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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

„Hier?“ fragte der Diener, seinen Herrn ansehend.

„Hier!“ befahl die Dame.

Und – „hier!“ sagte auch der Graf Kuno. Er hatte sich Muth gemacht. Der Diener ging.

„Aber Du mußt ihn mir überlassen,“ bat die Dame des Grafen. „Ich habe noch keinen Demokraten gesehen, ich habe nur von ihnen gelesen, den wilden Bassermann’schen Gestalten. Ich war noch ein Kind, das nicht auf die Straße durfte, da sie die Straße regierten.“

Der Graf Alexander H. trat ein, der hohe, schöne Mann mit dem bleichen Gesichte, und in diesem Gesichte den edelsten Schmerz und einen ruhigen, aber desto strengeren, einen erhabenen Ernst. Er ging lahm, aber wo und wem imponirt nicht die Wunde, die ein tapferer Krieger im Kampfe mit dem Feinde gewonnen hat? Die ganze Gesellschaft saß plötzlich schweigend, als sie ihn sahen. Auf den Lippen der schönen Damen erstarb das ironische Lächeln, mit dem sie einen Hochverräther wohl hatten empfangen wollen. Der Oberhofjägermeister erhob sich unwillkürlich, dem Gaste entgegen zu gehen.

Aber – „mein Gott, Kuno, Du zitterst!“ mußte ihm seine Freundin in’s Ohr flüstern.

Er nahm sich zusammen und trat dem „alten Freunde“ entgegen. Er hatte die Laune wieder, die zu seiner lustigen Gesellschaft paßte.

„Alexander! Welche Freude, Dich wieder zu sehen! Und Du kommst gerade zur glücklichen Stunde. Lasse Dich bei uns nieder. Die Freunde und die Schönen, die Du hier siehst, brennen vor Verlangen, Dich kennen zu lernen.“

Der Gast war in der Nähe der Thür stehen geblieben. Er stand da in seiner vollen, eisernen und eisigen Ruhe.

„Ich habe mit Dir allein zu sprechen, Kuno.“

„Ich denke, später, mein Freund.“

„Was ich Dir zu sagen habe, muß ich Dir zuerst sagen. Aber mit oder ohne Zeugen, wie Du willst.“

Der Graf sann einen Augenblick nach. „Begleite mich!“ sagte er dann. „Ihr Anderen, laßt Euch nicht stören.“

Er sprach ruhig. Aber die Stirn war ihm feucht geworden. Er führte seinen Gast aus dem Salon.

„Der arme Graf Kuno schwitzt!“ hörte er, als er die Thür hinter sich zumachte, seine Freundin noch sagen.

Sie hatte es halb ernsthaft, halb scherzend gesagt, als wenn sie einen Fühler in die Gesellschaft werfen wolle, ob man noch lachen könne. Niemand lachte; Alles schwieg. Der Graf Kuno erblaßte. Er führte den „alten Freund“ in sein Zimmer.

„Was hättest Du mir zu sagen, Alexander?“

„Ida ist todt. Ich habe sie gestern begraben.“

„Ach!“

„Und Du bist ihr Mörder.“

„Ich, mein Freund? Ich hatte seit zwölf Jahren nichts von ihr gesehen und gehört.“

„Sie war in Deinem Hause, die Erzieherin Deiner Geschwister. Ihre Schönheit entflammte Deine Leidenschaft. Sie wies Deine schlechten Anträge zurück. Du wußtest Rath, die Hölle Deines Herzens hatte ihn. Deine Frau – Ihr hattet Euch Beide nie geliebt – sie hatte Dir das Leben schwer gemacht – Du beschlossest ihren Tod. Ida mußte das Gift ihr reichen, das Du ihr bereitet hattest. Sie reichte es ihr, ohne daß sie es wußte. Und nun hattest Du sie in Deiner Gewalt. Sie hatte einmal das Gift gereicht; ein Wort von Dir machte sie zu der Mörderin. Sie hatte an die Stelle der Ermordeten treten wollen. So drohtest Du ihr. Du hattest an den Scharfblick oder an den redlichen Sinn des Arztes nicht gedacht. Du mußtest noch in derselben Nacht, um Dich zu retten, Deine Drohung wahr machen. Ist es so?“

„So hat es Dir Deine Geliebte – das war Dir die Mamsell Ida doch? – wohl selbst erzählt?“

„Ida war zu edel, um selbst gegen einen Schurken, wie Du bist, zu denunciren.“

„Alexander, vergiß nicht, daß wir Beide Edelleute sind.“

„Ich kam hierher, um es Dir zu sagen. Du wirst Dich morgen früh um fünf Uhr mit mir schießen, draußen am Birkenwäldchen. Ich erwarte Dich.“

Der Hochverräther ging kalt und ruhig, wie er gekommen war. Der Oberhofjägermeister kehrte zu seiner lustigen Gesellschaft zurück. Sie saßen noch schweigend.

„Bist Du den steinernen Gast los geworden?“ fragten sie ihn.

Sie wollten wieder lustig werden.

„Ja,“ sagte der Graf. „Und morgen früh um fünf Uhr werdet Ihr mir gegen ihn als Secundanten und Zeugen dienen. Aber nun laßt uns wieder trinken und scherzen.“

Am anderen Morgen früh um fünf Uhr wurde am Birkenwäldchen draußen vor der Residenz der Oberhofjägermeister Graf Kuno – von dem Grafen Alexander H. im Duell zusammengeschossen, sodaß er für todt hinweg getragen wurde. Der Graf Alexander H. kehrte nach der Schweiz, nach Zürich zurück. Der erste Gang, den mein Freund Alexander Roth hier machte, war zu mir.

„Sie war doch unschuldig,“ sagte er. Es waren seine ersten Worte, lange auch seine einzigen.

Später erzählte er mir das Andere, später, als so Vieles von der Amnestie gesprochen und geschrieben wurde. Er segnete diese Amnestie. „Die Arme konnte in meinen Armen sterben!“

Und wenn diese Amnestie früher gekommen wäre? Nur wenige Jahre, nur ein einziges Jahr früher? Sie hätte in seinen Armen leben können, als glückliche, als liebende und geliebte Gattin. Aber Gott, der Herr der Herren, prüft auch die Herzen der Könige und lenkt die Schicksale der Menschen, und er allein weiß, was das Beste ist.

Mein armer Freund ist vor wenigen Monaten gestorben. Die Kraft auch seines Lebens war schon lange gebrochen. Wir begraben auch nach der Amnestie noch deutsche Herzen hier in der fremden, aber freien Erde.


Kleiner Briefkasten.


Für W. Bauer’s „deutsches Taucherwerk“ sind ferner (bis 19. April) eingegangen: 50 fl. rhn. als erste Sammlung der badischen Ingenieure des Wasser-, Straßen und Eisenbahnbaues, durch den großh. Bezirksingenieur in Stockach; 1 fl. östr. aus Oestr. Schlesien von einem Leser der Gartenlaube; 2 Thlr. von zwei Lesern der Gartenl. zu Myslowitz (Schlesien); 2 Thlr. von C. T. aus Linken; 1 Thlr. von W. Stößel in Schweinfurt; 1 fl. von d. L. d. G. zu Ockstadt in der Wetterau, durch Bindernagel u. Schimpff in Friedberg; 3 Thlr. von A–T. in Leipzig; 2 Thlr, 10 Sgr. von einigen Handelsschülern zu Chemnitz; durch H. B. aus Oberstein von einem Theil der dortigen Turnerschaft 3 Thlr., von einer deutsch. Frau 1 Thlr., von einem Freunde des Fortschritts 1 Thlr.; von Peters in Berlin 10 Sgr.; 2 Thlr. 10 Sgr. von einigen Lesern und Leserinnen der Gartenlaube am Piesberge bei Osnabrück; durch die Redaction des Mainzer Anzeiger 1 Thlr. 4 Sgr. von Zabern; 7 Thlr. 17 Sgr. 7 Pf. „gesammelt durch die Zöglinge der Privatschnle in Abbehausen, denen W. Bauer’s unterseeische Kameele eine ebenso angenehme als lehrreiche Physikstunde bereitet haben“; durch Fr. Stollberg (Garcke’sche Buchhdlg.) in Merseburg 1 Thlr. 10 Sgr. gesammelt durch H. Weydener; 1 Thlr. von C. u. W. in Wien; 3 Thlr. „freudiger Beitrag“ von drei Hamburgerinnen in Baden-Baden; durch Ferdinand Ullrich in Werdau in S., als erste Sendung, 5 Thlr. 15 Ngr. (je 15 Ngr. von den Herren Dr. med. Stumme, Ed. Beckert, Herm. Eisenschmidt, Gottl. Krügel, F. E. Schulze, G. Wieske, F. W. Tschirner, L. Pöckert, L. Schneider, Jul. Schulze und F. Ullrich); 1 fl. rhn. durch J. Kurz im Rippberger Eisenwerk bei Miltenberg (Baden); durch P. G. Bohln 1 Thlr. von der Lüdingworther Sängergesellschaft, als erste Sendung; durch Apoth. Dr. Schmidt in Wunsiedel 12 fl. 42 Xr. rhn. „von einem Kreise von Männern, welche das regste Interesse an jeder deutschen Erfindung nehmen“; durch C. F. Calenbach in Roslau 4 Thlr. 25 Sgr. gesammelt in einer musikalischen Abendgesellschaft, 1 Thlr. von einem Damenkränzchen; durch Gerold u. Sohn in Wien 33 fl. östr. W. gesammelt in einer Wochenversammlung des niederöstr. Gewerbevereins am 4. April; durch G. Binger in Amsterdam 2 Thlr. von der Tischgesellschaft „im Häschen“; 1 Thlr. von Calculator Hoben in Waldenburg; 2 Thlr. von I. L. in Frankfurt a. M.; 13 Thlr. vom Ausschuß des Vorschußvereins in Leipzig; 1 Thlr. von I. E. aus Hamburg; 1 Thlr. Postst. Wreschen; 1 Thlr. von R. in C. durch C. Eißner in Delitzsch; 7 fl. 9 Xr. von den Lesern d. Gartenl. zu Pappenheim in Baiern; 1 Thlr. von G. A. in S.; 5 fl. rhn. von den Schülern der Architekturschule des Städel’schen Kunstinstituts zu Frankfurt a. M., aufgebracht durch eine Groschensammlung; 5 Thlr. „dem Bauer unterm Wasser die Bauer im Wasser (Kriegshafen zu Hoppers an der Jade); 1 Thlr. „Viribus unitis“; 1 Thlr. 20 Sgr., einige Abonnenten der Gartenl. in Sorau; 50 fl. rhn. vom volkswirthschaftlichen Verein zu Frankfurt a. M. durch dessen Präsidenten Dr. Malz.

K. Tr. in J. W. Bauer’s Taucherkammer bringen wir in e. d. nächsten Nrn.

Concordia in Dresden. Sie haben mir 15 Thlr. für die deutsche Flotte gesandt. Wie die Sachen jetzt liegen, halte ich es für Schuldigkeit nochmals anzufragen, wohin ich das Geld adressiren soll. Nach Berlin doch schwerlich noch, wenigstens dürfte es dort nicht für eine deutsche Flotte verwendet werden. Bitte also gefälligst anzugeben, für welchen nützlichen Zweck das Geld angelegt werden soll.

E. Keil.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_288.jpg&oldid=- (Version vom 3.4.2019)