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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Wir schließen diese Mittheilungen mit zwei Geschichten aus der Schimmelmann’schen Familie, die sich bis zur Stunde, besonders in den deutschen Herzogthümern Dänemarks, erhalten haben. Die erste fällt in die Zeit, da Schimmelmann noch arm in Berlin lebte. Im Hause des dänischen Gesandten am preußischen Hofe diente damals eine Kammerjungfer, welche Schimmelmann’s oft besuchte. Der Gesandte (Graf B…) war aus völlig unbekanntem Grunde gegen Schimmelmann sehr eingenommen und untersagte der Kammerjungfer jene Besuche ein für allemal. Nicht im Strome, nein, im Fluge der Zeit überholte der Freiherr von Schimmelmann den Grafen B. im Range und weit mehr noch in pecuniärer Hinsicht; der frühere Widerwille ward vergessen, eine Tochter des reichen Freiherrn und Staatsministers vermählte sich dem Grafen B. und brachte ihm Rixdorf, ein großes, schönes adeliges Gut als Brautschatz.

Dieselbe Frau Gräfin spielte leidenschaftlich Pharo. Eines Abends verlor sie in Berlin in einem vornehmen Privatcirkel an den Cavalier …, der eigentlich nur zur Unterhaltung der Gesellschaft ein sogenanntes Bänkchen aufgelegt hatte, die ungeheuere Summe von 70,000 Louisd’or. Tags darauf ließ der Cavalier sich bei ihr melden, ward empfangen, und sogleich sprach sie von der Schuld.

„O, nicht deshalb sehen Sie mich hier, gnädige Gräfin, ich kam nur, um Ihnen zwei Bitten vorzutragen, durch deren Gewährung Sie mich auf’s Angenehmste verpflichten würden.“

„Und die wären?“ erwiderte die Gräfin.

„Die erste, daß Sie mir Ihr gräfliches Ehrenwort geben, niemals wieder ein Hazardspiel zu spielen; die zweite, daß Sie mir vergönnen, durch die Schuld – wie Sie sagten – einen Strich zu machen und ihrer nicht mehr zu erwähnen.“

„Das Erste thu’ ich sogleich, hier meine Hand und mein Wort! (Sie blieb ihm treu.) Das Zweite betrifft die Ehre unseres Hauses, mein Gemahl ist, wie Sie wissen, verreist, von ihm muß ich die Antwort auf Ihr großmüthiges Anerbieten erwarten.“

Kurz darauf kam Graf B. zurück, vernahm den Hergang der Geschichte und entschied: „Dieser seltene Mann darf uns an Edelmuth nicht übertreffen, er muß vollkommen bezahlt und Rixdorf verkauft werden.“

Beides geschah, und das Gut, eine Million werth, kam in den Besitz des Grafen Westphalen, dessen Nachkommen es noch gehört.

Kehren wir nun noch einmal zu Schimmelmann’s geliebtem Wandsbeck zurück. Auf dem Kirchhofe daselbst steht eine Kapelle, welche die irdischen Reste des Grafen und seiner Gemahlin in porphyrnen Särgen bewahrt. Diese Ruhestätte liegt außer dem Bereiche der großen industriellen Umwälzungen, die der Flecken seit Kurzem erfahren und die fast alle Lustbauten Schimmelmann’s der Erde gleich gemacht haben; und wahrscheinlich überdauert jenes Trauer-Denkmal noch mehr als eine Regeneration echter und verfehlter Anlagen, wie der Geist der Zeit sie zu Tage fördern wird.

Erst nachdem Schimmelmann den Ort gekauft, erstand dort reges Leben, Wohlstand und Ansehen, erst von da an trat Wandsbeck mit in den Vordergrund der Hamburgischen Umgebungen, ward auch in weitern Kreisen genannt und seines glänzenden Besitzers stets dabei gedacht. Wenige Lustren später siedelte sich ein stiller, frommer Mann daselbst an, dem es vorbehalten war, den Namen des Ortes nicht nur in ganz Deutschland, sondern diesseits und jenseits der Oceane, kurz überall wo Deutsche von Bildung seßhaft sind, bekannt zu machen. Sein Name genügt, diese Behauptung zu rechtfertigen: er hieß Matthias Claudius, der Wandsbecker Bote.





Die zweite internationale Ausstellung zu London im Jahre 1862.

Am 1. Mai hat die zweite Londoner Weltausstellung begonnen. Leider hat sie der Schöpfer dieser Idee, der so tief betrauerte Prinz Albert, der geheime Wohlthäter Englands, nicht mehr erlebt; doch sein Geist wird in diesem seinem größten Werke segensreich fortleben.

Die Londoner Ausstellung von 1851 wird immer die tonangebende Original-Ausstellung in der Welt verbleiben, so viele Ausstellungen ihr auch im Verlaufe der Zeit in anderen Ländern gefolgt sind und noch folgen werden; sie wird für immer eine ebenso große wissenschaftliche als industrielle Bedeutung haben und behalten. Durch die erste Londoner Ausstellung wurde zuerst eine tiefdurchdachte, die Industrie dauernd fördernde Idee in die Welt gesetzt, welche die industriellen Geister der Welt zusammenführte, deren Erzeugnisse zur allgemeinen Anschauung brachte und die verschiedenen strebenden Völker der Erde einander näherte. Insbesondere aber war es die erste Londoner Ausstellung, welche die industriellen Erscheinungen der Vor- und Neuzeit so zu sagen mit einem Gürtel begrenzte, der die erste Aera der Industrie zu einem gewissen Abschluß brachte. Diesen Centralkreis, der offen den Augen des Forschers vorliegt, wird nunmehr nach Verlauf eines Jahrzehntes die zweite Londoner Ausstellung mit einem neuen Abgrenzungskreise umgeben, in welchem sie die Industrie-Erzeugnisse aus dieser Periode zur Anschauung bringt. Die Vergleichung dieser und der so von Zeit zu Zeit sich immer neu anlegenden Abgrenzungskreise unter einander, von denen jeder die Erzeugnisse der Industrie aus seiner Periode gleichsam fixirt, wird für die Wissenschaft im Allgemeinen, wie für die Industrie insbesondere ein ungeheures Ergebniß herausstellen und die Industrie zu einem lebenskräftigen Studium, zu einer besonderen Wissenschaft herausbilden, und London wird als deren Hochschule dastehen. Diese Vergleichungen der Kreise werden den sichersten Maßstab für das Fortschreiten oder Stillstehen der Industrie im Allgemeinen, sowie für die industrielle Entwickelung der einzelnen Industriezweige und der einzelnen Nationen insbesondere abgeben. Dieselben werden genau erkennen lassen, welchen Zweigen der Industrie sie sich in ihrem eigenen besten Interesse besonders zuzuwenden haben.

Indem wir den Leser auf diesen Gesichtspunkt hinweisen, glauben wir ihm am besten die Wichtigkeit der Londoner Ausstellung anzudeuten, in ihm das Interesse dafür zu erwecken und ihn am geeignetsten vor dem Vorurtheil zu bewahren, als sei die Londoner Ausstellung nichts weiter, als eine bekannte, etwas aus der Mode gekommene Sache, die man sich wiederholen lasse, um der Metropole Englands eine weitere Gelegenheit zu einem neuen Erwerbe zu bieten. Die Londoner Ausstellung erhebt sich durch ihre wissenschaftliche Tendenz und die Großartigkeit ihrer Auffassung und Ausführung entschieden über ein solches Vorurtheil. Daß man aber die Londoner Ausstellung von Zeit zu Zeit sich wiederholen zu lassen beabsichtigt, beweist der Umstand, daß man den neuen Ausstellungspalast massiv erbaut hat, während der von 1851 zwar ein die größten Bäume unter seinem Dache bergendes, aber doch nur aus Glas und Eisen bestehendes Riesengebäude war.

Von dem Platze im Hyde-Park, wo der erste Ausstellungspalast stand, etwa 1 engl. Meile südwestlich entfernt, in einer der schönsten Vorstädte Londons, in Kensington, nahe dem Kensington - Museum, befinden sich die Gärten der königlichen Gartenbaugesellschaft, welche nur durch eine sie nördlich begrenzende Straße vom unterm Hyde-Park getrennt sind. Diese bilden die Form eines großen, isolirt liegenden Parallelogramms, dessen östliche Längenseite von der Exhibition-Road, dessen westliche Längenseite von der Alberts-Road und dessen südliche kürzere Seite von der Cromwell-Road begrenzt sind. Auf diesem südlichen Theile erhebt sich in massiver Begründung, von gebrannten blaßgelblichen Ziegeln erbaut, der neue großartige Ausstellungspalast, dessen Hauptfront die ganze südliche Seite des Parallelogramms einnimmt und sich der Cromwell-Road entlang hinzieht, die auf der anderen Seite mit palastartigen Gebäuden besetzt ist.

Diese Hauptfronte hat eine Länge von 1152 Fuß und eine Höhe von 60 Fuß bis zum Dache und von 100 Fuß mit dem Dache, und zeigt eine gradlinige Facade, die zunächst in ihrer Mitte von einem 150 Fuß breiten, jedoch wenig hervortretenden Vorsprunge unterbrochen wird. In der Außenseite erheben sich 3 große, bis nahe an das Dach reichende Bögen neben einander, die so den Eingang zu einer Vorhalle bilden, in der sich die weiter rückwärts gelegenen Eingänge befinden, über welchen große Bogenfenster zu sehen sind. Diese Vorhalle bildet den Haupteingang der Südfronte. Unter dem mittleren Bogen befindet sich die große, 15 Fuß im Durchmesser betragende Palastuhr mit 5 Glocken.

Von der Höhe der Vorhalle oder des Pavillons wehen die Fahnen aller ausstellenden Nationen herab, und das Ganze gleicht so

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_347.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)