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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

aber in der octroyirten Verfassung Manteuffel’s vom 5. December 1848 finden sich viele dieser zum Theil von Waldeck selbst gearbeiteten Commissionsentwürfe wieder vor. Waldeck entwarf ein Preßgesetz, das ebenfalls nicht zur Abstimmung kam; ferner die Habeas-Corpus-Acte, die angenommen ward; eine Aufruhr-Acte und eine neue Gemeinde-, Kreis- und Bezirks-Ordnung, die alle unerledigt blieben. Erfolgreich wirkte er auch für Aufhebung der aristokratischen Grundsteuerbefreiungen und, als entschiedener Gegner aller feudalen Vorrechte, gegen das Jagdrecht. – Darauf hat sich die Thätigkeit Waldeck’s in der Nationalversammlung von 1848 vornehmlich concentrirt, und sie macht dem Manne in Allem Ehre; kaum daß darin Spuren einer damals gewiß verzeihlichen leidenschaftlichen Ueberstürzung zu finden sind. Auch ist es ein schöner Zug Waldeck’s, daß er immer mit Liebe dieser constituirenden Versammlung von 1848 gedenkt, sie bei jedem Angriff vertheidigt, auf ihre Arbeiten als auf werthvolle zurückgreift. Gleich nach seinem Wiedereintritt in das parlamentarische Leben, 1861, stand er stolz für diese Nationalversammlung gegen die cynischen Angriffe des Kammerkönigs Vincke ein.

Zuletzt leitete er die energische Opposition des preußischen Parlaments gegen das Cabinet vom November. Er schloß sich dem Steuerverweigerungsbeschluß an und verfaßte die Anklageschrift auf Hochverrath gegen das Ministerium, präsidirt von demselben Cürassier-General Grafen Brandenburg, dem man kürzlich, Gott weiß wofür! ein Denkmal auf dem Leipziger Platz in Berlin gesetzt hat, just als sollte Waldeck, der alle Tage daran vorübergehen muß, damit geärgert werden. Wohl trat die Versammlung zuletzt über das äußerste formelle Recht, aber doch nur aus Nothwehr. Als auf einen Wink von Waldeck ein erbitterter Bürgerkrieg losbrechen konnte, da empfahl er Ruhe und passiven Widerstand. Heut’ lächeln wir über diesen, namentlich wenn wir der Bürgerwehr gedenken; aber daß allein die Selbstbeherrschung Waldeck’s und seiner Freunde ein unendliches Unglück verhütete, das darf ihm als Verdienst nicht vergessen werden.

Für die durch die octroyirte Verfassung im Februar 1849 berufene zweite Kammer wurde Waldeck nicht weniger als sechs Mal gewählt. Die Thätigkeit in dieser Versammlung war um so geringer, als das Ministerium absichtlich keine Arbeiten vorlegte und sich alles Interesse auch nur um die deutsche Frage drehte. Waldeck setzte zuletzt aber doch durch, daß dem Ministerium wegen des verhängten Belagerungszustandes ein Mißtrauensvotum gegeben wurde, in Folge dessen die Kammer Ende April aufgelöst wurde. Das Ministerium war aber inzwischen durch die sich vollziehende Auflösung des Frankfurter Parlaments mächtiger geworden, die Reaction faßte überall Fuß, und die unglücklichen Aufstände in Dresden und am Rhein boten ihr die vortrefflichste Gelegenheit, endlich den beschlossenen Vernichtungskrieg gegen die Demokratie zu unternehmen. Es mußte ein Hauptschlag sein, wenn es gelang, sie in ihrem mächtigsten Chef, in Waldeck, zu treffen, und da man rechtlich dem Manne nichts anhaben konnte, so sorgten die elenden Handlanger der Reaction, daß es mit der Lüge geschehen könne. Am 16. Mai 1849 verhaftete man ihn und klagte ihn des Hochverraths an; aber mehr als alles Andere sagte schon damals der Instinct dem Volke, daß nur die Bosheit und Niedertracht ihn dessen zeihen konnte. Und der Instinct war richtig – mit der Freisprechung Waldeck’s hatte die Demokratie eine Ehrenerklärung erfahren und an Moral außerordentlich vor der herrschenden Reaction gewonnen. Von diesem Zeitpunkt an ist auch ihre innere Kräftigung, ihr neues Leben zu datiren.

Die mit dem Jahre 1861 wiederbegonnene parlamentarische Thätigkeit Waldeck’s ist in Wahrheit eine Fortsetzung der früheren. Der alte Demokrat ist noch heute derselbe. Welche Folge seine erste Rede hatte, haben wir bereits erzählt. Waldeck war der Einzige seiner Partei in der Kammer von 1861, aber er griff nichtsdestoweniger rührig in die Verhandlungen ein. Die demokratische Reform der Gemeindeverfassung und der Agrarverhältnisse rief auch diesmal wieder all seinen Eifer wach, den man mit Unrecht seine Einseitigkeit, seinen Eigensinn nennt; gerade auf diesem Gebiet ist er der alte, zähe Demokrat von Verdiensten. So stimmte er 1861 gegen die Grundsteuer, polemisirte gegen die neue Militärorganisation, arbeitete an den Bergwerksgesetzen und an dem Bericht über das Handelsgesetzbuch und dessen Einführung. Auch forderte er die Wiederherstellung der Gemeindeordnung von 1850 und brachte in der nächsten Session, in der die Demokratie zahlreicher vertreten war und welche deshalb auch bald aus lauter Angst aufgelöst wurde, einen revidirten Entwurf derselben mit Motiven ein, ohne daß es ihm jedoch damals schon gelang, ihn zur Verhandlung im Plenum zu bringen.

Waldeck ist jetzt ein Mitglied der Fortschrittspartei, welche die Majorität des Abgeordnetenhauses bildet. Nicht in Allem harmonirt er mit ihr, und man beklagt sich manchmal im Stillen darüber, sieht den alten Mann oft mit Mißmuth seinen eigenen Weg gehen. Man hat Unrecht. Waldeck ist und bleibt der Träger eines fest ausgeprägten demokratischen Gedankens, der eigentliche Bildner der alten demokratischen Partei in Preußen. Wenn er manchen Bestrebungen, namentlich der jüngeren Demokratie, auch etwas fremd gegenübersteht, so muß man bedenken, daß er darum in der Idee mit ihr doch vollständig eins ist und durch sein Alter ein Recht hat, den Jüngeren ihre Specialitäten allein zu lassen, wie er die seinige noch immer jugendkräftig vertritt. Namentlich in der deutschen Frage, heut die Basis unserer Demokratie geworden, auf der alle ihre Sonderinteressen einheitlich ineinander laufen, steht Waldeck nicht durchaus auf dem Programm der deutschen Fortschrittspartei. Nichtsdestoweniger hat er in einer Rede vom 2. März 1861 über diesen Gegenstand sich klar und bezeichnend ausgedrückt. Er erkannte darin die Bestrebungen des Nationalvereins an, die Nothwendigkeit eines deutschen Centralparlaments, in dem aber auch Deutsch-Oesterreich vertreten sein soll; er erkannte das Anrecht Preußens auf die erste Rolle in Deutschland an, aber er meinte auch nicht mit Unrecht, es könne dasselbe erst dann verwerthen, wenn es in seinem Innern freiheitlicher entwickelt sei, und es müsse um seiner deutschen Mission willen also vor Allem darauf hinarbeiten, sich selbst erst besser – begehrlicher zu machen. Danach würde es nun wohl nicht so schnell mit dem neuen Deutschland gehen, welches das deutsche Volk an die Erben Friedrich’s des Großen übertragen möchte.

Schmidt-Weißenfels. 




Ein deutscher Heldentod in Siebenbürgen.

Fern im Osten, im schönen Siebenbürgerlande, wohnt ein deutsches Völkchen von beinahe 200,000 Seelen. Es könnte glücklich sein, arm ist es nicht, weder in materieller noch geistiger Beziehung, und der Geist der wahren Freiheit, den es vor siebenhundert Jahren als bestes Erbe aus der deutschen Heimath mitgebracht, er lebt in ihm noch fort, wie es auch in seinen Volksliedern singt:

„Wo weder Knecht
Noch Herrngeschlecht
Der freie Geist mag leiden.“

Aber, Ihr Männer und Frauen im großen deutschen Vaterlande, dieses brave Volk ist heimwehkrank, es bereut jetzt wie noch nie die Entfernung von der Heimath. Schon geht die ernste Sage durch’s Volk: Noch 100 Jahre, und der deutsche Volksstamm in Siebenbürgen ist erloschen; und was diesen Glauben noch bestärkt, ist der Umstand, daß von den 11 sächsischen Kreisen schon in dreien die Obergewalt in den Händen einer andern Nation ist. Und doch erfreute das Sachsenland sich von je wackerer Männer, von denen schon Mancher dem deutschen Namen Ehre machte.

Ein solcher ist’s auch, zu dessen Ende wir heute unsere Leser hinführen, ein Mann, den das Wohl seines Sachsenvolks schon als Jüngling begeisterte, der schon als Student sich als höchstes Ziel des Strebens die geistige Erhebung und echt deutsche Erziehung seines Volks setzte und der trotz all der Hemmschuhe und Querbalken, mittelst der man ihn im beliebten alten bequemen Geleise fest zu halten suchte, sich selbst treu blieb bis zu seinem tragischen Ende.

Dieser Mann ist Stephan Ludwig Roth, ein protestantischer Geistlicher zu Mediasch in Siebenbürgen, der im Revolutionskampfe 1849 von den Ungarn standrechtlich hingerichtet wurde.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 407. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_407.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)