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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Pflanzen und auch kleine Thiere) vom Meeresgrunde aufheben und im Apparate bergen, so ist zu diesem Behufe an der Außenwand eine Trogzange so angebracht, daß, wenn die sie regierende Kurbel im Innern in Bewegung gesetzt wird, eine Schraube sammt der Trogzange sich zum Grunde hinabsenkt. Der Apparat fährt nun auf dem Boden hin und nimmt die betreffenden Gegenstände, Muscheln etc. ein. Hierauf schließt die Kurbel den Deckel und ergreift so die gesuchten Gegenstände, worauf durch die Zurückbewegung der Kurbel die Trogzange sich wieder erhebt bis zu ihrer Ausgangsstelle. Hier tritt, durch eine Schraube im Innern geführt, ein Schubladen aus der Hülle der Taucherkammer hinaus, die Trogzange öffnet sich, entleert ihren Inhalt in die Schublade (wie unser Bild es darstellt), und nachdem diese wieder zurückgezogen ist, beginnt dieselbe Arbeit von Neuem. Es ist einleuchtend, daß auf diese Weise in der Perlenfischerei allein binnen 6–8 Stunden mehr gefördert werden kann, als mit der bisherigen Methode in eben so viel Tagen oder gar Wochen. – Für naturwissenschaftliche Arbeiten sind wieder andere Werkzeuge, als Zangen, Schaufeln, Draht- und Glaskörbe nöthig, um Pflanzen, Thiere und sonst transportable Gegenstände möglichst unbeschädigt vom Boden zu trennen und an das Niveau zu tragen. Eine eingehende Beschreibung derselben und ihrer Anwendung müssen wir hier unterlassen; es kann sich Jeder selbst leicht ein Bild davon machen, wenn ihm die Einfachheit der Handhabung der hier beschriebenen Instrumente klar geworden ist.

Schließlich kann die Taucherkammer auch zu Kriegszwecken verwendet werden. Wie sie bedeutend schwere Lasten von Steinen in der Tiefe regiert, eben so kann sie auch Petarden tragen, die mit 500 bis 1000 Pfd. Pulver und Bomben gefüllt und so ausgerüstet sind, daß sie mittelst einer Art Fuchsfallen oder durch pneumatische Sauger an den feindlichen Fahrzeugen, Hafenthoren und dergl. befestigt und auf elektrogalvanischem Wege oder durch Percussions- oder Zeitzünder entzündet werden. „Daß gegen die Wirkung von 500–1000 Pfd. Pulver und 5–12 Bomben (so schreibt der auch im Artilleriefache gründlichst erfahrene Erfinder) keine durch Menschenhände zusammengefügten Bauten zu stehen vermögen, dürfte Jedermann außer Zweifel sein. Aber auch angenommen, es widerstände eine noch zu erfindende Eisenwandstärke einem solchen Stoß, so ist doch klar, daß der plötzliche Ruck auf eine Wasserhose von 200 Fuß Höhe das Schiff, die Armirung und die Mannschaft dermaßen durcheinander werfen müßte, daß kaum noch ein lebendes Wesen sich auf demselben erhalten dürfte, abgesehen von der Wirkung des nun aus solcher Höhe herabstürzenden riesigen Wasserstrahls. – Zunächst wünschte ich jedoch die industrielle Ausbeute dieser unterseeischen Fahrzeuge gefördert zu sehen, denn dann werden unsere Küstenstaats-Regierungen sicherlich Gelegenheit nehmen, zu ermitteln, ob und wie weit sie es in ihren staatlichen Interessen finden, solche hyponautische Apparate für Kriegszwecke besonders construiren und ausführen zu lassen, da diese industriellen Taucherkammern ihrer cylindrischen Form wegen eben nur zur Vertheidigung von Küsten und Häfen, keineswegs aber zum Verfolgen des Feindes und zu entfernteren Angriffen auf denselben geeignet sind.“

Ueber die Anwendung und technische Ausrüstung der Taucherkammer zur Untersuchung und Reparatur der unterseeischen Telegraphenkabel will Herr W. Bauer selbst der Gartenlaube einen besondern Artikel liefern, in welchem er dann zugleich eine zweckmäßige Art der Legung dieser Kabel entwickeln und auf seinen in England patentirten Kabelcutter Bezug nehmen wird.

Auch diesen Artikel können wir nicht schließen, ohne unsere Leser und die gesammte deutsche Nation dringend zu mahnen, sich an den Sammlungen von Beisteuern zur Ausführung dieser großartigsten Erfindung der Gegenwart ebenso rege als rasch zu betheiligen, damit unserem Vaterlande die Ehre wie die Beute derselben nicht abermals vom Auslande entrissen werde.

Fr. Hofmann.




Zweimal gelebt.

Einer wahren Begebenheit nacherzählt
von Günther von Freiberg.
(Fortsetzung und Schluß.)


Der Abend des zweiten Tages, an welchem Douglas Oliver’s Gastfreundschaft genoß, war angebrochen. Der Lord, von der aufopfernden Pflege seines Wohlthäters unterstützt, hatte sich vom Lager erheben können und saß am offnen Fenster, von wo aus er den reizendsten Anblick über die Guta gewann. Er war allein. Oliver erging sich im Garten. Draußen auf der Schwelle des Krankenzimmers lag der Kurde, einem Cerberus gleich den Eingang versperrend.

Der Genesende saß da wie ein Gefangener, der Pläne schmiedet, wie er seine Ketten brechen und die Freiheit erringen kann.

„Schon zwei Tage unter einem Dache mit ihr,“ seufzte er vor sich hin, „und keinen Schritt weiter? Ob ich sie auch wiedersehe? Ach, mich hat nur ein Traum geneckt, wie es seitdem so häufig der Fall gewesen! Dennoch – der Stich drang zu tief in mein Herz, und eher risse ich es mir aus der Brust, als ohne Aufklärung von dannen zu gehen!“

Oben auf der Blumenterrasse lehnte Dolorida unter den Fächerpalmen. Messaouda hatte nichts gespart, ihre Neugier in Betreff des schönen Fremden zu reizen; denn folgte sie auch der That nach ihres Herrn Befehl, den Worten nach war sie doppelt ungehorsam. Warum preßte Dolorida die kalten, weißen Magnolienrosen an ihre brennenden Lippen, daß die zarten Kelche unter ihrem sengenden Kusse vom Stengel fielen? Welch einen Sturm in ihrem Busen galt es zu beschwören? Da stiegen leise, hingehauchte Töne eines Liedes zu ihr empor, wie ein Klang aus der Heimath, dem Verbannten von Freundeslippen vorgesungen.

Dolorida lauscht mit vorgebogenem Halse – – Weiter singt es, immer weiter, es ist die Melodie eines irischen Volksliedes: „Letzte Rose!“ klingt es zu ihr empor. Es sind die Worte von Thomas Moore, – wer in England kennt nicht die „letzte Rose“? Und als überfluthe Dolorida ein Strom von Rosenblättern, so, in fassungsloser Ekstase, die Arme zum Himmel empor geworfen, das Auge in den Wolken irrend, brach sie in die Kniee zusammen.

Jetzt schwieg der Gesang. Todesangst überkam Dolorida, – beide Hände führte sie an ihre Schläfen, – – die Mandoline fällt ihr in die Augen, ihre Blicke glänzen, und im nächsten Augenblick greifen ihre Finger jauchzend in die Saiten: sie antwortet in derselben Melodie, aber schon nach den ersten Takten schwimmt es ihr vor den Augen, ihre Kräfte verlassen sie, noch haucht sie einen wilden Kuß auf die Mandoline, dann greift sie in die leere Lust, als wollte sie ein Phantom festhalten, um sich daran zu klammern, und in tiefer Ohnmacht sinkt sie auf die Porcellanfliese der Terrasse.

Leidenschaftlich zieht ein Arm sie empor. Ist es ein Liebender oder ein Rasender, der die Erstarrte so gewaltsam liebkost, durch so stürmische Küsse sie erwecken will? – Lord Douglas ist es, der die Antwort auf sein Lied vernommen, der an Elias vorüber den Weg nach der Terrasse gefunden hat, Douglas, der mit tobtenblassen Lippen schluchzt: „Ellen, Ellen! Du!! – Ist Dein Herz gebrochen? O erwache ein zweites Mal für mich vom Tode, – höre mich!“

Der Verband hat sich von seinem linken Arm gelöst, er fühlt es nicht. Stürzte der Himmel ein, er ließe Dolorida nicht los, er ließe sich mit ihr von den zermalmenden Blitzen zur Untiefe schleudern, ehe er seine Lippen von den ihrigen löste. Allmählich theilte sich der Feuerstrom seiner Leidenschaft der Bewußtlosen mit; sie schlug die Augen auf, und ohne Verwunderung, aber mit tiefster Ueberzeugung, schmelzendster Zärtlichkeit flüsterte sie: „Bist Du es endlich? Was ließest Du mich so lang in seiner Gewalt? Laß uns fliehen, bevor er wiederkehrt!“

„Ellen! Mich faßt ein Wahnsinn! Was ist geschehen? Wandeln wir noch auf Erden, sind wir Beide hinübergegangen? Was ist Tod – was ist Leben? Gott, Gott, ich weiß es nicht mehr!“

Keine Antwort wartete er ab, keine Antwort gab sie, in überschwenglich seligem Schweigen starb jedes Wort hin –

„Dolorida!“ tönte eine Donnerstimme. Oliver stand neben den Beiden; er vernahm ihre sinnverwirrenden Liebesworte, er sah ihre Küsse sich begegnen. „Ihr Gatte!“ gellte es dröhnend durch sein Inneres – wüthend warf er sich zwischen sie und riß Dolorida aus Douglas’ Armen. Dolorida’s trostlosen Hülferuf erstickte Oliver,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_334.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)