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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand.

Nach seinem Standbild im Kloster Schönthal.


Der nördliche, vom fränkischen Volksstamm bewohnte Theil Württembergs wird vorherrschend gebildet durch die Flußgebiete des Kochers und der Jaxt, zweier namhafter Nebenflüsse des Neckars. Im freundlichen Jaxtthale, etwa vier Meilen oberhalb seiner Ausmündung in das Neckarthal, liegen die stattlichen Gebäude der früheren reichsunmittelbaren Cisterzienserabtei Schönthal.

Wie Maulbronn ist auch dieses vormalige Ordenshaus in neuerer Zeit der Sitz eines der vier sogenannten niedern Seminarien, dieser Württemberg eigenthümlichen und für sein Schulleben so einflußreichen Vorbildungsanstalten für künftige evangelische Theologen des Landes.

Während nun aber Maulbronn Jahrhunderte lang darauf bedacht war, in architektonischer Beziehung fort und fort auf dem gelegten Grunde seiner romanisch-gothischen Kloster- und Kirchengebäude weiter zu bauen und ein vielbewundertes Denkmal alter Baukunst herzustellen, ist in diesem Betracht Schönthal in Nachtheil gekommen. Zwar hat man einige ältere Klostergebäude, die aus zwei weit auseinander liegenden Zeiträumen stammen, sowie ein gothisches Kirchlein stehen gelassen, aber die alte, im edlen strengen Styl des Mittelalters gebaute große Kirche wurde zu Anfang des vorigen Jahrhunderts durch eine noch größere ersetzt, so daß das schönste hiesige Denkmal der reinen Kunst der Mode der Neuzeit zum Opfer gefallen ist. Gleichwohl ist Kloster wie Kirche von Schönthal auch jetzt noch eines Abstechers von dem vier Meilen entfernten Heilbronn aus gar wohl werth.

Das Standbild des Götz von Berlichingen im Kloster Schönthal.

Dies aber um so mehr, da sich hier einiges Andere erhalten hat, was selbst Maulbronn nicht besitzt. Außer einigen andern Bildern nämlich, z. B. von Kaiser Friedrich Barbarossa, von Papst Alexander III., von Bernhard von Clairvaux, und außer einem für die Geschichte des Costums wichtigen Ordenssaal mit Hunderten von Abbildungen aller möglichen Mönchs-, Ritter- und Nonnentrachten, ist in dem Kreuzgang dieses Klosters eine Reihe lebensgroßer Standbilder von früheren Schirmherren desselben aufgestellt. Es sind achtzehn sorgfältig in Sandstein ausgeführte Statuen, welche an sich schon dadurch, daß sie Ritter von vier verschiedenen Jahrhunderten genau in der Rüstung ihrer Zeit darstellen, für die Geschichte der Waffen und Wappen des Mittelalters und für die Kunst überhaupt von erheblicher Bedeutung sind. Sie stellen, mit Ausnahme eines einzigen Standbilds, sämmtlich nur Ritter des edlen Geschlechts der Herren von Berlichingen dar. Als nämlich der Gründer des Gotteshauses, Wolfram von Bebenburg, 1157 nach der Legende in Folge eines Gesichts genöthigt wurde, statt des früher von ihm gewählten, höher gelegenen Platzes für seine Stiftung einen andern im Thal aufzusuchen, bat er die im nahe gelegenen Jaxthausen angesessenen Verwandten seiner Frau, welche eine geborene von Berlichingen war, das zu dem neuen Kloster nöthige Ackerfeld nebst dem daran stoßenden Grund und Boden abzutreten. Diesem Wunsche wurde bereitwilligst entsprochen und nur die Bedingung hinzugefügt, daß den Herren von Berlichingen das Begräbniß in dem künftigen Kreuzgang des Klosters für alle Zeiten gestattet werde, Abt und Convent die vor die Klosterpforte gebrachte Leiche processionsweise in die Kirche begleiten und daselbst die gewöhnlichen Exequien für den Verstorbenen halten sollten.

Diesem Umstände und dieser bis zur Reformation befolgten Anordnung haben wir es zu danken, daß auch von dem durch ein großes Dichterwerk verherrlichten Sprößling dieses Adelsgeschlechts, dem durch seine Betheiligung am Bauernkriege berühmten Götz von Berlichingen, gleichfalls ein Standbild in der Reihe seiner Stammgenossen steht, das alle Spuren vollkommener Portraitähnlichkeit an sich trägt. Dafür spricht nicht allein die Verwandtschaft der Züge mit denen anderer Ahnen des Geschlechts, in deren Mitte er steht, sondern die überraschende Aehnlichkeit einzelner, noch jetzt lebender Glieder des Hauses mit der Gesichtsform, der Statur und Größe des Körpers, die wir an diesem steinernen Götz wahrnehmen. Dadurch wird aber reichlich aufgewogen, was dem Bildwerk etwa an künstlerischer Correctheit abgeht. Wäre man ja fast versucht zu behaupten, dieses minder schöne und ästhetisch nicht völlig befriedigende Abbild des Ritters mit der eisernen Hand entspreche im Grunde noch besser, als ein vollkommneres, dem Wesen und Charakter des Mannes, der mit Kunst und Wissenschaft sich niemals viel befaßt hat und in dessen ganzer Erscheinung das Biedere, Derbe und Ungeschlachte bei Weitem das Uebergewicht hatte.

Doch noch eine weitere, sonst minder bekannte Eigenschaft, die auch stark aus der von Götz hinterlassenen Selbstbiographie hervorleuchtet, eine innige und lebendige Frömmigkeit, lernen wir an ihm auch kennen, wenn wir unserem Bilde näher treten und die, nach dem wunderlichen Style zu schließen, von Götz selbst verfaßten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_357.jpg&oldid=- (Version vom 3.6.2020)