unschlüssig auf dem Rande des Flugbretes und hob sich dann schwerfällig auf das vorspringende Dach ihres Hauses, von wo sie mit vorgebeugtem Halse das Innere ihrer Wohnung zu durchspähen suchte. Endlich schoß, wie ein Pfeil, der feindliche Eindringling aus dem Schlage, hob sich, ohne einen Augenblick zu verweilen, hoch in die Luft und verschwand den Blicken der bestürzt dastehenden Knaben. Jetzt erst kamen diese auf den Gedanken, eine Leiter zu holen, um den Schauplatz „gräßlicher Thaten“ näher zu untersuchen. Die Wirklichkeit blieb denn auch hinter dem Entsetzlichsten, was eine Kinderphantasie auszuhecken vermag, nicht zurück. Das liebe Nest des edlen Paares war völlig zerstört, die Schalen der gänzlich zerhackten Eier lagen stückweise auf dem Boden des Schlages, die beraubte Mutter flatterte hülf- und rathlos umher, ohne das stille Plätzchen ihres Glückes wiederzufinden. Doch kein zweites Nest war verletzt worden. Das empörte Rechtsgefühl der Kinder verlangte, zur Beruhigung der schmerzlich aufgeregten Gemüther, eine eclatante Genugthuung, und in einem Familienrathe beschlossen wir (natürlich ohne des eignen Unrechts, durch das wir fremdes hervorgerufen, zu gedenken) den Tod der Mörderin. Allein auch bei uns hing man dazumal keinen Verbrecher, bevor man ihn hatte. Die Schuldbeladene kehrte, wie von einer bösen Ahnung getrieben, nicht in ihr Exil zurück. Vergebens harrte ihrer der verlassene Gatte, der „auf Mord sinnende“ Schaffer.

Sie mußte in einem fremden Taubenschlage Unterkommen gefunden haben. – Das tiefgekränkte Pfauentaubenpaar brütete in diesem Jahre nicht wieder. Als aber im folgenden Sommer in einem neuen, schöneren Neste glücklich zwei junge hoffnungsvolle Pfauentauben sich zeigten, dachte Niemand an die Verschollene mehr. Vielleicht hatte sie uns nur sicher machen wollen, vielleicht gedachte sie einer noch raffinirteren Rache zu genießen; genug, es wiederholte sich die Scene vom vorigen Jahre. Die unschuldigen Jungen wurden von ihrer unversöhnlichen Feindin auf's Grausamste umgebracht. Erst im dritten Jahre gelang es mir, die um das Gehöft herumlungernde Verbrecherin zu schießen. Jetzt konnte unser kinderloses Ehepaar endlich seine Sprößlinge, unbehelligt von fremden Eindringlingen, groß ziehen.

H.




Kleiner Briefkasten.


Wilhelm Bauer und das deutsche Taucherwerk betr. Noch vor der Veröffentlichung des Comité-Anfrufs für W. Bauer, also auf die einfache Bitte der Gartenlaube, sind ferner bei der Redaction für den Erfinder und sein Werk bis zum 14. März eingegangen: aus Hannover 3 Thlr., von Scholtz in Schleswig 1 Thlr., aus Burgstädt 1 Thlr., durch Oek.-B. Keil in Leisendorf 1 Thlr., durch R. Dr. Saalborn in Pritzwalk 23 Sgr., durch J. W. Weißenborn in Langensalza 2 Thlr., aus Segeberg 1 Thlr, aus Betsche 1 Thlr, aus Dresden 2 Thlr., von 29 Lesern der Gartenl. in Asch 14 Thlr. 25 Sgr., durch R. und P. Amtm. Ringl in Lieberose 4 Thlr., durch F. W. Winkler in Soden 5 fl. 12 kr., durch P. Völckers in Eutin 4 Thlr. 20 Sgr., aus Ronsdorf 1 Thlr., von 4 Lesern der Gartenl. zu Aistershaim in Oberösterreich 1 Thlr. 6 Sgr., B., B. und H. in Berlin 15 Sgr., von 7 Lesern der Gartenl. in Raunhof 1 Thlr., aus Herlasgrün 3 Thlr., aus Langensalza von E. D. 1 Thlr., von R. M–g in Taucha 1 Thlr., aus Walddorf bei Eibau 1 Thlr., durch O. Bertram in Kassel 1 Thlr., durch Boyes und Geisler in Hamburg 3 Thlr., durch I. Müller in Diez a. d. Lahn 1 Thlr., von dem Thiergartenpersonal zu Moritzburg 21 Sgr., von Kr. M., K. Chol. n. C. – 21 Sgr, von A. S. aus Kassel 3 Thlr., W. St., W. B., A. R. 3 Thlr., aus Schönheide 4 Thlr. 10 Sgr., von I. Müller „G. f. d. W.“ 1 Thlr., Zwei Abonnenten und ein Mitleser der Gartenl. 1 Thlr., aus S. bei B. 1 Thlr., von einigen Leserinnen der Gartenl. in Ostheim vor der Rhön 3 Thlr., von A. Hennicke in Zobten 4 Thlr. 15 Sgr., aus Bochum 3 Sgr, durch F. W. Reuß in Oberursel bei Frankf. a. M. 2 fl. an Briefmarken = 1 Thlr. 2 Sgr., durch die Ernesti’sche Buchhandlung in Chemnitz 1 Thlr., von Rechtsanwalt v. W. in Schlawe 5 Thlr., von mehreren Kattowitzern 1 Thlr., aus Berlin 1 Thlr., durch S. Plaut in Bodenteich 2 Thlr. 13 Sgr., durch Lehrer Barthelmes in Völkersleier 2 fl. rhn., durch D. Wurlitzer und Kaufm. Schael in Gottesberg 5 Thlr. 15 Sgr., von Frau S. St., geb. H., in Dover (Delaware, Nordamerika) ein Wechsel für W. Bauer auf 25 fl. rhn.

Alle Geldsendungen sind frankirt zur Post zu geben.

Auf die verschiedenen Anfragen nach der Weiterbeförderung etwaiger Sammlungen durch die Sortimentsbuchhandlungen des Ortes kann ich nur bitten, Rücksprache mit den betreffenden Chefs der Buchhandlungen zu nehmen. Ich bin von der Freundlichkeit der Herren überzeugt, daß sie keine abschlägige Antwort geben.

E. Keil.

Lehrer G. B. in Mallmitz. Ihr „junger Garibaldianer“ ist noch kein Gegenstand für die Gartenlaube. Nicht was Einer in der Jugend verspricht, interessirt jetzt das deutsche Volk, sondern was er im Alter hält.

A. P. in Mgdbg. Ihr großes Trinklied beginnt mit einem so ungeheuerlich kecken und originellen Schwung, daß es im Fortgang nicht höher hinaufkann; so kommt es, daß es sich gesungen jedenfalls besser ausnimmt, als es sich gedruckt ausnehmen würde.

W. H. in Düsseldorf. König Leopold und Victor Hugo haben der Todesstrafe des Gesetzes gegenüber, durch That und Lied etwas Gutes vollbracht; Gleiches ist nicht von Ihrer Uebersetzung des betreffenden Gedichts zu sagen.

F. S. Nr. 74, poste restante Vallendar bei Coblenz. Nicht verwendbar. Wir bitten, über Ihr Manuscript zu verfügen, da die Post ohne vollständige Adresse des Empfängers Poste-restante-Sendungen nicht befördert.

I. M. in Itzehoe. Gedichte; dankend beseitigt. – Ihre Bemerkung für Herr Wilhelm Bauer werden wir demselben mittheilen.



Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das erste Quartal, und ersuchen wir die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das zweite Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Außer den trefflichen Beiträgen eines Bock, Carl Vogt, Schulze-Delitzsch, B. Auerbach, Beta, Ad. Stahr, Max Ring, L. Storch, Fr. Oetker, Temme, G. Hammer, Mor. Hartmann, H. Schmid, Lev. Schücking, Otto Ruppius, Otto Müller, Ed. Hoefer etc. etc. kommen im nächsten Quartal zum Abdruck:

Schlaf und Traum, von Hofrath Schleiden in Jena – Ein Künstlerdenkmal, von Lobe - Bairische Jäger und Wildschützen – Großfürst Constantin und sein Einzug in Jerusalem, von Hofrath Tischendorf Lichtblicke aus Tyrol – Ein hessischer Märtyrer – Die deutschen Spielhöllen – Bilder aus der Reise des Herzogs Ernst von Coburg-Gotha nach Afrika. Mit besonderer Genehmigung des Herzogs, von Dr. Alfred Brehm. Mit Abbildungen – Das Haberfeldtreiben etc. etc.

Leipzig, im März 1862.

Ernst Keil.


Empfohlene Zitierweise:
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