Seite:Die Gartenlaube (1862) 391.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Forstpersonal, sowie die Zeug- und Stellleute, mit Recht theilen konnten, denn auch ihnen wurden ihre Mühen in wahrhaft nobler Art vergütet. Der glückliche Wohlthäter des Tags war ein Herr v. F., der den größten Theil des Wilds gekauft und für seine Güter im Mecklenburgischen bestimmt hatte.

Späteren Erkundigungen zufolge sind von diesem gefangenen Wilde nur wenige Stück eingegangen, was um so mehr zu bewundern ist, da der Fang im März geschah, also zu einer Zeit, wo das Mutterwild hochtragend war. Man sieht hieraus, was die Natur eines solchen freigeborenen Thieres auszuhalten im Stande ist; das Wild hat nicht nur nichts gelitten, sondern auch rechtzeitig gesetzt, und die Kälbchen sind alle frisch und munter gewesen.




Schlaf und Traum.

Von Dr. M. J. Schleiden in Jena.
Nr. 2.

Es scheint, daß gerade die Unabhängigkeit des Traumes von Ordnung und Inhalt der Wirklichkeit schon früh in den Menschen den Aberglauben erweckte, es sei im Traume selbst eine höhere Weisheit zu suchen und Götter könnten dem Menschen im Traume die Zukunft enthüllen. Es könnte das, wie bei allen Mitteln die Zukunft zu erfahren, nur der boshafteste Teufel und kein guter Geist sein. Denn kann man die drohende Zukunft durch Wissen abwenden, so war ja die Verkündigung eine Lüge; kann man es nicht, so ist man in der Höllenpein, mit sehenden Augen dem Unglück entgegengehen zu müssen. – Aber die Erfahrung wird hier wie überall als gültige Zeugin aufgerufen, und Niemand läßt sich einfallen, daß sie, falsch gefragt, die größte Lügnerin sein kann. – Man führt einige Fälle an, in denen prophetische Träume eingetroffen, aber hat man je versucht, die anderen Fälle daneben zu stellen; in denen der scheinbar prophetische Traum täuschte und die sich wenigstens wie 1000 zu 1 verhalten und so zeigen möchten, daß das Eintreffen des einen ein blinder Zufall war, der sehr natürlich stattfinden kann, da sich die Träume doch immer im Gebiete des Möglichen bewegen müssen? Ich träume von dem Tode eines fernen, kranken Verwandten, und auch ohne Traum steht die Wette auf sein Leben wie 1 zu 1, der Traum kann also ebenso gut eintreffen als nicht eintreffen.

Indessen der Aberglaube hat sich einmal in den ältesten Zeiten gebildet und ist heute noch nicht überwunden. Die Griechen schliefen in den Tempeln des Amphiaraos oder Trophonios, um prophetischer Träume theilhaftig zu werden, die alten Skandinavier nach der norwegischen Chronik weniger poetisch in den Schweineställen. Wo der Traum von den Gesetzen der Wirklichkeit abwich oder ein an sich gleichgültiges und nichtssagendes Bilderspiel brachte, fanden sich bald die Priester und später kluge Leute, um von der Leichtgläubigkeit der Menschen, ihren Hoffnungen oder ihrer Furcht Vortheil zu ziehen. Traumbücher gab es von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Das älteste uns erhaltene, das des Griechen Artemidoros, hatte nach seinen eigenen und anderen Zeugnissen schon einige zwanzig Vorgänger, und er schöpfte, wie er sagt, aus ägyptischer und morgenländischer Weisheit. – Pappus von Alexandrien, der Grieche Astrampsychos, Nicephorus, der Patriarch von Constantinopel, so wie die Araber Achmet und Ebn Roscho und viele Andere waren seine Nachfolger. Am berühmtesten aber wurde im 15. Jahrhundert Junianus Magus in Neapel und endlich im 16. Jahrhundert das Traumbuch des Cardanus, das mannigfach nachgeahmt und abgeschrieben die Grundlage für alle späteren Traumbücher bis auf unsere Zeit geworden ist. Wenn Artemidoros seine Deutungen fast allein der religiösen und künstlerischen Symbolik, so wie den Sitten und Gebräuchen seiner Zeit entlehnte und dadurch, wenn auch in ganz anderem Sinne, noch jetzt von Bedeutung ist, so mischten sich doch bald rein willkürliche Einfälle hinein, und es verlor sich endlich in den Traumbüchern jeder wenn auch der Sache fremde Gehalt, und sie wurden zu vollkommenen Albernheiten. Als in neuerer Zeit Schelling die Phantasien der Neuplatoniker wieder in anachronistischem Abklatsch aufwärmte, fanden seine Schüler in diesem Gebiete auch treffliche Gelegenheit, die Thorheiten ihrer überspannten Phantasie für tiefere Weisheit zu verkaufen, und Schubert schrieb alles Ernstes eine Symbolik des Traumes. Das Buch ist selbstverständlich wissenschaftlich werthlos, und wenn man sieht, daß es die Bedeutsamkeit der Träume aus der (nicht einmal wahren) Uebereinstimmung der Volkstraumbücher, gedruckt in diesem Jahre mit Lottonummern, als den Schatz tausendjähriger Erfahrung, beweist, daß seine Hauptautorität, die er fast auf jeder Seite anführt, der verdorbene Komödiant, weiland Ritter-und Räuberromanschreiber Spieß ist: so gehört ein großer Fond von christlicher Liebe dazu, den Mann nicht für unredlich, sondern nur für einfältig zu halten.

Aus dem, was oben über den Schlaf mitgetheilt ist, folgt schon von selbst, daß unsere ganze Seelenthätigkeit, soweit dieselbe ohne das Bewußtsein bestehen kann, im Schlafe ununterbrochen fortdauern wird, daß wir also immer und ununterbrochen träumen. Dies ist oft bezweifelt worden; einige haben den Traum als eine seltene Erscheinung auf die Fälle beschränkt, wo man sich des Traumes erinnert, andere haben wenigstens den tiefsten, eigentlich gesundesten und normalsten Schlaf für traumfrei ausgegeben. – Aber dieselben, die diese Behauptungen aufgestellt haben, sagen mit löblicher Inconsequenz und besserer Beobachtung, daß jeder Schlafende durch die unwillkürlichen Bewegungen die Fortdauer seines inneren Lebens dem Beschauer verräth und daß er, zu jeder Zeit geweckt, immer die Erinnerung hat, daß er aus einem Traume erwache. Man hat sich hier dadurch täuschen lassen, daß wir uns so weniger Träume erinnern, was aber ganz natürlich ist. Eine Vorstellung, die nicht vom Bewußtsein begleitet wird, fällt außerordentlich schnell aus dem Gedächtniß heraus; das lehrt uns schon das wache Leben, und es bedarf gar keiner Erklärung, weshalb wir so weniger Träume uns erinnern, als vielmehr umgekehrt eines Nachweises der Ursachen, die es möglich machen, einen Traum in der Erinnerung festzuhalten.

Auch dafür giebt uns das wache Leben die erläuternden Thatsachen an die Hand. Wenn wir irgend einen Gegenstand mit angestrengtem Nachdenken in uns verfolgen, wenn wir, wie man sagt, ganz in Gedanken versunken sind, so treffen zwar die Anregungen von dem um uns her Vorgehenden unsere Sinne, aber ohne unsere Aufmerksamkeit in’s Spiel setzen zu können, weil dieselbe augenblicklich vollständig einem anderen Gegenstände zugewendet ist. Werden wir aber durch irgend etwas aus diesem Zustande plötzlich zum Bewußtsein unserer Umgebung zurückgerufen, so treten nicht nur die augenblicklichen Verhältnisse, sondern auch sogleich wegen der unmittelbaren Verbindung die Vorstellungen des nächst Vorhergegangenen in unsere Erinnerung, so daß wir von der Gegenwart keineswegs als von etwas Unbegreiflichem überrascht werden, sondern in derselben durch die Erinnerung an das Vorhergehende vollkommen orientirt sind. Je weniger tief und intensiv unser Nachdenken war, je weniger vollständig unsere Aufmerksamkeit also von unserer Umgebung abgezogen war, desto deutlicher und treuer tritt nun auch die Erinnerung an die vorher nicht beachteten Vorstellungen in uns auf, und umgekehrt. Dauert der Zustand des Versunkenseins aber so lange, daß, wenn wir von selbst wieder zu uns kommen, dasjenige, was in unserer Gegenwart vorging, schon lange vorüber ist, so haben wir oft nur das Gefühl, es sei etwas geschehen, aber ohne uns an das Was erinnern zu können, wenn nicht äußere Einwirkungen, die im Stande sind, jenes unbewußt vorübergegangene Vorstellungsspiel wieder zu beleben, uns dabei zu Hülfe kommen.

Ganz dasselbe findet nun aus denselben Ursachen im Traume statt. Wir werden plötzlich geweckt und erinnern uns des eben gehabten Traumes um so leichter, je weniger tief der Schlaf war, also am leichtesten beim Einschlafen und kurz vor dem natürlichen Erwachen. Wir wachen von selbst auf und haben das Gefühl, wir hätten geträumt, aber wir wissen nicht mehr, was. Wir glauben gar nicht geträumt zu haben, aber mitten im wachen Leben regt irgend ein zufälliger Umstand das Gedankenspiel des Traumes wieder an, und nun tritt der Traum sogleich lebhaft wieder vor unsere Seele. Oft findet auch dieses nicht statt, wie denn Lessing

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 391. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_391.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)