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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

an, welche bis gegen neun Uhr, d. h. dem Augenblicke, wo aller Unrath von den Straßen entfernt ist, dauert.

Hat der Chiffonnier bis dahin gesammelt, so ist nun für ihn der Moment des Sortirens und Versilberns gekommen. Er begiebt sich zu dem Ende in sein Hotel, trennt die currenten Artikel von den weniger currenten und trägt erstere unverzüglich zum Großhändler, der sie ihm in klingender Münze bezahlt. Die weniger currenten Artikel werden zu den schon gesammelten Vorräthen gethan und erst dann versilbert, wenn das Quantum der Mühe werth.

Ist es ob diesen verschiedenen kaufmännischen Operationen elf Uhr geworden, so erinnert sich der Pariser Lumpensammler daran, daß der Mensch nicht blos zum Lumpensammeln geboren. Darum besinnt er sich nicht lange, zieht mit dem erhaltenen Silber- und Kupferblech auf seine Stammkneipe und „blecht“ hier für Cognac und dergleichen, bis es mit dem Glockenschlag Fünf in seine umnebelten Ohren dröhnt:

„Und wer das neue Lied nicht kann,
Fang’s alte wieder von vornen an!“

Trotz alledem darf und wird aber der Industrielle nicht hochmüthig auf dieses schmutzige Geschäft herab sehen. Auch unter den Lumpensammlern giebt es „Großhändler“ und „Kleinhändler“, denen die Sammler und Sammlerinnen, die Sortirerinnen und Ausfädlerinnen untergeordnet sind.

Die Großhändler kaufen en gros und en détail; die Kleinhändler nur en détail. Erstere beschäftigen bis zu sechzig Sortirerinnen und Ausfädlerinnen und liefern ihre Erzeugnisse aller acht Tage an den Fabrikanten ab; letztere besorgen das Sortiren und Ausfädeln gewöhnlich selbst mit ihrer Familie und verkaufen den Ertrag eines Tages am folgenden Morgen. Der Lumpensammler verkauft des Morgens, was er in der Nacht gesammelt.

In dem oben erwähnten Etablissement des Herrn B. in der Rue Loureine, dessen Specialität in Wolle und Seide besteht, sind zeitweise fünfzig bis sechzig Arbeiterinnen beschäftigt. Die Bureaux und Comptoirs im ersten Stock sind kaufmännisch großartig eingerichtet. Jedes Departement wird mit der größten Sorgfalt verwaltet. In verschiedenen Arbeitssälen im ersten und zweiten Stock arbeiten in Reih und Glied zehn bis zwanzig Sortirerinnen und Ausfädlerinnen. Jede von den Ersteren hat ihren besondern Sitz und vor sich drei Vorrathskörbe stehen; in den einen wirft sie die vorkommenden Wollen-, in den andern die Seiden-, in den dritten die Baumwollenlappen. Dieselben arbeiten entweder „auf’s Stück“ oder in „gewissem Gelde“ und verdienen durchschnittlich 1 Fr. 50 Cent. täglich. Die Arbeit der Ausfädlerinnen besteht darin, die Tuch- und Seidenlappen (gardannes) erst zu reinigen, dann in Garn aufzulösen und dieses zu kämmen, worauf es bündelweise versandt wird. Ihr Verdienst kommt dem der Erstern beinahe gleich. Der Großhändler muß über bedeutende Geldmittel verfügen können und, wenn nicht selbst eine gründliche Waarenkenntniß, so doch Jemanden haben, der letztere vollständig besitzt. Es kommt hier darauf an, aus der unbedeutendsten Kleinigkeit einen gewissen Nutzen zu ziehen.

Ein „fahrender“ Lumpensammler – denn es giebt auch „sässige“ (die Herren- und Damenschneider z. B.) – muß aber, wenn er nur einigermaßen des Gewinns theilhaftig werden will, der ihm gebührt, auch nicht auf den Kopf gefallen sein. In dem Tragkorb eines solchen findet sich gewöhnlich vor: altes Eisen, Glasscherben, Lederschnitzel, Knochen, Tuch- und Wollenlappen etc., und alle diese verschiedenen Artikel haben ihren besondern Verkaufswerth. Mit den gefundenen Flaschenstöpseln wird sogar bei den Weinwirthen an der Barriere ein ordentlicher Tauschhandel getrieben. Dann aber enthält der Tragkorb noch: 1) Stücke schmuziges Papier, carons genannt, 2) Packleinwand, Ueberreste von Säcken etc. (gros de Paris), 3) farbige Baumwollenlappen (gros de campagne), 4) grobe und schmuzige Linnenlappen (gros bul und bul), 5) weiße Baumwollenlappen (blanc sale), 6) feine Linnenlappen (blanc fin); – Waaren, die den Sammlern mit 8, 18, 20, 26, 34 und 44 Centimes per Kilogramm bezahlt werden.

Ein Theil von diesen Artikeln wird von dem Großhändler an den Papierfabrikanten abgelassen. Die Tuch- und Seidenlappen werden „ausgefädelt“, die Fäden gehörig gehechelt und bundweise an Tuch- und Seidenfabrikanten verkauft, welche ihrerseits die schönsten Zeuge daraus herstellen und dann für neu in den Handel geben. Oder man verkauft solche Partikelchen Tuch und Seide an Damen- und Herrenkleider-Flicker und Flickerinnen, die manchen theilweise avarirten Bekleidungsgegenstand damit wieder auf Jahre in Ehren bringen.

Bunte Lappen werden ballenweise in die Provinz geschickt, wo sie zur Herstellung jener kunterbunten Bettdecken dienen, auf die sich in gewissen Gegenden Frankreichs die Hausfrauen so viel einbilden. Alte Schnüre und Bänder werden zu Charpie verzupft, in seidene Hüllen genäht und gelten dann für weiche und warme Eiderdaunen. Letztere Industrie verdankt ihren Ursprung dem Erfindersinn einer mildthätigen Dame, welche der Ansicht war, dieselbe könne für arme verkrüppelte Mädchen eine Art leichter Verdienstquelle werden. Wie mir mein Cicerone in dem Geschäft der Rue Lourcine mittheilte, hat jene Dame in der Rue du Temple eine Werkstatt errichten lassen, auf der jetzt an die zwanzig größtenteils verwachsene junge Mädchen mit „Eiderdaunen“-Zupfen ihren Unterhalt verdienen.

Trotz aller dieser und anderer Bemühungen aber wird es schwer gelingen, der steigenden Demoralisation der Pariser Lumpensammler, die mit jedem Tage zunimmt, Einhalt zu thun, schon deshalb, weil zur Kunst des Sammelns nur diejenigen greifen, die, bereits bankerott an Hab und Gut und Ehre, keinen andern Ausweg vor sich sehen, als Nachts das Brod im Kehricht zu suchen, was sie auf andere Weise nicht mehr erarbeiten konnten und – mochten.





Blätter und Blüthen.



Keine saure geronnene Milch mehr. Sollte eine unserer Leserinnen die Meldung bekommen, daß die Sahne für die Kaffeegesellschaft sauer geworden sei, so braucht sie deshalb kein saures Gesicht zu machen, sondern sie läßt aus der nächsten Apotheke ½ Loth Natronlauge holen. Man tröpfelt vorsichtig in die saure Sahne von der Natronlösung so lange ein, bis der Geschmack süß geworden ist. Kein Feinschmecker ahnt es, daß vor wenig Minuten die Sahne verdorben war.




Ein Trost für Raucher. Nach Dr. Schmarda (Reise um die Erde, Braunschweig 1861, 2 Bd., S. 199) haben die Menschenfresser in Neuseeland schon bemerkt, daß das Fleisch der Tabakraucher den Geruch und Geschmack dieses narkotischen Krautes annehme und dadurch für sie ungenießbar werde. Gefressen werden also die Raucher nicht!




Joseph Streiter, der wackere Bürgermeister von Botzen, über dessen Bestrebungen wir in Nr. 17 unserer Zeitschrift berichteten, hat soeben unter dem Titel „Studien eines Südtyrolers“ (Bd. 1) ein Buch erscheinen lassen, das den Kampf gegen die Knechtung des Geistes im dortigen Lande wieder mit Entschiedenheit aufnimmt. Diese erste Abtheilung behandelt vorzüglich die Zustände in den Jahren 1845 bis 1848 und die Bewegung des letztgenannten Jahres und wird namentlich in Oesterreich viel gelesen werden.






Für W. Bauer’s „Deutsches Taucherwerk“

sind ferner (bis zum 2. Juni) eingegangen: 26 Thlr. 26 Ngr. 3Pf. Ertrag eines Concerts und der Sammlung des Gewerblichen Bildungsvereins in Leipzig; 1 Thlr. von Dr. Levysohn in Frankfurt a. M.; 2 Thlr. 5 Ngr. von einigen S. L. am Jahn-Tische den 10. Mai 62; 11 Thlr. 11 Ngr. von der Gesellschaft „Er harrt“ zu Crimmitschau durch Ehrhardt Blau; von L. E. Rangold in Celle 3 Thlr. 15 Ngr.; 1 fl. rhein. von Lesern der Gartenlaube in Dornholzhausen am Taunus („Es lebe das Vaterland des Erfinders!“); 10 fl. rhein. von L. d. G. und Mitgl. des Schillervereins zu Annweiler in der baier. Pfalz; 1 Thlr. aus Grimma; 10 Thlr. gef. durch W. B. in H. bei einer Wasserpartie auf der Saale; 11 Thlr. von Lesern der Gartenl. und Verehrern deutscher Technik in Mell bei Osnabrück; 5 Thlr. vom Gewerbeverein zu Kattowitz in Oberschlesien durch dessen Rendant Notteboom, Bauinsp.; 1 Thlr. von Hch. R. in Mülheim a. d. Ruhr; 12 Thlr. 5 Ngr. ges. vom Gewerbeverein zu Schneeberg, durch dessen Vorst. F. A. Schneider; 2 fl. rhein. vom Dr. med. L. Bertholdt, prakt. Arzt zu Mkt. Dachsbach in Mittelfranken; 4 Thlr. 11 Ngr. von der Gesellschaft „Erholung“ in Reichenau bei Zittau; 1 Thlr. („verspätet“) von Rud. Korn in Berlin; 2 Thlr. von L. d. G. in und bei Crempin; 12 Thlr. von Gewerbevereinsmitgliedern zu Limbach, durch den Vorstand Heinr. Matthes; 2 fl. österr. W. v. einem L. d. G. in Mattersdorf; 6 Thlr. 15 Ngr. ges. durch E. Duchant bei der vierten allgemeinen Versammlung Stolze'scher Stenographen aus Sachsen, Thüringen etc. am 28. Mai in Magdeburg; 1 Thlr. von „Violet“; 31 Thlr. ges. im „Verein junger Kaufleute in Berlin“, durch dessen Vorst. P. Mangoldt; 1 Thlr. und 2 Thlr. 15. Ngr. von einigen L. d. G. im Sprottauer Kreise, durch Buchh. Werner; 1 Thlr. von Kpfst. Kr. in Leipzig; 10 Ngr. von Th.; 2 Thlr. als Ueberschuß vom Fichte-Commers zu Breslau, durch stud. phil. Reinh. Herda; 2 Thlr. 5 Ngr. aus dem Wintergarten zu Leipzig; 5 fl. rhein. von mehreren Schülern der ersten Gymnasialklasse in Zweibrücken.



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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_384.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2022)